Highway to Heu: Kritik an neuen "Traktor-Autobahnen" in Bayern

18.2.2021, 14:42 Uhr
Landmaschinen werden immer größer. Deshalb verkraftet das bestehende Wegenetz kaum mehr die Anforderungen. Die wichtigsten Wege sollen deshalb in Bayern ausgebaut werden. Der Freistaat fördert das massiv.

© Hauke-Christian Dittrich (dpa) Landmaschinen werden immer größer. Deshalb verkraftet das bestehende Wegenetz kaum mehr die Anforderungen. Die wichtigsten Wege sollen deshalb in Bayern ausgebaut werden. Der Freistaat fördert das massiv.

Der Freistaat wolle klammheimlich Tausende von Kilometern "Traktor-Autobahnen" durch die Landschaft ziehen und wertvollen Boden versiegeln, allein in der Fränkischen Schweiz sollten 400 Kilometer dieser sogenannten Kernwege entstehen, die auch die immer größer und schwerer werdenden landwirtschaftlichen Fahrzeuge und Maschine noch tragen können. Jetzt gehe es los damit, jetzt könne man es noch verhindern. So tönt es immer wieder durch die Lande und aus dem Munde von engagierten Bürgern und Naturschützern. Doch was ist wirklich dran an diesen Vorwürfen?


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Bereits seit dem Jahr 2013 fördert das Bayerische Landwirtschaftsministerium die Erstellung von Konzepten für den Ausbau der Wirtschaftswege mit bis zu 75 Prozent. Seit dem Jahr 2015 wird auch der Ausbau selbst mit bis zu 75 Prozent gefördert.

Wege für Radler und Wanderer

"Das bestehende ländliche Wegenetz wird den gestiegenen Ansprüchen einer modernen Landwirtschaft oft nicht mehr gerecht. Die Kernwege sollen mit einem überregionalen Wegenetz in bedarfsgerechter Ausbauqualität für eine weitmaschige und gemeindeübergreifende Vernetzung sorgen und dabei multifunktionalen Aspekten, Landwirtschaft, aber auch Freizeit oder Tourismus, gerecht werden", erklärt ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums. Konkret geht es also um orts- und gemeindeübergreifende Hauptwirtschaftswege, die künftig verstärkt auch Radlern und Wanderern dienen sollen.

"Wir haben von dem Ausbau 2014 zufällig durch einen Bericht im Landwirtschaftlichen Wochenblatt erfahren", beklagt sich Marion Ruppaner, Agrarreferentin beim Bund Naturschutz (BN), über die aus ihrer Sicht mangelhafte Informationspolitik. Der BN fordert den Kernwege-Ausbau auf ein Minimum zu reduzieren und die Wegbreite auf drei Meter zu beschränken. Tatsächlich werden die Kernwege mit einer Breite von 3,50 Metern ausgebaut und, außer in seltenen Ausnahmefällen, asphaltiert.

Zusätzlich wird das Bankett befestigt und befahrbar gemacht, so dass der Unterbau etwa fünf Meter breit ist. "Sonst könnten die Fahrzeuge umstürzen, wenn sie sich ausweichen müssen", erklärt Erwin Auernhammer, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen. Vor Jahrzehnten gebaute Wege sind höchstens drei Meter breit und oft nur auf eine Achslast von fünf Tonnen ausgelegt. Viel zu wenig für heutige Ansprüche.

Kipper von früher sind heute "Kinderspielzeuge"

Moderne Anhänger können bis zu 11,5 Tonnen Einzelachslast und zusammen mit der Zugmaschine ein Gesamtgewicht von 40 Tonnen haben. "Die Kipper von früher sind dagegen aus heutiger Sicht Kinderspielzeuge", meint Auernhammer. Oft seien allerdings gerade die Fahrzeuge der Energieerzeuger mit ihren Biogasanlagen die größten. "Das sieht nicht jeder Landwirt positiv, dass die dadurch quasi unterstützt werden. Durch die erneuerbaren Energien wird das Prinzip ‚Wachse oder weiche‘ noch beschleunigt", meint der Landwirt aus Burgsalach.

"Das ist eine verfehlte Weichenstellung", meint BN-Vertreterin Marion Ruppaner. Die Tendenz zu Großstrukturen dürfe nicht zusätzlich unterstützt werden. "Die Gelder sind fehlgeleitet. Wir müssen umkehren und Landwirtschaft anders denken", fordert sie.

Besonders viel Protest gegen den Kernwege-Ausbau gibt es derzeit in der Fränkischen Schweiz. Georg Schütz, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Kunreuth, glaubt, dass die Kernwege kleinere bäuerliche Betriebe weiter verdrängen. "Wir sind der Meinung, dass ein Ausbau für bäuerliche Verhältnisse reichen würde." Einen Ausbau für die Maschinen von Agrarindustriellen bräuchte man nicht.

