Nach Protesten: Behinderter Afghane doch nicht abgeschoben

8.11.2019, 06:00 Uhr
Abschiebeflüge Richtung Afghanistan finden aus Nürnberg immer wieder statt.

© Daniel Maurer/dpa Abschiebeflüge Richtung Afghanistan finden aus Nürnberg immer wieder statt.

Die Abschiebung schien eigentlich schon besiegelt. Noch am Vormittag hatte die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern, unterstützt von der AfD, im Petitionsausschuss des Landtags für die Abschiebung des nachweislich geistig behinderten Mannes gestimmt. Am frühen Abend dann entschied Innenminister Joachim Herrmann: Der abgelehnte Asylbewerber wird doch nicht abgeschoben. Der 26-Jährige wurde aus der Abschiebehaft entlassen, der Flieger mit 36 Afghanen an Bord startete ohne ihn nach Kabul.

Der "Bayerische Flüchtlingsrat" hatte sich für den Verbleib des 26-Jährigen in Deutschland eingesetzt – und das nicht nur, weil er Abschiebungen nach Afghanistan grundsätzlich ablehnt. Auch deshalb, weil Hossain A. seit seiner Kindheit geistig behindert ist und unter gesetzlicher Betreuung steht. Er habe einen Behindertenausweis mit einem Grad von 50 Prozent, könne weder lesen, schreiben noch rechnen. Er brauche jemanden, der ihn im Alltag unterstützt, zitiert der Verein den Bruder des 26-Jährigen. Verwandte in Afghanistan hat Hossain A. nach Angaben des "Bayerischen Flüchtlingsrats" nicht mehr. Bis auf seine im Iran lebende Mutter lebe die komplette Familie in Deutschland.


Geistig behinderter Flüchtling soll abgeschoben werden


CSU und Freie Wähler vertraten im Petitionsausschuss die Meinung, der geistig behinderte junge Mann könne in Afghanistan unproblematisch für sein Überleben sorgen und verwiesen auf Unterstützungsangebote dort. Alexandra Hiersemann (SPD) argumentiert, dass diese in Afghanistan grundsätzlich nicht ausreichend, außerdem von einem geistig behinderten Menschen wie Hossain A. schon aufgrund bürokratischer Hürden überhaupt nicht in Anspruch genommen werden könnten.

"Wir sind natürlich froh und glücklich, dass Hossain nicht abgeschoben wurde", so Johanna Böhn vom "Bayerischen Flüchtlingsrat". "Jedoch kann und darf es nicht sein, dass in Bayern zuerst wahllos junge Leute inhaftiert werden um dann, wenn der Trubel nur groß genug ist, noch mal Gnade walten zu lassen. Dieser Umgang mit Menschen ist nur eines – menschenverachtend und lebensgefährdend."

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