Der Grünen-Direktkandidat im Portrait

Sascha Müller: "Die Zweitstimme ist die Klimastimme"

27.8.2021, 06:04 Uhr
Sascha Müller:

© Foto: Günther Wilhelm

Eine Landtagsabgeordnete haben die Schwabacher Grünen bereits. 2018 schaffte Dr. Sabine Weigand den Einzug ins Maximilianeum. Nun, da muss man kein Prophet sein, kommt ein Bundestagsabgeordneter hinzu: Sascha Müller steht auf dem sicheren Listenplatz sechs.

Er wohnt zwar mit seiner Frau und den beiden Söhnen in Nürnberg, ist aber Mitglied im Grünen-Kreisverband Schwabach. Der Kontakt hat sich seit der Schulzeit gehalten: „Ich war einige Jahre am Adam-Kraft-Gymnasium, als meine Familie in Katzwang gewohnt hat.“

„Eine andere Zeit“

Vor vier Jahren hatte er schon einmal kandidiert. Damals kam er auf 7,8 Prozent bei den Erststimmen, die Grünen erreichten im Wahlkreis Nürnberg Süd, zu dem auch Schwabach gehört, 9,3. „2017 war eine andere Zeit“, sagt Sascha Müller. „Damals wusste ich, dass ich chancenlos war.“

Das ist am 26. September bei der Bundestagswahl ganz anders. Die Grünen liegen in den Umfragen zwischen 17 und 20 Prozent, Platz sechs auf der Landesliste gilt deshalb als ein sicheres Ticket in den Deutschen Bundestag.

„Der Dreikampf spornt mich an“

„Ich stelle mich darauf ein, aber deshalb lehne ich mich nicht zurück. Wir sehen ja einen spannenden Dreikampf zwischen Union, SPD und Grünen. So etwas spornt mich als Sportjournalisten an“, sagt der 51-jährige Redakteur von kicker-online. Dem studierten Politikwissenschaftler war die Begeisterung für den Fußball quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater ist die Club-Torhüterlegende Manni Müller, der „Aufstiegsheld von Essen“ 1978.

Ganz nach oben will Sascha Müller nun mit den Grünen. Um das Direktmandat in Nürnberg-Süd will er zumindest „auf Augenhöhe mitspielen“. Noch viel wichtiger aber ist ihm die Zweitstimme für die Partei, denn sie entscheidet über die Kräfteverhältnisse im künftigen Bundestag: „Die Zweitstimme ist die Klimastimme.“ Mit ihr soll Annalena Baerbock „zur ersten echten Klimakanzlerin“ werden.

Doch nach deren Höhenflug nach der souveränen Nominierung folgten schnell die ersten Patzer. Momentan liegen die Grünen in den Umfragen nur noch auf Rang drei.

„Geschlossen hinter Baerbock“

Ist er verärgert über Baerbock? „Nein. Ich erlebe die Partei in einer ganz großen Geschlossenheit hinter Annalena. Die Fehler waren ärgerlich. Man merkt eben, dass wir noch mit dem Apparat einer Neun-Prozent-Partei arbeiten, da rutscht auch mal was durch“, gibt Müller unumwunden zu. „Aber das haben wir hinter uns gelassen. Und ich bin sicher: Die Zustimmung steigt wieder, weil endlich über Themen gesprochen wird.“

Thema Nummer eins der Grünen: der „Aufbruch in den Klimaschutz“. Als einzige Partei hätten die Grünen dafür ein „integriertes Klimaschutzkonzept“ erarbeitet. Der Klimawandel sei auch in Deutschland sichtbar, wie die Flutkatastrophe auf so bittere Weise gezeigt habe: „Wir müssen jetzt umsteigen und in die Vollen gehen, vom Ausbau der erneuerbaren Energien bis zu den Ladestationen. Wir predigen aber keine Verzichtsorgie. Auch das Fliegen will niemand verbieten“, betont Müller.

