Ein "Gefängniszaun" soll den Wolf vergraulen

7.4.2021, 06:00 Uhr
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© Foto: Klaus Trenz

In diesem Zusammenhang erscheinen ihnen die jüngsten Meldungen aus dem oberfränkischen Betzenstein (Landkreis Bayreuth) wie eine Bestätigung ihrer düsteren Vorahnungen. Dort fielen Ende Februar sowie Anfang März in benachbarten Gehegen insgesamt 25 landwirtschaftliche Nutztiere – Rothirsche, Damwild und Schafe – zwei Attacken zum Opfer. Seit Ende letzter Woche ist es amtlich bestätigt: Dort sind ein männlicher und zwei weibliche Wölfe eingedrungen. Die Gen-Analysen des Speichels, der auf den Kadavern gesichert wurde, weisen auf drei Mitglieder eines Rudels hin, dass sich 2018 im Veldensteiner Forst angesiedelt hat.

Im Umkreis von Betzenstein ist die Bevölkerung verunsichert, denn auch bei Tageslicht werden dort immer wieder Wölfe beobachtet, die beim Anblick von Menschen wenig Scheu zeigen. Die Entfernung zur nördlichen Grenze des Landkreises Neumarkt: keine 40 Kilometer Luftlinie – ein Tagesausflug für einen Wolf.

Warten Sie nicht, bis es zu spät ist

Aus diesem Grund haben in den Wolfsgebieten die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) die registrierten landwirtschaftlichen Wildhalter noch einmal auf "die bestehenden Möglichkeiten der Sicherung von Wildgehegen und die momentanen Förderkonditionen" hingewiesen. "Bitte warten Sie nicht, bis es zu spät ist", warnt Andreas Kosel, Fachberater für Schaf-, Ziegen- und Gehegewildhaltung am AELF Schwandorf und selbst Schäfer in Hohenburg.

Denn die Frist für die Umsetzung der Herdenschutzmaßnahmen in den nordbayerischen Wolfsgebieten Veldensteiner Forst, Truppenübungsplatz Grafenwöhr und Manteler Forst läuft bereits am 30. April und im Gebiet um den Übungsplatz Hohenfels am 31. Dezember 2021 aus. "Sollten danach, als ungeschützt geltende Nutztiere gerissen werden, ist kein finanzieller Ausgleich möglich", so Kosel weiter.


Schäfer: Der Wolf ist unser letzter Sargnagel


Der Landesverband bayerischer Wildhalter informiert bereits seit 2010 auf Veranstaltungen über Sicherungsmöglichkeiten gegen Wolfsübergriffe. Mindestschutz ist ein 90 Zentimeter hoher, elektrifizierter Zaun mit 2500 Volt an jeder Stelle. Zu 100 Prozent gefördert werden auch elektrische Zusatzsicherungen bei Festzäunen und Wildgattern.

Der intelligente Beutegreifer versucht es aber auch unten durch, auch bei Betzenstein hatten sich die Wölfe unter dem Zaun durchgebuddelt. Also braucht es einen Untergrabschutz und womöglich noch weitere Feinheiten. Und ob das dann alles die Herden wirklich schützt, da ist sich Johann Georg Gloßner gar nicht mal sicher. "Am Ende wird ein intensiver Gefängniszaun in der Landschaft stehen", sagt der Herdenbesitzer aus Erasbach. "Wollen wir das?"

Das gleiche gelte natürlich auch für die Bauernhöfe, für Rinder und Pferde: "Tiere auf die Weide – wird es damit wohl bald vorbei sein?"

Noch bevor die Übeltäter von Betzenstein identifiziert waren, forderten Vertreter des Bauernverbands bereits eine "Entnahme" von Problemwölfen. Der bayerische Naturschutzverband LBV erteilte Forderungen nach dem Abschuss hingegen eine klare Absage. Man nehme die Wolf-Situation in Bayern nicht auf die leichte Schulter, so der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer.

Zwischenfälle waren vermeidbar

Er betont aber, dass die beiden Zwischenfälle aus seiner Sicht vermeidbar gewesen wären, hätten sich die zuständigen Landwirtschaftsbehörden und die Halter an den "Aktionsplan Wolf" gehalten und rechtzeitig die notwendigen Herdenschutzmaßnahmen für die Tiere ergriffen.

"Wir wissen seit drei Jahren, dass im angrenzenden Veldensteiner Forst ein Wolfsrudel lebt, und so hätten allerspätestens nach dem Übergriff auf das erste Gatter alle Alarmglocken zum Schutz des benachbarten Geheges und aller weiteren in der Nähe laut läuten müssen", sagt Schäffer weiter. Es müsse wieder Sachlichkeit in die aktuell von Landwirtschaftsseite emotional geführte Debatte einkehren.

 

Die Vorfälle bei Betzenstein sollten allen zuständigen Ämtern im Freistaat als lange überfälliges Warnsignal dienen, den vereinbarten Herdenschutz in Bayern endlich ernst zu nehmen und umzusetzen, damit sich derartiges nicht wiederholt. "Die zuständigen Behörden haben beim Herdenschutz viel zu passiv agiert", erklärt der LBV-Vorsitzende.

"Wolfsabweisende Zäune können den Wolf auch wieder zurückerziehen", sagt Willi Reinbold, Wolfsbeauftragter des LBV. Dies zeige auch der aktive Herdenschutz an einem nahegelegenen Wildtiergehege der Staatsforsten im Veldensteiner Forst östlich von Betzenstein. Hier sei nach dem Eindringen eines Wolfes ein Elektrozaun installiert worden, der seither das Untergraben des Gehegezaunes durch den Wolf verhindert.

Abschuss das letzte Mittel

Ein Abschuss wäre nur dann rechtlich überhaupt möglich, wenn das Tier "sachgerecht geschützte" Nutztiere verletzt oder tötet und Wiederholungsgefahr besteht. "Wo kein wolfsabweisender Zaun steht, darf auch kein Abschuss gefordert werden, denn der stellt das letzte Mittel dar", so der LBV-Wolfsbeauftragte.

Günther Felßner, BBV-Kreisobmann im Nürnberger Land, bekräftigte hingegen, "dass Weidetiere und Wolfsreviere nicht nebeneinander bestehen können". Deshalb müsse der Schutz von Weide-, Freiland- und Offenstallhaltung Vorrang vor dem Wolf haben. Die Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht und praktikable Regulierungsmöglichkeiten wären dringend notwendig.

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