Baerbock oder Habeck? Gunzenhäuser Grünen-Basis steht hinter beiden

19.4.2021, 05:58 Uhr
Seit 2018 führen Robert Habeck und Annalena Baerbock die Parteispitze der Grünen an. In der Partei finden viele, dass sich die beiden gut ergänzen. Doch ins Kanzleramt kann eben nur einer – oder eine.  

© JOHN MACDOUGALL, NN Seit 2018 führen Robert Habeck und Annalena Baerbock die Parteispitze der Grünen an. In der Partei finden viele, dass sich die beiden gut ergänzen. Doch ins Kanzleramt kann eben nur einer – oder eine.  

Bisher mussten sich die Grünen für kein Oder entscheiden. Denn die Partei setzt auf Doppelspitzen. Auf Bundesebene besteht diese seit 2018 aus Annalena Baerbock und Robert Habeck. Doch nun muss die Partei wählen: In Deutschland kann nur einer oder eine Kanzler/in werden. Am heutigen Montag geben die Grünen bekannt, wer für die Kandidatur antreten wird. Wen dabei die Gunzenhäuser Grünen vorne wähnen? Ein Stimmungsbild.

Wenn einer was von den Grünen erzählen kann, dann Peter Schnell. Er sitzt nicht nur für sie seit 26 Jahren im Gunzenhäuser Stadtrat und ist 2. Bürgermeister, er ist auch eines der Gründungsmitglieder des hiesigen Ortsverbands. "Wir haben zwei hervorragende Kandidaten, beide haben ihre Stärken. Das ist eine luxuriöse Situation", sagt Schnell. Habeck schätze er als "nachdenklichen Typen ein, der die Dinge auf den Punkt bringt". Baerbock wirke "immer kompetent und ist sehr redefreudig".


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Ihr rechne er die etwas besseren Chancen aus. "Na ja, wir sind bei den Grünen", sagt Schnell frei heraus. Es sei Tradition, dass der Frau der Vortritt gewährt wird, "vor allem, wenn beide gleich kompetent sind". Er wäre jedenfalls mit jeder Entscheidung zufrieden: "Ich habe keine Präferenzen." Habeck hält er zugute, dass er bereits Erfahrungen aus seiner Zeit als Minister in Schleswig-Holstein hat. Für Baerbock könne die fehlende Regierungserfahrung aber auch ein Vorteil sein, weil sie vielleicht unverkrampfter an die Aufgabe herangehen würde und einen Blick von außen mitbringe. "Da sehe ich kein Problem. Sie ist noch jung und würde schon reinwachsen", resultiert der Gunzenhäuser.

Es gab auch schon Kampfabstimmungen

Wie harmonisch alles ablaufe, fällt Schnell schon auf. Diese große Einigkeit empfindet er als sehr angenehm: "Es geht um die Themen." Die seien in der Gesellschaft angekommen und "brennen auf den Nägeln". Denn auch bei den Grünen gab es schon Kampfabstimmungen wie etwa damals bei Jutta Ditfurth oder Joschka Fischer, erinnert sich Schnell. Zum Machtkampf, der gerade in der Union tobt, sagt er: "Letztlich demontieren sie sich selber." Wer Markus Söder kenne – und er verfolge seine Karriere schon lange – wisse, dass er sich "mit dem zweiten Platz nicht zufrieden geben wird".

Trotz dieser Ungereimtheiten bei CDU/CSU wäre Schnell "sehr positiv überrascht", wenn aus der Bundestagswahl am 26. September eine grüne Kanzlerin oder ein Kanzler hervorgehen würde. "Aber es wäre schön. Vor 35 Jahren hätte ich mir nicht träumen lassen, dass überhaupt die Möglichkeit auftaucht, dass die Grünen den Kanzler oder Kanzlerin stellen könnten", freut sich Schnell.

Herbert Gutmann, ebenfalls im Stadtrat und dort seit knapp einem Jahr Fraktionsvorsitzender, glaubt, dass "die Zeichen ganz gut stehen", und hofft auf einen grünen Kanzler beziehungsweise eine Kanzlerin. Ob nun Habeck oder Baerbock antrete, sei seiner Meinung nach "unerheblich für die grüne Politik, weil beide dieselbe Linie fahren". Dennoch hält er es für sinnvoll, sich bewusst zu machen, wer besser bei der Wählerschaft ankommt, was die Gesellschaft braucht und will. "Darüber werden sie nachdenken, aber nicht streiten wie CDU/CSU."

Vom Gezerre der Union könnten andere profitieren

Mit etwas Schadenfreude sagt der Laubenzedler: "Sollen sie sich nur spalten, das schadet ihnen." "Hoffentlich merken die Wähler, dass es nur um Macht geht, dass sie keine Gemeinschaft mehr sind." Er ist überzeugt, dass von diesem offenen Kampf andere Parteien profitieren – "vor allem die Grünen". "Dann können wir mehr einfordern. Denn letztlich geht es um Mehrheiten. Nur mit Mehrheiten kann man Gesetze durchbringen", sagt Gutmann. Er sei jedenfalls "irre gespannt", wie sich sowohl CDU/CSU als auch die Grünen entscheiden werden.

"Sehr gespannt und sehr aufgeregt" ist auch Ingrid Scala, weil diese Entscheidung "sehr wichtig für die nächste Wahl ist". Scala sitzt ebenfalls im Stadtrat und ist eine der Grünen-Ortssprecherinnen. Wichtig deshalb, weil die Themen, die die Grünen verfolgen, "sehr ernsthaft sind". "Die Wissenschaft spricht Bände. Wir müssen große Schritte unternehmen, um klimaneutral zu werden", fasst Scala zusammen.

In ihren Augen sind sowohl Baerbock als auch Habeck "tolle Politiker", einen Favoriten hat sie nicht. Den 51-Jährigen empfinde sie als "charismatisch", die 40-Jährige als "strukturiert und sachlich". "Beide haben gute Voraussetzungen, gutes Handwerkszeug, weshalb auch beide meine Unterstützung erhalten", sagt Scala. In die Zukunft blicke sie positiv: "Wir können in Bayern, in Deutschland einiges bewegen."

Als "nicht vorbildlich" sieht sie hingegen den Umgang innerhalb der Union. "Das ist purer Egoismus meiner Meinung nach. So nehmen sie sich selbst die Macht", fasst sie die Situation beim Hauptkonkurrenten zusammen, dem ihre Partei dicht auf den Fersen ist. Aktuell erhalten die Grünen laut einer Forsa-Umfrage 23 Prozent Zustimmung, CDU/CSU nur noch 27 Prozent.

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