Warum ein Gunzenhäuser Friseurmeister auch im Lockdown arbeiten darf

19.2.2021, 06:04 Uhr
Warum ein Gunzenhäuser Friseurmeister auch im Lockdown arbeiten darf

© Foto: Horst Kuhn

Denn für den Gunzenhäuser Friseurmeister, dessen Mutter Uschi den Salon in der Bühringerstraße 1970 eröffnete, ist eine tadellose Haarpracht mehr als nur ein schicker Kopfschmuck. "Die Haare sind für uns Menschen wie eine Marke", sagt der 53-Jährige, "sie zeichnen uns aus. Und sie sorgen dafür, dass es uns gut geht und wir uns wohlfühlen."

Dabei hat der leidenschaftliche Handwerker auch und vor allem eine Klientel im Blick: Menschen, die aus unterschiedlichsten medizinischen Gründen große Haarprobleme haben. Krebs-Patienten, die nach einer Chemotherapie die Haare verlieren, Menschen mit kreisrundem oder vernarbendem Haarausfall, psychisch Erkrankte, die sich ihre Haare zwanghaft selbst ausgerissen haben.


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In all diesen Fällen ist Schmerer als zertifiziertes Mitglied des Bundesverbandes der Zweithaar-Spezialisten (BVZ) Partner der Krankenkassen, wenn es um die medizinische Verordnung und Erstattung von Perücken geht. Und als solcher war und ist er auch während des Lockdowns "rund um die Uhr", wie er sagt, für seine Kunden erreichbar.

Kaum bekannt

Das Problem: Selbst Ärzte und medizinisches Personal, von betroffenen Patienten um Rat gebeten, wüssten oft nicht, dass die spezialisierten Friseure, von denen es in Altmühlfranken nur zwei gibt, trotz Corona ihre Dienste anbieten dürften. "Die sagen dann zu den Patienten, ,ja eigentlich ist Ihr Ansprechpartner der Friseur – aber der hat ja geschlossenʻ", hat Schmerer beobachtet.

Er wolle da niemandem einen Vorwurf machen, stellt er im gleichen Atemzug fest, aber eben darauf aufmerksam machen, dass Menschen, die diese Hilfe – also ein medizinisch verordnetes Zweithaar – brauchen, auch jetzt geholfen werden könne.

Er jedenfalls habe schon echte "Glücksmomente" erlebt, wenn er von ihrer Krankheit gezeichneten Menschen mit einem gut gemachten Zweithaar wieder zu mehr Lebensqualität verhelfen konnte. "Ich erinnere mich an einen Mann, der hatte Tränen in den Augen, als er sich damit zum ersten Mal im Spiegel sah." Der Kunde habe nur gesagt: "Ich habe Haare!" Was Schmerer wiederum "beflügelt" hat: "Mann, hab ich mir gedacht, ist das geil! Was gibst du den Menschen Energie."

Bereits über 1000 Perücken gefertigt

Wenn der 53-Jährige, der sich auf seiner Website "Zweithaar-Profi" nennt und auf mehr als 1000 gefertigte Perücken verweist, am Telefon loslegt, ist er nicht mehr zu bremsen. Und man glaubt ihm sofort, wenn er auf die Frage, wie lange er seinen Beruf schon ausübe, wie aus der Pistole geschossen antwortet: "Seit 53 Jahren." Und hörbar schmunzelnd hinterherschiebt: "In meinen Adern fließt schon immer Friseurblut."


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Er spricht von der Hautfarbe, die sich bei Chemo-Patienten ändere, vom Gewichtsverlust, von den deutlicher sichtbaren Hautfalten, von den wechselnden Lichtverhältnissen im Jahresverlauf, davon, wie sich ein Mensch bewege – und davon, dass ein guter Zweithaar-Friseur auf all diese Dinge achten sollte. Er erzählt davon, wie er den Eindruck erwecken könne, Perückenhaar könne mitwachsen.

Und von seiner Lust, einzelne Haare in feinster Handarbeit so miteinander zu verflechten und in eine hauchdünne Silikonschicht einzuarbeiten, sodass noch nicht einmal Experten erkennen könnten, dass sie einen Glatzkopf mit aufgeklebter Perücke vor sich haben.

Motto: "Die Haare müssen passen"

Seine Mutter, die einst auch im Gunzenhäuser Krankenhaus einen Friseursalon betrieben hatte, habe ihm ein Motto mitgegeben, an das er noch heute fest glaube: "Die Haare müssen passen", habe sie ihm die Bedeutung einer guten Frisur gerade für kranke Menschen erklärt.


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Denn sie habe immer wieder beobachtet, wie Krankenhaus-Patienten geknickt und traurig zu ihr in den Salon gekommen seien: "Und nach dem Frisieren haben sie dann gesagt. Jetzt geht’s mir schon besser."

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