Franken steht Start in ein seltsames Sommersemester bevor

19.4.2020, 18:35 Uhr
Der Hörsaal, wie hier an der Nürnberger Bahnhofstraße, wird noch eine ganze Zeit lang leer bleiben.

Der Hörsaal, wie hier an der Nürnberger Bahnhofstraße, wird noch eine ganze Zeit lang leer bleiben.

Das hatte er sich anders vorgestellt. Seit 15. März ist Niels Oberbeck neuer Präsident der Technischen Hochschule Nürnberg. Einen Tag später hätte das Sommersemester starten sollen. Doch dann kam Corona. "Seitdem mache ich nur noch Krisenmanagement", sagt Oberbeck. "Es ist schon merkwürdig – aber so eine Pandemie konnte sich eben niemand vorher vorstellen."

Neues gestalten, andere Akzente setzen oder gar eine Antrittsfeier, all das ist für den neuen Chef bis auf weiteres nicht drin. "Das ist auf der einen Seite natürlich blöd", sagt Oberbeck. "Auf der anderen Seite macht es den Start auch irgendwie ein bisschen leichter, weil keiner eine bestimmte Erwartungshaltung an mich hat, wie ich mit der Situation umzugehen habe, weil es so etwas einfach noch nie gab."

Der Präsident, alle Professoren, Mitarbeiter und Studenten müssen umdenken. Die Hochschulen bleiben geschlossen. Der Semesterbeginn wurde um fünf Wochen auf Montag, den 20. April, verschoben. Aber auch jetzt wird es bis auf weiteres keine Vorlesungen auf dem Campus geben. Stattdessen müssen alle lernen, digital zu lehren und zu studieren. "Das hat am Anfang einen Bewusstseinswandel erfordert", sagt Oberbeck. Der Aufwand, ein auf Anwesenheit und Interaktion angelegtes Seminar, digital umzubauen, ist groß. "Mittlerweile sind die Kollegen sehr engagiert dabei", sagt der Präsident.

Es klappt allerdings nicht überall. Eine Übung im Chemielabor lässt sich schlecht im Internet ersetzen. Praktikumsplätze in einem Betrieb sind schwierig zu bekommen. "Da haben wir noch ein Problem, wie wir das realisieren können", sagt Oberbeck. Die Hochschule versucht, flexibel zu sein. "Wir können nur hoffen, dass Laborkurse später im Semester wieder vor Ort stattfinden können."

Die Prüfungsordnungen sollen gelockert werden, so dass die Betroffenen trotzdem vorrücken können und die Veranstaltungen später nachholen. Wenn nötig, werden Fristen verlängert, damit keiner unvorhergesehen exmatrikuliert wird. "Wir wollen, dass niemand einen Nachteil hat." Der Präsident appelliert an die Studenten, das Semester trotzdem so ernst zu nehmen wie jedes andere auch. "Ich habe allen eine E-Mail geschrieben, mit der dringenden Empfehlung, die Zeit so gut wie möglich zu nutzen und alle Angebote wahrzunehmen, die ihnen die Hochschule jetzt bietet."

Prüfungen sind noch ein Problem

Schwierig ist es bei Prüfungen. "Dafür haben wir noch keine Lösung", gesteht der Präsident. "Ich kann im Moment nicht versprechen, dass es uns gelingt, alle Prüfungen digital rechtssicher abzuhalten." Sicher ist aber: Es wird Prüfungen geben – im Juli oder August. "Es macht deshalb keinen Sinn zu sagen: Wer weiß, was da kommt, ich warte erst mal ab und mache jetzt vorsichtshalber nichts", warnt der Präsident.



Alle Hochschulen arbeiten zurzeit an Werkzeugen, schriftliche Prüfungen digital mit dem nötigen Datenschutz umzusetzen. Schließlich muss dafür sichergestellt sein, dass etwa zuhause niemand hilft oder mittendrin der Rechner abstürzt. Wenn möglich, sollen manche Klausuren durch Hausarbeiten ersetzt werden.

Niels Oberbeck (l.) bei der Amtsübergabe mit seinem Vorgänger Michael Braun.

Niels Oberbeck (l.) bei der Amtsübergabe mit seinem Vorgänger Michael Braun. © TH/MELANIE SCHELLER

"Die Lehrenden sind mit Hochdruck dabei, ihr Angebot wirklich vernünftig digital aufzubereiten", sagt Oberbeck. Die ungewohnte Situation führt dabei zu einem Rollenwechsel: Professoren werden zu Studenten. Das Rechenzentrum der Hochschule bietet Unterlagen und Anleitungen an, wie digitale Lehre funktioniert. Studentische Hilfskräfte sollen beim Erstellen der Online-Kurse helfen. "Damit bieten wir denen, die gerade ihre Nebenjobs verloren haben, andere Verdienstmöglichkeiten", sagt der Präsident.

Sie sind online ohnehin oft fitter als viele Professoren. Oft hakt es noch, die Infrastruktur der Hochschule ist nicht darauf ausgelegt, dass alle gleichzeitig von zu Hause arbeiten. Das Rechenzentrum muss an den Laptops erst Kameras und Mikrofone für Videokonferenzen freischalten, weil sie bislang aus Datenschutzgründen blockiert waren.

"Selbst Kollegen, die kurz vor der Pensionierung stehen und ihr Leben lang auf Tafel und Kreide geschworen haben, sagen, okay, ich tu mir das jetzt an, das tut zwar weh am Anfang, aber ich mache jetzt digitale Lehre", erzählt Oberbeck. "Diese Bereitschaft finde ich großartig." Vieles was vor ein paar Wochen undenkbar war, funktioniert plötzlich – weil es muss. "Wir lernen im Moment ganz viel und einiges davon wird auch nach der Krise Bestand haben."

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