"Wie im Gefängnis": Heim-Besuchsregeln zehren an den Nerven

27.6.2020, 06:00 Uhr

© Foto: Ralf Rödel

Die Forchheimerin, die anonym bleiben möchte, schreibt weiter: Sie dürfe ihre hochbetagte Omi nach Voranmeldung und Datenregistrierung nur 15 Minuten besuchen. Dazu sitze sie in einem von Außen her begehbaren Kämmerchen, Holzwände bis zur Decke und eine Plexiglasscheibe trenne sie von ihrer Omi, die – weil schlechthörig – verstehe sie durch diese Wand aber kaum. "Trotz aller Bemühungen des Heimes gleicht der Besuch meiner Omi eher einem Besuch im Gefängnis."

 

 

Jene Seniorin wohnt im Caritas-Altenheim St. Elisabeth in Forchheim. Paul Schlund, Leiter der Einrichtung, bestätigt die geschilderten Umstände der aktuellen Besuchsregelung. Er habe vollstes Verständnis für die Angehörigen, die diese Regelungen kritisieren. "15 Minuten sind nicht viel. Das ist schon klar", räumt er ein. Aber die Räumlichkeiten im Gebäude und die personelle Situation bei 85 Bewohnern würden keine andere Lösung zulassen, schließlich müssten die Mitarbeiter auch noch ihre Arbeit machen.

"Ich würde es mir auch anders wünschen", sagt Schlund. Natürlich seien solche Umstände ungewohnt, aber er müsse eben die Heimbewohner, die zur Hochrisiko-Gruppe gehören, bestmöglich schützen. Und auch seine rund 75 Mitarbeiter, die derzeit hohen Belastungen ausgesetzt seien. Ab Montag, 29. Juni, werde es aber weitere Lockerungen beim Besuchsrecht in Seniorenheimen geben. Das habe die bayerische Regierung jetzt angekündigt, so Schlund. Wie das genau aussehen soll, wisse er noch nicht. Konkrete Ausführungsbestimmungen fehlten noch. Aber Maskenpflicht und Abstandsregelung werden wohl bleiben (siehe Infokasten).

Auch im Jörg-Creutzer-Altenheim (111 Bewohner) und im Wichern-Haus (47 Bewohner), beides Diakonisches Werk Bamberg-Forchheim, galten beim Besuch von Angehörigen in den letzten Wochen: Terminvereinbarung, Daten-Registrierung, Maskenpflicht und Abstand von 1,5 Meter, wie Leiter Jochen Misof erläutert. Man habe zwei Räume in der Villa zu Besucherzimmern umgestaltet und man könne sich bei gutem Wetter auch im Außenbereich treffen.

Hier dürfen Besucher ihre Angehörigen eine halbe Stunde lang treffen. Der Besuch werde aber von einer Mitarbeiterin überwacht, weil manche Angehörigen die Vorschriften nicht so genau nehmen, so Misof. In den beiden Heimen, für die er zuständig ist, habe man bisher nicht feststellen können, dass Bewohner unter der Isolierung leiden, wie manchmal beschrieben werde. "Unsere Bewohner sind gut beschäftigt, sie können ihr Essen wie gewohnt gemeinsam im Speisesaal einnehmen und wir hatten auch schon Konzerte im Garten."

Die angekündigten Lockerungen bei Besuchen im Altenheim sehen sowohl Jochen Misof und auch Paul Schlund kritisch. Beide können sich nicht vorstellen, dass Besucher wieder wie vor Corona unangekündigt durch das ganze Haus laufen. Zu groß sei das Risiko, finden sie. Die Pandemie sei zwar eingedämmt, das Virus aber immer noch da – wie die aktuellen Ausbrüche in Nordrhein-Westfalen zeigten. Beide Heimleiter wollen daher Lockerungen nur mit größter Vorsicht umsetzen.


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Auch im BRK-Seniorenheim am Königsbad in Forchheim (96 Bewohner) sind Besuche bisher zwar streng geregelt, aber man habe versucht, die Begegnungsstätte nett zu gestalten, erzählt Silvia Kuhn, stellvertretende Heimleiterin. Man habe im Bistro zwei Plätze für Besuche geschaffen, im Garten gebe es einen überdachten Platz und zwei weitere Möglichkeiten, wo sich Bewohner mit Angehörigen eine halbe Stunde lang treffen können. Eine trennende Scheibe gebe es nicht. "Besucher müssen aber Mund-Nasen-Schutz tragen, Bewohner ebenfalls, soweit sie es zulassen", so Kuhn. Wie in anderen Seniorenheimen auch gebe es feste Besuchszeiten, Terminvereinbarung, Registrierung, Abstandsregelung.

"Es ist fantastisch, wie die Bewohner mitmachen." Sie seien sehr kooperativ und einsichtig. "Es verstehen fast alle, bis auf Hochdemente, dass wir so vorsichtig sein müssen", sagt Kuhn. Auch sie hatte bisher nicht den Eindruck, dass Bewohner sehr unter der Situation leiden. Zum Teil hätten Bewohner mit Hilfe des Personals per Tablet und Skype Kontakt zu Angehörigen gehalten.

Schlimmer sei es für so manche rüstige Dame gewesen, als kein Friseur und keine Fußpflegerin ins Haus kommen durften. Ferner habe es Veranstaltungen, Konzerte im Garten gegeben und Online-Gottesdienste. "Vereinsamt ist bei uns bestimmt keiner", fasst Kuhn zusammen.

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