Nur noch einer: Welchen Freund soll mein Kind auswählen?

19.11.2020, 16:00 Uhr
Nur noch einer: Welchen Freund soll mein Kind auswählen?

© Imago/Westend61

Wie geht es Senioren, Kindergarten- und Grundschulkindern sowie Familien mit der Empfehlung der Bundesregierung, dass jeder in diesen Pandemie-Zeiten nur noch Kontakt zu einer festen Person haben sollte? Kerstin Wenzl hatte sich vorgenommen, mal genau hinzuhören. Als Leiterin des Mehrgenerationenhauses Mütterzentrum in Fürth ist es leicht für sie herauszufinden, wie die Stimmungslage bei diesem schwierigen Thema ist.


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"Schlimm", sagt sie, sei das gewesen, was ihr bei dieser kleinen Umfrage zu Ohren kam. Die ältere Dame etwa fürchtet, dass im Kontakt mit nur einer Person bald schon die Gesprächsthemen versiegen. Die Fülle an Erlebnissen, die man untereinander austauschen könne, sei im Rentenalter schließlich überschaubar.

Ein Schulbub überlegte, wie er künftig Fußball spielen soll. Die Vorstellung, dass einer im Tor steht und der andere darauf schießt, ließ ihn traurig zurück. Im Kindergarten kam die Frage auf, ob es sich überhaupt lohnt, ein bestimmtes Spiel auf den Weihnachtswunschzettel zu setzen, das man nur mit mehreren spielen kann.

Und Familien überlegen, ob jedes ihrer drei Kinder einen Kameraden einladen darf, auch wenn diese nicht aus dem selben Haushalt stammen.

Schwierige Entscheidungen

Es seien sehr schwierige Entscheidungen, die jeder für sich treffen müsse, sagt Wenzl. Sie fühlt vor allem mit den Kindern. Sie seien so tapfer gewesen in den vergangenen Monaten, hätten sich an Maske und Händewaschen gewöhnt und so manche andere Corona-Maßnahme klaglos mitgetragen.

Falls aber die Regelung verbindlich würde, dass nur noch der Umgang mit einer Person erlaubt ist, fürchtet sie erhebliche Auswirkungen. "Der soziale Schaden, der nach der Krise zurückbleibt, könnte größer sein als der gesundheitliche."

Auch Agnes Mehl sieht die Kontaktbeschränkungen bei Kindern kritisch – obwohl ihr natürlich bewusst ist, dass sie die Ansteckungsgefahr eindämmen. "Wir alle sind soziale Wesen", sagt die Leiterin der städtischen Erziehungsberatung. Da sei ein Umsteuern eben schwierig.

Was verbindet die Kinder?

Sie rät deshalb, sich gezielt zu überlegen, wie man das Dilemma bestenfalls löst. So sollten Eltern ihr Kind dabei unterstützen, den einen Freund oder die eine Freundin für die kommende Zeit auszuwählen.


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Wem dies schwerfällt, der sollte sich klarmachen, was ihn mit den einzelnen Spielkameraden verbindet und worauf man momentan verzichten kann oder sollte. Das Kind, mit dem man draußen in Bewegung ist, sei vielleicht dem vorzuziehen, mit dem man gerne eng nebeneinander sitzt und puzzelt.

Vielleicht mal eine Karte oder eine Video-Botschaft?

Wie man mit denjenigen in Kontakt bleiben kann, die man nun nicht mehr regelmäßig sehen kann, wäre die nächste Überlegung. "Vielleicht telefonieren die Kinder dann miteinander, schreiben sich mal eine Karte und schicken sich Audio- oder Videobotschaften."

Die Aussage von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Kinder und Jugendliche begegneten sich ja auch über digitale Medien, um Hausaufgaben oder Spiele zu machen, sieht Mehl kritisch.

Ein Ersatz für echte Treffen könne das nicht sein. Vor allem Jugendlichen, die sich seit Monaten schon nicht mehr in Clubs und Bars verabreden können, fehle der direkte Kontakt. Davon, Kinder alleine und stundenlang zum Chatten mit Freunden vor den Computer zu setzen, rät Mehl ab.

Stattdessen können sich auch Eltern einbringen, um mit ihren Kindern draußen in Bewegung zu kommen. Denn auch Sport ist momentan schließlich ein echtes Manko.

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