75 Euro Energiegeld pro Kopf

Das große Ziel: „klimagerechter Wohlstand“. Zwei Beispiele: Umstieg auf E-Autos, eine attraktivere Bahn statt Kurzstreckenflüge. Ein entscheidender Punkt: der soziale Ausgleich. Durch die CO2-Bepreisung sind fossile Brennstoffe wie Benzin und Heizöl teurer geworden. Das Ziel: weniger Verbrauch. Doch nicht jeder kann sich ein E-Auto oder eine Wärmepumpe leisten.

Eine Strafsteuer? „Wir wollen, dass diese Einnahmen zu 100 Prozent an die Bürgerinnen und Bürger zurückgehen. Deshalb planen wir ein Energiegeld von 75 Euro pro Kopf und Jahr“, erklärt Sascha Müller. Das Geld soll ein Anreiz sein: „Wer weniger CO2 verbraucht, profitiert sogar.“

Netzausbau und ICE-Werk nötig

Wie schwierig die Umsetzung großer Ziele sein kann, zeigt sich vor Ort an gleich zwei aktuellen Streitthemen: die Juraleitung P53 und das ICE-Ausbesserungswerk. Die Trasse beziehungsweise die Standorte sind heftig umstritten. „Für die Energiewende brauchen wir den Netzausbau und für die Verkehrswende den ICE und damit das Ausbesserungswerk“, betont Sascha Müller und stimmt beiden Projekten grundsätzlich zu.

Bei der Juraleitung fordert er eine genaue Prüfung, wo die Belastung für Mensch und Umwelt am niedrigsten ist. Auf eine Trasse festlegen will er sich noch nicht. „Aber zur Ehrlichkeit gehört: Irgendjemanden wird es treffen.“ Beim ICE-Werk haben die Grünen mit einem Planungsbüro eine kleinere Variante des Werks vorgeschlagen. Das eröffne die Chance auf andere Standorte als etwa den Reichswald, hofft Müller.

Corona: „Setzen auf Vernunft“

Das Klima ist das zentrale, aber nicht das einzige wichtige Thema: In der Corona-Debatte schließt Annalena Baerbock angesichts der wieder deutlich steigenden Infektionen eine Impfpflicht für bestimmte Personengruppen wie Krankenhauspersonal nicht mehr aus. Der Präsident des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, fordert sogar eine allgemeine Impfpflicht und wirft der Politik einen „dauernden Kotau vor Impfgegner und Skeptikern“ vor.

Was sagt Sascha Müller? „Grundsätzlich setzen wir auf Vernunft und appellieren, sich impfen zulassen. Durch das Impfen und die Tests glaube ich auch nicht, dass wir wieder zu so harten Maßnahmen wie einem Lockdown greifen müssen. Eine allgemeine Impfpflicht wird es sicher nicht geben. Aber wenn die Pandemie weiter um sich greift, könnte eine Impfpflicht für bestimmte Personengruppen das letzte Mittel sein.“

Afghanistan: „Zeit läuft davon“

Das Thema dieser Tage schließlich: Afghanistan. „Ich will nicht besserwisserisch sein“, sagt Sascha Müller. „Die Fehler muss man aufarbeiten, aber jetzt steht an erster Stelle, noch möglichst viele Ortskräfte herauszuholen. Sie haben uns geholfen, ihnen sind wir moralisch verpflichtet. Aber es läuft uns die Zeit davon.“

Welche Lehre er für sich als künftigen Abgeordneten zieht? Nein zu Auslandseinsätzen? „So einfach kann man es sich nicht machen. Es gibt Einsätze, die Sinn machen, aktuell etwa in Mali. In Zukunft wird man noch genauer prüfen: Für was setze ich das Leben unserer Soldatinnen und Soldaten aufs Spiel? Vor solchen Fragen habe ich großen Respekt.“

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