Experten in Altmühlfranken zur Corona-Krise: Lage ist sehr ernst

18.3.2020, 13:39 Uhr
Experten in Altmühlfranken zur Corona-Krise: Lage ist sehr ernst

© Jürgen Eisenbrand

Klinik-Vorstand Christoph Schneidewin hatte immerhin eine gute Nachricht: Der Mann sei mit eindeutigen Symptomen ins Krankenhaus gekommen und deshalb sofort isoliert worden. Vermutlich habe er also in der Klinik niemanden anstecken können.

Im Moment gebe es elf Verdachtsfälle, bei denen man derzeit oft tagelang auf die Ergebnisse des Tests warten müsse, da die Laborkapazitäten schlichtweg nicht ausreichten. Auch 13 Klinik-Mitarbeiter, die Kontakt zu Infizierten hatten, hätten sich testen lassen, sagte Schneidewin, Ergebnisse stehen noch aus: "Bislang waren die meisten Testergebnisse negativ."

Mediziner Rank äußerte ganz offen seine Bedenken gegenüber den üblichen Corona-Tests: "Man weiß nicht, wie gut sie wirklich sind", sagte der Mediziner. "Sie liefern falsche positive und falsche negative Ergebnisse." Erstere seien nicht das Problem, meinte er: "Dann sind die Leute halt mal 14 Tage isoliert." Bedenklicher seien jene Tests, die einem Infizierten vorgaukelten, er sei gesund: "Und der steckt dann unwissentlich weitere Personen an." Sein Fazit: "Die Tests sind nicht der Weisheit letzter Schluss."

Für viel vernünftiger und effektiver hält es Rank, wenn sich Menschen mit Grippe-Symptomen von anderen schlichtweg fernhalten – und zwei Wochen lang zuhause bleiben, auch ohne eine gesicherte Diagnose. Die Tests müssten jenen Menschen vorbehalten bleiben, "bei denen man wirklich wissen muss, ob sie krank sind": also etwa Ärzten, Pflegern und Polizisten. Rank: "Eine Diagnostik auf Wunsch wird nicht möglich sein."

Das medizinische Personal müsse schon bei den zu Testenden eine klare Auswahl treffen, denn das Gesundheitsystem in Deutschland sei zwar wesentlich leistungsfähiger als etwa das italienische, aber: "Wenn wir jetzt noch unnötige Dinge tun, ist auch unsere Grenze irgendwann erreicht."

 

Hintergründe zu den Zahlen des Robert-Koch-Instituts finden Sie hier

 

Also heiße das Motto: Absonderung, um die Infektionskette zu unterbrechen. Etwa 70 Personen, sagt Rank, befänden sich derzeit im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen in häuslicher Quarantäne: "Teilweise freiwillig, teilweise auch angeordnet." Etliche Menschen seien etwa nach einem Urlaub nicht mehr zur Arbeit gegangen und verhielten sich "Gott sei Dank vernüftig. Die meisten erkennen die Zeichen der Zeit". Zumal Ärzte bei einschlägigen Symptomen derzeit mit Krankschreibungen großzügig seien – auch ohne den betreffenden Patienten persönlich gesehen zu haben.

In den Krankenhäusern in Gunzenhausen und Weißenburg sieht man sich gegen das Virus gut gerüstet – und ergreift harte Maßnahmen: Schon seit Dienstag werden keine Patienten mehr für planbare Behandlungen mehr aufgenommen, um die Notfall-Versorgung sicherzustellen. In jeder Klinik gebe es eine vom sonstigen Betrieb abgetrennte Station, um (potenzielle) Corona-Patienten von den anderen abtrennen zu können; auch das dort tätige Personal werde nicht in anderen Bereichen eingesetzt.

Je Haus gebe es acht Intensivbetten, davon sei jeweils die Hälfte mit Beatmungsgeräten ausgestattet, weitere solche Geräte könne man aus Operationssälen herbeischaffen. Zudem habe man bei niedergelassenen Ärzten angefragt, ob diese Beatmungsgeräte zur Verfügung stellen könnten.

Ab Donnerstag wird zudem die Besuchsregelung deutlich verschärft: Grundsätzlich steht nur noch der Haupteingang der jeweiligen Klinik offen, andere Türen werden verschlossen. Und generell dürfen Patienten keinerlei Besuch mehr empfangen, es sei denn, der Arzt fordert dies ausdrücklich; was jedoch allenfalls bei Kindern vorstellbar ist – und bei Sterbenden. "So wollen wir unsere Patienten vor Corona schützen", sagt Christoph Schneidewin.

Zusätzliche Kapazitäten wolle man nicht schaffen, dafür fehle es schlichtweg auch an Personal. Aber Johannes Rank baut dennoch für den – nicht ganz unwahrscheinlichen – Ernstfall vor: Wir haben an Ärzte und Pfleger im Ruhestand sowie Studierende einen Aufruf gestartet, sich zu melden."

Das sei zunächst eine reine Vorsorge-Maßnahme, aber, so Rank: "Es ist wichtig, Reserven vorzuhalten." Dennoch sei er vorsichtig optimistisch, dass "die bestehenden Strukturen ausreichen". Und falls nicht, sollten die "Reservisten" ihre aktiven Kollegen vor allem bei der Dokumentation, am Telefon, auf anderen Stationen oder bei der zeitraubenden Patientenaufnahme entlasten.

Ähnliche Aktivitäten gibt es auch in den beiden Häusern des Klinikums: "Ärzte rufen zum Beispiel ehemalige Kollegen an", verriet Klinik-Vorstand Schneidewin. Und die Hilfsbereitschaft sei groß. An sich seien die Krankenhaus-Strukturen wohl ausreichend, sagt Schneidewin, "aber die entscheidende Frage ist, wie viele Mitarbeiter wohl erkranken werden".

Was Schutzkleidung und andere Ausrüstung anbelangt, sei die Lage derzeit noch einigermaßen entspannt. "Aber wenn die Krankheitszahlen stark steigen, kann das zu einem Problem werden", sagt Schneidewin. Das gleiche gelte für Desinfektionsmittel, wo die Vorräte derzeit noch für etwa eine Woche reichten. Immerhin: Der Freistaat habe, so der als Gast der Runde anwesende Landtagsabgeordnete und Bald-Landrat Manuel Westphal, bereits größere Mengen Schutzkleidung gekauft und werde die in den nächsten Tagen an die Kliniken verteilen.

Gesundheitsamts-Vize Rank hatte die Runde mit klaren Worten eröffnet, und er schloss sie ähnlich eindringlich: "Wir werden Tote haben", auch in Altmühlfranken, prophezeite der Mediziner ohne Umschweife. Deren Zahl hänge davon ab, wie funktionsfähig das Gesundheitssystem gehalten werde. Und deshalb mahnte er noch einmal alle, die nur unter leichten Grippe-Symptomen litten: "Nicht jeder muss ins Krankenhaus, die meisten sollen sich einfach isoliert zuhause auskurieren."

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