Erste Wahlanalyse in Nürnberg

Ältere halten CSU und SPD die Treue, Jüngere beflügeln die Grünen

27.9.2021, 08:23 Uhr
Präsentieren am Wahlabend die eingehenden Ergebnisse, die noch in der Nacht ausgewertet wurden: Michael Ruf vom Stab Stadtentwicklung (links) und Wahlamtsleiter Wolf Schäfer.

© Günter Distler, NNZ Präsentieren am Wahlabend die eingehenden Ergebnisse, die noch in der Nacht ausgewertet wurden: Michael Ruf vom Stab Stadtentwicklung (links) und Wahlamtsleiter Wolf Schäfer.

Das hat es so noch nie gegeben: Nur in zwei der 15 größten Städte des Landes erhielt die Union mehr Stimmen als die SPD - in Düsseldorf, wo CDU-Chef Armin Laschet als Ministerpräsident amtiert, und in Nürnberg. Und nur hier, also in der Heimatstadt von Bayerns Landesvater Markus Söder, kam die CSU gewissermaßen mit einem blauen Auge davon: Mit 2,4 Prozentpunkten verlor sie hier deutlich weniger als bayernweit (minus 7,1 Punkte) oder gar die CDU bundesweit (minus 8,8 Punkte).

Umgekehrt aber konnte aber die SPD in Nürnberg im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 nur um 2,2 Prozentpunkte zulegen und bleibt damit zweitstärkste Kraft in der Noris. Den größten Sprung nach oben schafften mit 6,9 Prozentpunkten die Grünen - alle Werte beziehen sich jeweils auf die Zweitstimmen. Die SPD zu überrunden, gelang der Partei von Annalena Baerbock und Robert Habeck an der Pegnitz allerdings nicht - während sie etwa in Köln, Stuttgart und München die jeweils meisten Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen konnten. Die radikaleren Kräfte sowohl am linken wie rechten Rand des Parteienspektrums gehören in Nürnberg zu den klaren Verlierern.

Milieus und Quartiere

Hatten bei der Bundestagswahl 2017 CSU und SPD in allen sozialen Quartieren noch teils deutlich verloren, während die vermeintlich Kleinen Boden gut machen konnten, kann diese Spreizung zwischen den Großen und Kleinen diesmal nicht mehr so eindeutig festgestellt werden. Die CSU erreicht erneut in den etablierten Familienquartieren (31 Prozent) und neuen Wohnquartieren (29,7 Prozent) ihre besten Zweitstimmenergebnisse. Die SPD kann den Abwärtstrend der letzten Wahlen, den sie in allen sozialen Wahlbezirkstypen erleiden musste, abbremsen und erzielt in allen sozialen Quartieren Zuwächse. Über alle sozialen Wahlbezirkstypen hinweg können die Grünen die stärksten Stimmenzuwächse aller Parteien für sich in Anspruch nehmen.

Federn lassen musste die CSU erneut auch in ihren Hochburgen, die sie aber solche verteidigt - mit einem Stimmenanteil von dort 40,2 Prozent. Zudem konnte die CSU wieder erfolgreich in den SPD-Gewässern fischen und etabliert sich gerade in den Stammwählerviertel der Sozialdemokraten als hartnäckigster Verfolger. Dennoch behauptet sich die SPD in ihren eigenen Hochburgen als stärkste Kraft (29 Prozent) und konnte nach langer Durststrecke wieder einmal in anderen Lagern Anteile gewinnen. Die Grünen können "querbeet" zulegen und erhalten in ihren eigenen Hochburgen sogar fast ein Drittel aller abgegebenen Stimmen, während die SPD dort weit abgeschlagen mit knapp 21 Prozent folgt. Die FDP bewegt sich mit Ausnahme der SPD-Hochburgen und den Grünen-Hochburgen kaum vom Fleck und erleidet in den eigenen Hochburgen sogar ihre stärksten Verluste (minus 2,6 Prozentpunkte). Die Linke verliert unter allen Parteien auch in allen Hochburgen am stärksten.

Auffällige Generationenunterschiede

Traditionell erfreut sich die CSU besonders unter den Älteren großer Beliebtheit: 49,4 Prozent der über 70-jährigen Frauen und 43,9 Prozent der Männer in diesem Alter gaben der Union in Nürnberg ihre Stimme. Deutliche Einbußen muss sie in den jüngeren Altersgruppen verbuchen, vor allem bei den jungen Frauen bis unter 45 Jahre. Auch die SPD hat offenkundig Mühe, Jüngere für sich zu begeistern - und findet den vergleichsweise stärkeren Rückhalt mit gut 31 Prozent etwa unter den Frauen im Alter zwischen 60 und 69 Jahren.

Dagegen bescherten vor allem die Jüngeren den Grünen ihre Zuwächse. Zwar tragen gegenüber der letzten Bundestagswahl 2017 alle Altersklassen zum Aufwind für sie bei, besonders ausgeprägt aber war das bei den Wählerinnen zwischen 25 und 34 Jahren (17,3 Prozent).

Im Vergleich zur letzten Bundestagswahl hat die Wahlbeteiligung 2021 etwas zugenommen. Dieser Zugewinn zeigt sich über alle Altersgruppen, wenn auch unterschiedlich stark. Junge Wahlberechtigte unter 25 Jahren beteiligten sich zu 73 Prozent und damit nochmals deutlich häufiger (+7,2 Prozentpunkte) als vor vier Jahren; möglicherweise spielt hier wie schon etwa bei der Europawahl die Mobilisierung durch die Klimabewegung eine Rolle. Im Vergleich der Altersgruppen stehen die „Jungen“ mit dieser Wahlbeteiligung trotzdem an letzter Stelle. Insgesamt zeigt sich wieder einmal, dass mit steigendem Alter die Wahlbeteiligung zunimmt. In Hinblick auf die Wahlbeteiligung nach Geschlecht liegen Frauen mit durchschnittlich 76,8 Prozent bei dieser Wahl gleichauf mit den Männern, die zu 76,6 Prozent ihre Stimme abgeben. Im Vergleich zur letzten Bundestagswahl 2017 fallen jedoch besonders die jungen Männer unter 25 Jahren auf, deren Wahlbeteiligung um 10,2 Prozentpunkte angestiegen ist (junge Frauen: plus 4,5 Prozentpunkte).

Briefwahl-Rekord

Von einer "neuen Dimension" spricht Wahlamtsleiter Wolf Schäfer im Blick auf die Zahl und den Anteil der Briefwählenden. Hatte er schon 2017 mit 34,1 Prozent ein Rekordniveau erreicht, waren es diesmal 55,9 Prozent aller Wählenden. Damit haben - sicher beflügelt von dem Wunsch, wegen Corona unnötige Kontakte zu vermeiden - erstmals in der Geschichte Nürnbergs mehr Wählende per Brief abgestimmt als bei der Urnenwahl. Allerdings blieb dennoch jeder bzw. jede vierte Wahlberechtigte der Wahl fern.

Grund zum Anstoßen hatten allemal der CSU-Direktkandidat im Nürnberger Süden und in Schwabach: Zum vierten Mal nach 2009 wird Michael Frieser den Wahlkreis im Bundestag vertreten. Im Nürnberger Norden behauptete sich Sebastian Brehm allerdings nur relativ knapp vor Tessa Ganserer (Grüne) und Gabriela Heinrich (SPD) - beide ziehen über die Landeslisten aber ebenfalls in den Bundestag ein.

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