Pannen und kaum Entlastung: Bayerns Abiturienten sind gefrustet

16.2.2021, 16:05 Uhr
So wie die Abiturprüfungen in den vergangenen Jahren abgelaufen sind, wird das 2021 nicht der Fall sein: Noch mehr Abstand und die Schülerinnen und Schüler werden Mund-Nasen-Schutz tragen.

© Bernd Wüstneck, NN So wie die Abiturprüfungen in den vergangenen Jahren abgelaufen sind, wird das 2021 nicht der Fall sein: Noch mehr Abstand und die Schülerinnen und Schüler werden Mund-Nasen-Schutz tragen.

Kultusminister Michael Piazolo (FW) steht dieser Tage weiter unter Beschuss. Aktuell sind es die fehlenden Test-, Impf- und Hygienekonzepte, die Schulverbände und Opposition für die Grundschulen fordern, wenn diese am 22. Februar öffnen sollen. Im Präsenz- oder Wechselunterricht, je nachdem, welche Unterrichtsform das Raumangebot an den Schulen zulässt, um den Sicherheitsabstand von 1,5 Metern zwischen den Schülerinnen und Schülern zu gewährleisten.

Es werden wenige Grundschulen sein, die auf Präsenzunterricht setzen können. Das Raumangebot ist häufig knapp und es fehlen Pädagogen, um in Kleingruppen unterrichten zu können. Also steht Wechselunterricht an. Ein Modell, das in der Schulfamilie als das denkbar schlechteste gilt: Auch, weil die technischen Voraussetzungen für eine Kombination aus Präsenz- und Digitalunterricht häufig nicht gegeben sind. Eine Rückschau auf die vergangenen Wochen im Wechselunterricht der Abiturienten und Oberstufenschüler der FOS und BOS macht das deutlich.

Schulen schlecht gerüstet

Moritz Meusel, Koordinator der Landesschülersprecher und Sprecher für die Gymnasien, ist enttäuscht darüber, dass das Kultusministerium nur wiederhole, dass der Unterricht gut laufe, obwohl die Realität eine andere sei: "Man hat von heute auf morgen Wechselunterricht verlangt, ohne dass die Schulen technisch dafür gerüstet sind." Übel nimmt Meusel dem Kultusminister auch, dass dieser die Ängste der Schülerinnen und Schüler vor einer Ansteckung nicht ernst genommen hat.

In vielen bayerischen Gymnasien ist die technische Infrarstruktur tatsächlich mangelhaft. "Es sei vielerorts einfach eine Katastrophe", erklärt Meusel. "Von einer flächendeckenden Anbindung der Schulen ans Glasfasernetz sind wir meilenweit entfernt." Dabei wäre nach einem Jahr Corona doch genug Zeit gewesen, einen Großteil mit Internetanschlüssen auszustatten und die notwendige Hardware für Lehrkräfte anzuschaffen.

Die technischen Bedingungen an den Gymnasien sind unterschiedlich. Sie reichen von der Hightech-Schule mit schneller Internetverbindung in allen Räumen und einer ausreichenden Anzahl an digitalen Arbeitsplätzen, bis hin zu Schulen, die gar nicht ans Glasfasernetz angeschlossen sind.

Kein WLAN

Es gibt Gymnasien, da gibt es nur im Verwaltungstrakt Internet, bei anderen reichen die Glasfaserkabel nur bis zum Eingang der Schule und wieder andere verfügen in wenigen Klassenzimmern über WLAN", zählt der Koordinator der Landesschülersprecher auf. Manche Schul-Netzwerke seien so schwach, dass sie schon beim Abspielen von drei parallel laufenden Lernvideos zusammenbrechen. Und scheitere es nicht am WLAN, dann oftmals an der nicht vorhandenen Hardware. "Es ist ein einziges großes Chaos zur Zeit und die Leidtragenden sind nicht nur die Abiturienten, egal welcher Schulart, sondern auch die Schülerinnen und Schüler der anderen Klassen", sagt Meusel.

Wegen der hohen Belastung der Lehrer, den Wechselunterricht zu organisieren, müssten sie zurückstecken. Natürlich gibt es Gymnasien, in denen die Technik reibungslos funktioniert. Diese befinden sich aber oft in den Ballungszentren. Auf dem Land sieht es oft düster aus. Der Frust der Abiturienten und Absolventen von FOS und BOS ist groß. Das spiegelte sich auch in zahlreichen Mails wider, die unsere Redaktion erreichten. Auch Eltern machten ihrer Empörung Luft und Schulverbände stellten sich offensiv hinter die Schülerinnen und Schüler. Viele der jungen Leute klagten über den hohen Druck, der auf ihnen laste und über die Angst, sich im Präsenzunterricht mit dem Virus oder seinen Mutanten anzustecken.

Befreiung vom Präsenzunterricht

Immerhin erwirkten die jungen Leute durch Streiks in einigen Städten, dass das Kultusministerium einlenkte. Nun besteht für sie die Möglichkeit, sich mittels einer Entschuldigung, in der vorhandene Ängste darlegt werden müssen, vom Präsenzunterricht befreien zu lassen. Den Schülerinnen und Schülern der Abschlussklassen geht das nicht weit genug. Sie fordern, dass die Prüfungsaufgaben den Umständen angepasst werden. Damit beziehen sie sich auf eine weitere Eingrenzung des Prüfungsstoffes. Das Kultusministerium ist zu diesem Schritt nicht bereit. Es verweist auf schon erfolgte Erleichterungen, wie etwa die Reduzierung der Klausuren vor den Prüfungen.

Schüler als Versuchskaninchen

Benedikt Karl, Sprecher des Bayerischen Philologenverbands (bpv), versteht die Anliegen der Schülerinnen und Schüler: "Sie sind quasi die Versuchskaninchen, ob Wechselunterricht in dieser Phase der Pandemie überhaupt möglich ist", sagt er. Karl spricht von "zu wenig sicheren Zuständen" an den Schulen und fordert Kultusminister Piazolo auf, den Gesundheitsschutz der Schulfamilie ernster zu nehmen.


Lesen Sie hierzu: Abiturienten verweigern den Präsenzunterricht


In einer Umfrage hat der Philologenverband die persönliche technische Ausstattung seiner Lehrkräfte abgefragt. Rund 80 Prozent der Befragten haben über Weihnachten in die eigene Hardware investiert, um zuhause für den Distanzunterricht gerüstet zu sein. Dienstgeräte fehlten bisher. Das Angebot komme nun reichlich spät, findet Karl, die tatsächliche Umsetzung berge Komplikationen. Was den Philologen-Sprecher auch verärgert, sind die Stimmen, die von einem Corona-Abitur sprechen, einem minderwertigerem Abschluss: "Wer in dieser schwierigen Situation das Abitur schafft, der hat seinen Abschluss mehr als verdient. Vor diesen jungen Leuten müssen wir wirklich den Hut ziehen."

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