"Black Lives Matter": 5000 Menschen demonstrieren gegen Rassismus

6.6.2020, 22:26 Uhr

Ein stiller Protest sollte es werden. Eigentlich. Doch immer wieder hallen lautstarke "Black Lives Matter"-Sprechchöre über die Wöhrder Wiese. "Schwarze Leben zählen", so die eindringliche Botschaft. Statt der angekündigten 400 Teilnehmer haben sich am Samstagmittag etwa 5000 Menschen versammelt, wie der Veranstalter und die Polizei übereinstimmend verkünden. Anlässlich des kürzlich von einem weißen Polizisten in den USA getöteten Afroamerikaners George Floyd möchten sich die Demonstranten solidarisch mit Opfern von Rassismus auf der ganzen Welt zeigen.

Viele der überwiegend jungen Demonstranten haben Schilder gebastelt, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen. "I can’t breathe" steht darauf, in Anlehnung an Floyds letzte Worte "Ich kann nicht atmen". "Keine Gerechtigkeit, kein Frieden", fordern andere. Die meisten haben sich etwas Schwarzes angezogen. Ein Zeichen der Solidarität mit der schwarzen Bevölkerung.

Wut, Trauer und Hilflosigkeit

Initiator Danial Eshete wirkt fast ein bisschen schüchtern, als er die Bühne betritt und zur beeindruckend großen Menge spricht. "Wir sind keine Organisation und keine Institution", betont der 24-Jährige. Doch er habe es einfach nicht mehr ausgehalten, dass seine Brüder und Schwestern tagtäglich ermordet werden. Also rief er zum Protest auf – zum stillen Protest, weil ihn und seine Mitstreiter die kollektive Wut, Trauer und Hilflosigkeit sprachlos machen.


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"Wir haben mit fünf, sechs Leuten angefangen. Jetzt sind 5000 hier", sagt er und kann es kaum fassen. Zusammen mit Akim Gubara und Mina Bajalani zählt Eshete zum Kernteam der Initiative "Silent Protest Nürnberg". Man habe sich Schützenhilfe von Fridays for Future geholt, um zu erfahren, wie man so eine Demo überhaupt anmeldet, räumt Gubara ein und muss dabei selbst ein wenig schmunzeln.

Rassismus muss ein Ende haben

Der Anlass, der alle bei nasskaltem Wetter zusammengeführt hat, ist freilich ein ungleich ernsterer. "Vor zwei Wochen stand die Welt für mich still", sagt er. Die Ermordung George Floyds sei nur die Spitze dessen, was er und andere Schwarze an täglichem Rassismus erleben müssten. Wie oft habe er schon gehört: "Du sprichst aber gut Deutsch." Diejenigen, die ihn damit zu loben glauben, bemerken laut Gubara nicht einmal, dass der Satz rassistisch ist. "Wir wollen keine Leute von deiner Sorte", bekommen Menschen seiner Hautfarbe immer wieder vor der Disco zu hören. All das müsse endlich ein Ende haben.

"Es macht uns keinen Spaß hier zu stehen. Wir wollen nicht schon wieder den Hashtag mit dem Namen eines Opfers lesen müssen", sagt Akim Gubara und fordert, dass alle zusammenhalten sollen, um Rassismus, Diskriminierung und Gewalt Einhalt zu gebieten. Immer wieder gibt es tosenden Applaus der Demonstranten, die allesamt Masken tragen. Nach Durchsagen von Polizei und Veranstaltern versuchen sie, den Corona-bedingten Mindestabstand von 1,50 Metern einzuhalten.

Auch ein europäisches Problem

"Rassismus ist ein Riesentabuthema", beklagt die 29-jährige Melanie, die schon am Vorabend in Gostenhof demonstrieren war. Regelmäßig bekomme sie zu hören, dass man in Deutschland ja gar kein Problem damit habe. Ganz anders sieht das die frühere Erlanger Stadträtin Pierrette Herzberger-Fofana. "Ich glaube, dass es keinen einzigen Schwarzen in Deutschland gibt, der nicht mindestens einmal Opfer von Rassismus geworden ist", beklagt die EU-Parlamentarierin von den Grünen. Rassismus und Polizeigewalt gebe es nicht nur in den USA. Sie seien auch ein europäisches Problem, wie zahlreiche Übergriffe und sogar Tötungen in jüngster Vergangenheit belegen.

Insgesamt verlief die Demonstration "absolut friedlich und störungsfrei", wie Polizeisprecher Rainer Seebauer auf Anfrage erklärt. Dass deutlich mehr Menschen gekommen waren, sei kein Problem gewesen. "Die Wöhrder Wiese ist ja groß genug." So konnte die Veranstaltungsfläche nach Absprache mit der Sicherheitsbehörde vergrößert werden.

Dennoch zeigen die Bilder, dass die Teilnehmer der Demonstration teils dicht gedrängt beieinander standen, wenn auch mit Mundschutz. Die Kritik in Sozialen Netzwerken ließ nicht lange auf sich warten, Vergleiche mit der aus dem Ruder gelaufenen Demonstration gegen die Anti-Corona-Maßnahmen im Mai wurden gezogen. Dort hatten sich unter die Demonstranten auch Menschen gemischt, die bewusst keinen Mundschutz trugen und die Abstandregeln nicht einhielten. Das war beim "Silent Protest" vom Samstag aber nicht der Fall, wie Augenzeugen bestätigen.

Die Polizei meldete bei der Demonstration vom Samstag allerdings "keinerlei Sicherheitsstörungen", die Abstandsregeln seien von den Teilnehmern eingehalten worden, wie es von Seiten der Polizei hieß.

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