Lockdown: Fitnessstudios können Schließungen nicht nachvollziehen

30.10.2020, 06:00 Uhr
Ab Montag herrscht nicht nur im Fit Star unweit des Nürnberger Hauptbahnhofs gähnende Leere. Trotz ausgefeilter Schutzkonzepte, die regelmäßig kontrolliert wurden, müssen Fitnessstudios erneut schließen.

© Fit Star Ab Montag herrscht nicht nur im Fit Star unweit des Nürnberger Hauptbahnhofs gähnende Leere. Trotz ausgefeilter Schutzkonzepte, die regelmäßig kontrolliert wurden, müssen Fitnessstudios erneut schließen.

"Wir sind natürlich sehr traurig und enttäuscht", sagt Kevin Werner. Der Sprecher der Kette Fit Star, die unter anderem in Nürnberg, Fürth und bald auch in Erlangen Fitnessstudios betreibt, verweist auf die enorme Anstrengungen, die die gesamte Branche seit dem letzten Lockdown unternommen habe. Es sei viel Geld investiert worden, um ein funktionierendes Schutzkonzept zu entwickeln. Dieses, ist Werner überzeugt, habe sich bewährt: "Eine europaweit durchgeführte Studie zeigt, dass das Infektionsrisiko bei nur 0,78 von 100.000 Besuchen liegt." Umso unverständlicher ist es für ihn, dass die Studios erneut dichtmachen müssen.

Fitness boomt in Deutschland. Etwa 12 Millionen Sportler trainieren in Fitnessstudios. Zum Vergleich: Der Deutsche Fußball-Bund hat "lediglich" knapp 7,2 Millionen Mitglieder. Gerade der November ist für Fitnessstudios laut Werner ein wichtiger Monat, um neue Mitglieder zu generieren. Da viele mit Jahresmitgliedschaften arbeiten, würden sich die finanziellen Einbußen erst 2021 beziehungsweise 2022 so richtig bemerkbar machen. Generell haben die Studios laut Werner kaum Einsparpotenzial, da circa 70 Prozent der Kosten für Miete und Personal anfallen.


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Eine gute Nachricht für die Sportler hat Fit Star, das deutschlandweit 14 Studios mit über 120.000 Kunden unterhält, trotzdem: "Es wird keinem Mitglied ein Nachteil aus der Schließung entstehen und wir werden mehrere Möglichkeiten der Beitragskompensation anbieten", verspricht Werner. Er hofft auch dieses Mal auf die Unterstützung der Mitglieder als "Krisenhelden", wie es schon beim ersten Lockdown der Fall war.

Der erneute Lockdown stellt den Nürnberger Breakdancer Michael Finn vor enorme Probleme.

Der erneute Lockdown stellt den Nürnberger Breakdancer Michael Finn vor enorme Probleme. © privat

Schlaflose Nächte

Michael Finn ist Soloselbstständiger, voller Ehrgeiz, ein erfolgreicher Tänzer. Dies alles zusammen bringt ihn in der Corona-Pandemie um den Schlaf. Der 30-Jährige gibt im Fitnessstudio McFit Kurse in "HIIT the beat", einem neuen, schweißtreibenden Workout mit Elementen aus dem Breakdance.

Weil seine Kurse ständig ausgebucht waren, entschloss er sich, zusätzlich einen Raum zu mieten, um noch mehr Trainingseinheiten anbieten zu können. Vor wenigen Tagen bekam er den Schlüssel, an diesem Sonntag hätte er dort zum ersten Mal seine eigenen Kurse gegeben. 25 Teilnehmer hatten zugesagt. Seit Mittwoch ist klar: Daraus wird nichts.

"Was mich fertig macht, ist diese Kurzfristigkeit", sagt der 30-Jährige. Er ist verzweifelt. Zum einen wird er auf Facebook angefeindet, weil er seine Kurse nun online geben möchte, aber gegen Geld. So mancher ist der Ansicht, dass er in der Krise so viel Menschenfreundlichkeit haben müsste, alles kostenlos anzubieten, so wie einige Trainer auf YouTube. Zum anderen wird auch McFit schließen müssen und ihm daher nichts mehr bezahlen. Finn ist junger Vater, er leistet Unterhalt. Die finanziellen Sorgen sind drückend, der Alltag bringt ihn spürbar an seine Grenzen. Denn, ach ja, er arbeitet noch in Vollzeit als Industriemechaniker.

Vielen droht Einsamkeit

Michaela Regus und Oliver Kocher leiten gemeinsam das "Yoga85" in der Brettergartenstraße in Nürnberg. Ab Montag müssen sie ihren Unterricht wieder ausschließlich virtuell geben. "Beim ersten Lockdown hatten wir viel Glück, weil uns viele Mitglieder treu geblieben sind", sagt Michaela Regus. Die Yoga-Schule sei gerade so über die Runden gekommen.


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Dennoch sind die Online-Übertragungen nicht jedermanns Sache. Viele würden mit ihren Problemen nun alleine gelassen und drohen zu vereinsamen, beklagt die Yoga-Lehrerin. Die Folgen seien kaum abzuschätzenden. Zwei Leute hätten beim ersten Lockdown versucht, sich das Leben zu nehmen.

Der neuerliche Lockdown bereitet Regus und Kocher große Sorgen. Die Yoga-Schule hat in diesem Jahr keinen einzigen Neueintritt zu verzeichnen. "Wo soll das alles noch hinführen?", fragt die Yoga-Lehrerin mit Blick auf gestrichene Sport- und Kulturangebote.


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