Hamsterkäufe in Franken: "Gefährlicher als Corona selbst"

5.3.2020, 05:45 Uhr
Hamsterkäufe in Franken:

© News5/Schröder

Drei bestätigte Corona-Fälle gibt es mittlerweile in Nürnberg. Aus Panik vor einer Infektion horten derweil kerngesunde Menschen Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken. Nicht nur, dass ihnen das nichts bringt – die Hamsterkäufe sorgen für gefährliche Engpässe in Arztpraxen und Kliniken.

Noch ist das Klinikum Nürnberg gut ausgestattet mit Desinfektionsmitteln, Mund- und Atemschutzmasken. Und das, obwohl es laut Pressesprecher Bernd Siegler seit Auftreten des Coronavirus vermehrt zu Diebstählen kommt.

"Weniger Sorge als die Panikreaktion der Menschen"

Doch Lieferengpässe bekommt Dr. Annette Sattler, die Leiterin der Klinikums-Apotheke, dennoch zu spüren, wie sie in einem aktuellen Interview mit der Deutschen Apotheker-Zeitung sagt. "Eine bevorstehende Coronavirus-Epidemie bereitet mir zur Zeit weniger Sorge als die Panikreaktionen der Menschen", so Sattler. Ihre große Sorge sei, dass der Klinikbetrieb zum Erliegen kommt, Operationen nicht mehr durchgeführt werden können, Frühchen und Intensivpatienten wegen fehlender Schutzkleidung nicht mehr ordnungsgemäß versorgt werden können und einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt werden.


Wegen Coronavirus: Erste Hamsterkäufe in Nürnberg


Auch in Arztpraxen werden Atemschutzmasken bereits knapp, weiß Dr. Michael Bangemann, Allgemeinarzt und Vorsitzender des Praxisnetzes Nürnberg Süd, ein Zusammenschluss niedergelassener Ärzte. "Was Desinfektionsmittel angeht, haben gut organisierte Praxen in der Regel für drei bis vier Monate vorgesorgt", sagt Bangemann. Doch Atemschutzmasken (FFP2) und chirurgische Masken würden schon jetzt knapp.

Arztpraxen sollen entlastet werden

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) erhält Rückmeldungen von Ärzten aus dem ganzen Freistaat, die Materialknappheit beklagen. Die KVB setzt deshalb seit vergangenen Freitag den eigentlich im Ärztlichen Bereitschaftsdienst genutzten Fahrdienst flächendeckend und auch werktags für Hausbesuche bei Corona-Verdachtsfällen und die Entnahme von Proben für die Labordiagnostik. So sollen die Arztpraxen entlastet werden, erklärt KVB-Pressesprecher Martin Eulitz.

Doch die Situation werde sich in Zukunft noch verschärfen, warnt Dr. Michael Bangemann: "Die meisten Schutzmasken werden in China produziert. Wegen der Epidemie wird es zu einem Produktionsstopp von mehreren Monaten kommen. Die eigentliche Krise steht uns also noch bevor." Wenn die Masken verkauft sind, die sich jetzt auf dem Seeweg nach Europa befinden, kämen erst mal keine mehr nach. "Dann ist fraglich, ob in Kliniken noch Operationen durchgeführt werden können."

Sowohl Bangemann als auch Sattler appellieren an die Bürger, keine Masken für den Privathaushalt zu kaufen. Chirurgische Masken schützen nicht vor einer Ansteckung. Sie sind höchstens nützlich, um im Verdachtsfall andere vor der eigenen Infektion zu schützen.

Doch auch Atemschutzmasken sind im normalen Privathaushalt überflüssig: "Eine Atemschutzmaske senkt das Risiko nur bei korrekter Handhabung, und sie schützt gar nicht vor Infektion über die Augenschleimhaut – aber kaum jemandem ist bewusst, wie oft man sich ins Gesicht und an die Augen fasst", betont Sattler.

Am besten schützt man sich mit Händewaschen

Auch Desinfektionsmittel helfen nicht gegen das Virus – jedenfalls nicht besser als das gute alte Händewaschen. "Corona-Viren haben eine Fettmembran, die sich mit Seife hervorragend auflösen lässt", so Bangemann.

Er hatte in seiner Praxis erst einen Verdachtsfall – doch für diesen musste wertvolle Schutzkleidung verbraucht werden. "Wir haben welche vorrätig, falls ein Katastrophenfall ausgerufen wird." Doch der Allgemeinarzt macht sich keine Illusionen, dass er verschont bleiben könnte: "Im Verlauf der Epidemie werden 90 bis 100 Prozent des medizinischen Personals an Corona erkranken."

Bei der Normalbevölkerung erwarten Experten eine Ansteckungsrate von 60 bis 70 Prozent. Fraglich sei jedoch der Zeitraum, in dem das geschieht, sagt der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité. "Das kann durchaus zwei Jahre dauern oder sogar noch länger." Derzeit ist das Ansteckungsrisiko in Deutschland noch sehr klein.

Verwandte Themen