Trotz Termin

Darum blitzte eine Schwangere im Nürnberger Impfzentrum ab

22.7.2021, 06:00 Uhr
Der Berufsverband der Frauenärzte empfiehlt Schwangeren eine Corona-Impfung. Dennoch ist es für werdende Mütter nicht immer einfach, einen Impftermin zu bekommen.

© imago images/Panthermedia/AndreyPopov, NN Der Berufsverband der Frauenärzte empfiehlt Schwangeren eine Corona-Impfung. Dennoch ist es für werdende Mütter nicht immer einfach, einen Impftermin zu bekommen.

Auch Tage später ist Sabine T. (Name geändert) noch immer empört über das, was ihr im Impfzentrum in der Kfz-Zulassung widerfahren ist. Die Nürnbergerin erwartet ihr erstes Kind, sie ist in der 24. Schwangerschaftswoche und wollte sich und ihr Ungeborenes vor einer Corona-Infektion mit einer Impfung schützen. Vorab habe sie sich gründlich informiert und durch ihre Gynäkologin beraten lassen, sagt die 38-Jährige. "Meine Ärztin hat mir sogar eine entsprechende Empfehlung mitgegeben." Bei der Anmeldung habe sie zudem noch genau erfragt, welche Unterlagen sie als Schwangere mitbringen muss.

Doch als sie dann zum vereinbarten Temin im Impfzentrum erschien, wollte der zuständige Arzt sie nicht impfen. Und nicht nur das. "Er warf mir vor, unverantwortlich gegenüber dem Ungeborenen zu handeln", erzählt T.. "Und das auch noch so lautstark, dass alle Umstehenden mithören konnten." Sie habe unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen müssen. Die werdende Mutter ärgert sich darüber nicht nur, weil sie immer noch nicht geimpft ist, sondern auch, weil man ihr die Eigenverantwortung abgesprochen habe. Sie fühle sich bevormundet, sagt T.. "Schwangere Frauen sollten das selber entscheiden können."

Maria L. (Name geändert) sieht das ähnlich. Die 39-Jährige erwartet ihr zweites Kind, auch sie wollte sich und ihre Familie schützen. Doch sie habe lange nach einem Arzt suchen müssen, der dazu bereit war, erzählt die Angestellte, die in wenigen Tagen bereits ihre zweite Impfung bekommt. "Das war sehr nervig." Sie habe mehrere Absagen bekommen, bevor sie dann doch noch im Großraum Nürnberg fündig wurde. Und auch sie habe sich mehrfach rechtfertigen müssen für ihren Entschluss - nicht gegenüber Medizinern, sondern im Bekanntenkreis.

"Ich wurde manchmal schief angesehen"

"Viele Menschen reagieren skeptisch, ich wurde manchmal schief angesehen." Auch sie würde sich wünschen, dass die Eigenverantwortung einen höheren Stellenwert bekommt. "Es ist ja mein Leben, mein Körper, mein Kind." Als Schwangere habe sie im Falle einer Infektion mit dem Corona-Virus ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf. "Deshalb wollte ich mich unbedingt impfen lassen."

In der Tat deuten mehrere Studien darauf hin, dass das Risiko für Komplikationen auch bei gesunden Schwangeren deutlich erhöht ist, sollten sie sich mit dem Corona-Virus infizieren. Eine internationale Studie aus 18 Ländern ergab, dass die Wahrscheinlichkeit, auf der Intensivstation zu landen, für Schwangere mit Covid 19 fünfmal höher ist als für Schwangere ohne diese Infektion. Zudem sei die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen wie Frühgeburten und Schwangerschaftsvergiftungen deutlich erhöht. Länder wie Israel und die USA empfehlen deshalb, Schwangere zu impfen.

Deutschland ist da noch zurückhaltender. Weil die Datenlage noch nicht ausreichend sei, gibt die Ständige Impfkommission keine generelle Impfempfehlung ab. Vorerkrankten Schwangeren, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf hätten, könne die Impfung nach ausführlicher Beratung und einer Nutzen-Risiko-Abwägung angeboten werden, betonte das Expertengremium in einer Ergänzung der Empfehlungen Mitte Mai.

In der Praxis blieben damit die Hürden für Schwangere hoch, kritisiert der Berufsverband der Frauenärzte. Schließlich sei, weil es keine generelle Empfehlung gibt, auch die Haftungsfrage ungeklärt. Dennoch rät der Berufsverband Schwangeren ausdrücklich zu der Immunisierung. Der Fürther Gynäkologe Dr. Ulrich Schwiersch teilt diese Einschätzung, in seiner Praxis bietet er, anders als viele seiner Berufskollegen, die Impfung sogar selber an. "Schwangere haben eine abgeschwächte Immunabwehr", sagt der Mediziner. Deshalb sei das Risiko für einen schweren Verlauf bei ihnen erhöht. Auch stillende Mütter könnten die Spritze bekommen und so auch ihre Neugeborenen schützen, betont Schwiersch. Erste Daten deuten darauf hin, dass sie über die Muttermilch Antikörper an das Baby weiter geben.

Auch kritische Stimmen

Andere Ärzte sehen das Thema aber kritisch. Noch könne man die Nebenwirkungen der Impfung bei Schwangeren überhaupt nicht abschätzen, so die Nürnberger Gynäkologin Dr. Christa Giese. Sie ist Vorsitzende ihres Berufsverbandes in Mittelfranken, teilt die Einschätzung ihrer Kollegen beim Thema Impfung aber nicht. Sie arbeite ganzheitlich und versuche das Immunsystem ihrer Patientinnen zu stärken. Für sie ist die Datenlage für eventuelle langfristig auftretende Probleme noch zu dünn. "Von einer Impfung für Schwangere rate ich derzeit ab."


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Schwangere wie Sabine T. und Maria L. fühlen sich mit der Impfung jedoch besser geschützt. Und eine solche zu bekommen, das sollte eigentlich auch im Nürnberger Impfzentrum kein Problem mehr sein, wie dessen Leiterin Christine Schüßler betont. "Ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel werden die Frauen geimpft." Sie müssten nur eine Bestätigung ihres Frauenarztes mitbringen, dass aus dessen Sicht nichts dagegen spricht. Allerdings könne man keinen Arzt dazu zwingen, die Spritze zu verabreichen. Wenn ein Mediziner, wie im Fall von Sabine T., Schwangere nicht impfen wolle, könne aber normalerweise ein Kollege einspringen. Warum das nicht geklappt hat, kann Schüßler nicht mehr ermitteln. "Da ist auf jeden Fall etwas schief gelaufen." Der ärztliche Leiter des Impfzentrums hat sich deshalb bei Sabine T. entschuldigt und ihr einen neuen Termin angeboten. "Da wird er mich persönlich impfen", sagt T., die damit jetzt zufrieden ist. "Hauptsache, mein Baby und ich sind dann geschützt."

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