Pflege: Imhof fordert "radikalen Kurswechsel"

17.2.2021, 06:50 Uhr
Meistens steht die Pflege in den Heimen im Vordergrund. Der bayerische VdK-Vizechef Hermann Imhof nimmt indes auch die häusliche Pflege in den Blick. 

© Juergen Blume Meistens steht die Pflege in den Heimen im Vordergrund. Der bayerische VdK-Vizechef Hermann Imhof nimmt indes auch die häusliche Pflege in den Blick. 

Die ordentliche Bezahlung der Fachkräfte müsste durch einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag sichergestellt werden. Und die pflegenden Angehörigen bräuchten wesentlich mehr Unterstützung, findet der frühere CSU-Landtagsabgeordnete. „Diese brennenden Fragen werden viel zu langsam und unzureichend angegangen“, meint der 67-Jährige, der zwischen 2014 und 2018 als Pflege- und Patientenbeauftragter der bayerischen Staatsregierung fungierte. Imhof rechnet vor, dass 50 Prozent aller Pflegebedürftigen ausschließlich von ihren Lebenspartnern oder erwachsenen Kindern gepflegt würden, bei weiteren 20 Prozent wird unterstützend ein ambulanter Dienst hinzugezogen. „30 Prozent leben in Heimen, aber der überwiegende Teil der Pflege findet zu Hause statt.“

Mehr Personal in Heimen

Die betroffenen Angehörigen bräuchten dringend Hilfe und Entlastung. Der Nürnberger Sozialexperte plädiert für einen flächendeckenden Ausbau der Pflegestützpunkte, die eine wichtige Anlaufstelle darstellten; wichtig sei auch die Schaffung von wesentlich mehr Kurzzeitpflegeplätzen, damit die Angehörigen einige Tage wegfahren können und ihr pflegebedürftiges Familienmitglied dennoch gut versorgt wissen. Zudem macht er sich für ein Pendant zum Elterngeld stark – auch der Einsatz der pflegenden Familienmitglieder müsste durch eine staatliche Leistung honoriert werden.


Was die Pflegeheime angeht, „so müssen wir die Personalstandards generell großzügiger ausgestalten“. Er ist überzeugt davon, dass es möglich ist, viele junge Leute für den Beruf zu begeistern, wenn die Bedingungen andere wären. Die Fachkräfte müssten Zeit für die Bewohner haben – und besser bezahlt werden.

Bewohner brauchen Sozialhilfe

Imhof hat hier vor allem private Investoren im Visier, die über eine Senkung der Personalkosten zu guten Renditen kommen wollen. „Wir brauchen einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der von der Politik angeordnet wird und der sich an dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes orientiert.“ Dort verdient eine Fachkraft zwischen 2830 und 3540 Euro brutto im Monat. Während sich die Wohlfahrtsverbände an diesem Tarif orientieren, bekommen Pflegekräfte bei privaten Trägern laut Imhof im Schnitt deutlich weniger. Dies will der CSU-Politiker, der dem Landtag zwischen 2003 und 2018 angehörte, unterbinden.

Hermann Imhof gehörte von 2003 bis 2018 der CSU-Landtagsfraktion an.  

Hermann Imhof gehörte von 2003 bis 2018 der CSU-Landtagsfraktion an.  

Und noch ein weiteres Problem steht für Imhof und seinen Verband auf der Tagesordnung: Aufgrund steigender Eigenanteile sind die Bewohner zunehmend auf Sozialhilfe angewiesen, um ihren Heimplatz zu bezahlen. Im Sommer hat der städtische Altenhilfebetrieb Nürnberg-Stift die Preise deutlich erhöht, kürzlich zog der Caritasverband Nürnberg nach (wir berichteten). Der bayerische VdK-Vizechef glaubt, dass es nötig sein wird, die Pflegeversicherung zur Vollversicherung auszubauen, damit das Altenheim nicht noch mehr zur Armutsfalle wird. Das gehe freilich nur in Etappen.

Mehr Geld ins System

Der Sozialpolitiker betont, dass er nicht ungerecht sein wolle, über die diversen Pflegestärkungsgesetze sei in den vergangenen Jahren einiges in Bewegung gekommen. Dennoch seien ihm die Bemühungen zu zaghaft. „Wir müssen Wert und Bedeutung der Pflege in den Mittelpunkt rücken“, glaubt Imhof. Dazu gehöre auch, dass der Staat mehr Geld ins System lenke: „Wir brauchen fünf Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr, um die Herausforderungen zu bewältigen.“ Pflege sei eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge, meint der 67-Jährige und kritisiert die „brutale Kommerzialisierung des Gesundheitswesens“.
Imhof, der sich der katholischen Soziallehre verpflichtet fühlt, bleibt trotz aller Kritik am Bestehenden auch optimistisch. Der zehnfache Großvater hofft, dass nach der Corona-Krise nicht zur Tagesordnung übergegangen wird, sondern eine Umkehr stattfindet: „Weg vom neoliberalen Wirtschaften – hin zu einer sozial-ökologischen Lebensweise in ethischer Verantwortung für eine gerechtere Welt.“

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