Nach Gerichtsurteil: Söder will alle Läden wieder öffnen

27.4.2020, 17:52 Uhr
Auch das Kaufhaus Wöhrl kann teilweise wieder öffnen.

Auch das Kaufhaus Wöhrl kann teilweise wieder öffnen.

Es ist ein eindringlicher Appell, den Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gebetsmühlenartig wiederholt. Und verlöre er nicht allmählich die Stimme nach seinen Interviews und Talkshow-Auftritten, er würde ihn wohl jeden Tag noch etwas eindringlicher formulieren.



Bayern, sagt er, sei "auf einem guten Weg", die Zahlen stimmten. Er höre auf den Rat der Virologen, alles andere halte er "für unglücklich und falsch". Es eine Spitze gegen Armin Laschet, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, der Schulen und Geschäfte schneller öffnet als Bayern und den Virologen vorwirft, sie wechselten zu oft ihre Positionen. "Umsicht" sei gefragt, hält Söder dagegen. "Langsamer, dafür sicherer", das sei sein Motto für den Ausstieg aus den Beschränkungen.

Doch jetzt machen ihm Bayerns Richter einen Strich durch die Rechnung. Seit Tagen schon urteilen untere Instanzen darüber, ob auch Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern Fläche öffnen dürfen, wenn sie denn den überzähligen Platz einfach absperren. Drei Gerichte haben das bislang verneint, zwei bejahen es. Jetzt hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gesprochen. Und sein Urteil kann Söder nicht gefallen.

 

 

Denn für die Richter ist klar, dass das Verkaufsverbot für Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern gegen das Grundgesetz verstößt. Das kennt den Gleichheitsgrundsatz, den die Richter gleich mehrfach verletzt sehen. Bayern, so monieren sie, habe verschiedene Regeln aufgestellt für verschiedene Betriebe. So müssen manche die Zahl der Kunden auf einen pro 20 Quadratmeter Verkaufsfläche beschränken. Für die einen ist die Obergrenze von 800 Quadratmetern verbindlich, für die anderen, wie Bau- und Gartencenter oder Buchhandlungen wiederum nicht.

Unter anderen Umständen hätten die Richter die Verordnungen einkassiert, das machen sie klar. Für sie müssen Regeln verbindlich für alle gelten, was sie ausdrücklich auch auf die 800 Quadratmeter beziehen. Ausnahmen müssen begründet sein. Doch die noch immer grassierende Corona-Pandemie als Notlage einerseits und die kurze Laufzeit der Verordnungen andererseits lassen sie davon absehen. Bislang gelten die Beschränkungen bis einschließlich 3. Mai.

Siegeszug vor Gericht

Die Staatsregierung wird noch am Dienstag beschließen, dass künftig auch größere Häuser öffnen dürfen, wenn sie die Verkaufsflächen beschränken – ein Beschluss, der sofort in Kraft treten wird. Auch wenn Markus Söder im Urteil "keinen Angriff auf unsere Regelungen", sehen will, "sondern nur eine Präzisierung. Und die werden wir natürlich umsetzen".

In Wahrheit kippt ein Verwaltungsgericht nach dem anderen die Regel. Das Nürnberger Modehaus Wöhrl hat an mehreren Verwaltungsgerichten durchgesetzt, dass es mittlerweile neun seiner 29 Filialen öffnen darf, so lange sie auf 800 Quadratmeter beschränkt bleiben. Ein Widerspruch ist das nicht: Die Verwaltungsrichter entscheiden über Eilanträge im Einzelfall, die VGH-Richter über die grundsätzliche Linie.

Ohnehin soll es jetzt Stück für Stück weitergehen, in allen Lebensbereichen. Am Dienstag will das Kabinett beschließen, wie Gottesdienste ab dem 4. Mai wieder möglich sein können. Das Demonstrationsrecht wollen die Minister ebenfalls neu regeln, pünktlich zum Feiertag am 1. Mai.

Neues kündigt der bayerische Ministerpräsident auch für die Schulen an. Hatte es bislang geheißen, ein Teil der Schüler werde erst im neuen Schuljahr wieder in die Schule gehen können, betont Söder jetzt, es müsse "das Ziel sein, dass vor Pfingsten jeder Schüler zumindest einmal in der Schule war." Es gebe "viele kluge Konzepte", sagt Söder, die jetzt verzahnt werden müssten. Dazu zählt eine Reduktion des Unterrichts auf die Kernfächer aber auch die Frage von Schichtunterricht, ob innerhalb eines Tages oder wochenweise. Das Land müsse sich "ganz langsam vorsichtig wieder heranführen an den Schulalltag, aber mit maximalen Schutzmaßnahmen."

Wie intensiv die bei den Kleinsten sein müssen, ist derzeit umstritten. Das Robert-Koch.Institut solle einschätzen, verlangt der CSU-Politiker, wie kleine Kinder das Virus übertragen. Sollte sich bestätigen, dass sie "nicht so stark betroffen sind", könnten Kitas schneller wieder öffnen und Familien sich bei der Kinderbetreuung gegenseitig aushelfen.

Weil die Einsamkeit der Bewohner in den Pflege- und Altenheimen bedrohliche Ausmaße annimmt und sich Meldungen über Selbstmorde häufen, muss Bayern reagieren. Der Schutz der Menschen, sagt Söder, habe "absolute Priorität. Aber wir suchen nach Möglichkeiten, wie wir mit einem neuen Sicherheitskonzept gegen die Einsamkeit vorgehen können." Denkbar sei etwas ein Besuchsrecht für eine festgelegte Person.


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