Als Stadtrat online bei den Sitzungen mitstimmen?

3.3.2021, 05:17 Uhr
Als Stadtrat online bei den Sitzungen mitstimmen?

© Foto: Jeanette Seitz

Es ist jahrzehntelang eingeübte Praxis: Bürgermeister und Landräte starten pünktlich eine anberaumte Sitzung. Es wird genannt, wer entschuldigt fehlt oder erst später dazustoßen kann. Allen ist klar: Dabei ist nur, wer auch wirklich an seinem Platz im Versammlungsraum sitzt, im Angesicht mit den anderen redet, streitet, abwägt, Kompromisse findet.

Neue digitale Techniken und ein Beschleuniger namens Corona könnten nun Bewährtes ins Wanken bringen. Ist kommunale Demokratie auch virtuell denkbar? Zumindest teilweise? Ein Gesetzentwurf im Landtag eröffnet offiziell die Diskussion in Bayern.

An dieses Thema gehen Herzogenauracher Kommunalpolitiker mit großer Vorsicht heran.

Bürgermeister German Hacker sieht zwar technisch letztlich alles als machbar an, doch würden bei Hybrid-Sitzungen (manche im Saal, manche daheim online) sicherlich wesentliche Komponenten einer Debattenkultur fehlen, wie man sie heutzutage kennt: kurze Hinweise etwa an einen Stadtratskollegen oder schnelle Absprachen (vielleicht durch Blickkontakt). "Eine Vermischung von Präsenz- und Digitalsitzung lässt das nicht so sehr zu", meint Hacker.

"Zwei Herzen in meiner Brust"

Ähnlich bremst CSU-Stadtrat Konrad Körner die Euphorie. Zwar sieht er viele Vorteile in der Digitalisierung – bei der Jungen Union wird diese auch vorangetrieben – doch beim Blick auf die Stadtratsarbeit "schlagen zwei Herzen in meiner Brust". Es könne auch viel Debattenkultur verloren gehen.

Wie genau sich der Diskussionsstil verändert, muss erst ausprobiert werden. Die vielen Online-Sitzungen, die in Vereinen, Firmen, Behörden oder auch privat schon stattfinden, können allenfalls Hinweise liefern. Während subtile Zwischentöne unter den Tisch fallen, hat  SPD-Stadtrat Curd Blank festgestellt, dass Online-Besprechungen durchaus zivilisierter ablaufen.

Einfach mal abschalten?

Online habe sogar Charme, witzelt er: "Bei langweiligen Redebeiträgen kann man einfach den Ton abschalten." Retta Müller-Schimmel von den Grünen gibt zu Bedenken, dass für sie Online-Konferenzen viel anstrengender seien als Präsenztreffen. Blank ergänzt: "Viele sitzen schon den ganzen Tag vor der Glotze, dann will man das nicht noch drei bis vier Stunden am Abend."

Kein Wünsch-Dir-Was-Spiel

Nun wird in der beginnenden Debatte auch ein wichtiges Argument für die Online-Zuschaltung genannt: eine bessere Vereinbarkeit von Ehrenamt und Familie/Beruf. Grundsätzlich gibt es eine Übereinstimmung, dass Verbesserungen hier sinnvoll sind. Ja, sagt Konrad Körner, ein kommunales Ehrenamt sei manchmal schwer mit Familie und Beruf zu vereinbaren. Eine Online-Teilnahme an Sitzungen könne da ein gangbarer Weg sein. Allerdings: "Das darf kein Wünsch-dir-was-Spiel werden, es müssen immer begründbare Ausnahmen bleiben."

Gefahr der Überforderung

So sieht das auch Retta Müller-Schimmel. Sie gibt zu bedenken: "Wenn ich mich für ein Amt bewerbe, dann muss ich wissen, auf was ich mich einlasse." Zu schnell könne nämlich auch eine Überforderung eintreten. Also: Kinder ins Bett bringen, nebenher über die Abwassergebühren abstimmen? Man sehe es ja derzeit, wie im Homeschooling oft bis zur Erschöpfung versucht werde, Dinge parallel zu erledigen. Um die positiven Aspekte einer Online-Teilnahme gut zu nutzen, müssten genaue Regelungen gefunden werden. Es dürfe nicht sein, dass man daheim am zweiten Bildschirm die Steuererklärung mache, während man zum Schein an der Stadtratsdebatte teilnehme.

Hoher Regelungsbedarf

Auch Bürgermeister German Hacker sieht hohen Regelungsbedarf. Wäre es vertretbar, sich einfach mal zu einem wichtigen Punkt zuzuschalten, um schnell mit abzustimmen? Und dann wieder abzuschalten? Wie wird bei nicht-öffentlichen Sitzungsteilen verfahren? Kann man absichern, dass daheim nicht noch andere Personen mit im Raum sind?

Und die Technik? Sie ist vorhanden, daran dürfte es nicht mehr scheitern. Oder doch? Was passiert, wenn ein Online-Stadtrat behauptet, ein wichtiger Beitrag sei bei ihm nur ruckelig angekommen? Alles in allem ist man sich einig: "Die Präsenzsitzung sollte immer den Vorrang haben."

 

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