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"Wenn wir diese Wege nicht hätten, hätten wir die ganze Belastung, die ganzen landwirtschaftlichen Großfahrzeuge auf den übergeordneten Straßen", verdeutlicht Günter Ströbel, Bürgermeister von Dittenheim (Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen). Seine Gemeinde war eine der ersten beim Kernwegebau. Zwei Wege wurden bereits asphaltiert, ein weiteres mit 750 Metern Länge soll bald entstehen.


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"Durch die Überlastung der Wege entstehen Risse und Mulden. Die Kanten brechen ab, der Unterbau sinkt ab. Die Wege werden zunehmend schlechter", betont Florian Göbet von der BBV Landsiedlung, einer Tochtergesellschaft des Bauernverbandes. Die BBV Landsiedlung war als Dienstleister an der Erstellung zahlreicher Kernwegekonzepte in Bayern beteiligt, vor allem in Franken.

"Statt mit der Gießkanne über alle Wege zu gießen, konzentriert man sich auf die wichtigsten Kernwege", sagt Göbet. Gemeinsam mit örtlichen Vertretern, zum Beispiel aktiven Landwirten, Feldgeschworenen, Baureferenten oder Angehörigen von Jagdgenossenschaften, wird dabei zunächst vor Ort überprüft, welche Wege besonders bedeutend für den überregionalen landwirtschaftlichen Verkehr sind.

Seit Förderbeginn sind in ganz Bayern 156 Wege mit 133 Kilometer Länge bewilligt worden. Das entspricht einer Investitionssumme von rund 52 Millionen Euro und staatlichen Zuschüssen von etwa 38 Millionen Euro. Von den bewilligten Teilstücken sind bislang allerdings erst 66 Wege mit einer Länge von 47 Kilometern tatsächlich gebaut worden, die meisten davon in Mittelfranken und der Oberpfalz.

"Wir haben 17 Integrierte Ländliche Entwicklungen (Ile) mit 140 Gemeinden in Mittelfranken. 16 davon haben schon ein Kernwegekonzept, in sechs wurden bereits Teile umgesetzt", erklärt Gerhard Jörg, Leiter des Amtes für Ländliche Entwicklung Mittelfranken in Ansbach.

Potenziell deutlich mehr als 1000 Kilometer

Tatsächlich sind insgesamt deutlich mehr als 1000 Kilometer potenzieller Wege-Ausbau in diesen Konzepten enthalten, allein in Mittelfranken. Nur: Diese werden in diesem Ausmaß nie gebaut werden. "Zunächst muss für diese Wege natürlich das Land zur Verfügung stehen. Das ist kompliziert und teuer. Außerdem ist der Eigenanteil der Kommunen trotz der hohen Förderung immer noch erheblich", betont Jörg.

Die Wege werden in drei Prioritätsstufen eingeteilt. Die Abschnitte der ersten Priorität sollten eigentlich innerhalb von zehn Jahren ausgebaut werden. "Tatsächlich wird da aber maximal ein Viertel umgesetzt. Bei den anderen Prioritätsstufen wird wohl erst mal gar nichts passieren", verdeutlicht Jörg. Die Folge: Nur die allerwichtigsten und ramponiertesten Wege werden tatsächlich sofort ausgebaut.

Wasserwirtschaftsamt hält Versiegelung für unproblematisch

In der Fränkischen Schweiz ist der Hauptkritikpunkt die zusätzliche Versiegelung, die gerade nach dem erfolgreichen Artenvielfalt-Volksbegehren viele sehr kritisch sehen. Thomas Keller, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Ansbach, wiegelt bei diesem Thema aber ab. "Es ist ja nicht so, dass da die grüne Wiese versiegelt wird. Fast alle dieser Wege haben jetzt schon hydraulisch gebundene Tragschichten oder Mineralbeton. Wenn man sie jetzt asphaltiert, macht das keinen großen Unterschied mehr", betont er. Wege durch Naturschutzgebiete sollen, falls irgendwie möglich, ohnehin vermieden. Die Untere Naturschutzbehörde ist in das Verfahren eingebunden.


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Bei Hochwasser spielten diese Wege keine Rolle, meint Keller. Da sei viel wichtiger, ob der Boden drum herum gesättigt oder gefroren sein. Ohnehin gilt das Verschlechterungsverbot nach der Wasserrahmenrichtlinie. Wo eine nennenswerte Verschlechterung droht, muss das Wasser über Gräben und Rückhaltebecken in der Fläche gehalten werden.

Fränkische Schweiz gehört zu den letzten

Gerade in Franken sind fast überall schon Kernwegekonzepte erstellt worden, die Fränkische Schweiz ist eine der letzten Regionen. Und ausgerechnet zum Abschluss gibt es nun so richtig Gegenwind. "Wir haben das schon oft gemacht, wissen, worauf man achten muss. Meist konnte man eine einvernehmliche Lösung findenN. irgendwo sonst hatten wir bislang so viel Widerstand wie in der Fränkischen Schweiz ", wundert sich Göbet.

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