Streifzug durch Nürnberg: Danach sehnen sich die Menschen in der Krise

26.4.2020, 15:00 Uhr
Der Frühling lockt die Nürnberger nach draußen - trotz Corona. Der Wunsch nach Normalität ist groß.

© Michael Matejka Der Frühling lockt die Nürnberger nach draußen - trotz Corona. Der Wunsch nach Normalität ist groß.

Auf der Wöhrder Wiese sitzen Sonnenhungrige. Decken, Tücher und große Abstände, in denen Aberhunderte leuchtendgelbe Löwenzahnblüten mit dem blauen Himmel um die Wette strahlen. 16, 17 Grad zeigt das Thermometer, und kaum ein Lüftchen ist zu spüren – da kann man nicht daheim bleiben.

Mit in diesem gelb getupften Wiesengrün sitzt Almila und arbeitet an einem Laptop. "Es wäre so schön, bei diesem Wetter mit meinen Freunden ein Bierchen trinken zu können", sagt die 23-Jährige, die der Corona-Zustand inzwischen etwas nervt. Sie freut sich, "dass wir ab 11. Mai wieder zur Schule gehen können. Das wird vieles erleichtern." Denn auf die momentane Situation sei man überhaupt nicht vorbereitet gewesen. "Ich bin froh, wenn wir das hinter uns gebracht haben", sagt die junge Frau, die durchaus fröhlich wirkt. Was sie sich gerade wünscht? "Dass die Gesellschaft für die Zukunft besser vorbereitet ist, um schneller Lösungen zu finden, falls so eine Situation wieder kommen sollte."

Die Menschen wünschen sich Normalität

Ein Stück weiter sitzen die ersten Sonnenanbeter am Ufer der Pegnitz, schräg gegenüber dem Cinecittà. Während die einen noch Jeans und langärmelige Jacken tragen, haben vor allem die Jüngeren bereits auf Shorts und T-Shirts umgestellt. Sogar die ersten Flipflops sind zu sehen. Oberhalb der Pegnitz, auf der Insel Schütt, hat sich Käthe Schäffler auf einer Bank niedergelassen. Die 83-Jährige kommt aus ihrem Schrebergarten an der Kieslingstraße. Jetzt soll es zum Hauptmarkt gehen, wo sie ihre Schwester treffen will.

Drei Wochen haben sich die Geschwister Corona-bedingt nicht mehr gesehen. "Der Kontakt zu meiner Schwester fehlt mir", erzählt die rüstige Frau. "Aber ich darf gar nicht jammern, ich sage immer: Ich habe einen Garten, ich darf jeden Tag raus. Und im Garten gibt es immer Arbeit." Endlich mal wieder in einen Biergarten zu gehen, darauf freut sich Käthe Schäffler ganz besonders. "Und ich bräuchte ein paar Schuhe, aber die Schuhgeschäfte sind ja immer noch geschlossen." Vielleicht, so ihre Hoffnung, wird das mit den Lockerungen nun bald anders.

Rücksicht nehmen und Abstand halten

Ein paar Meter weiter teilt sich Brigitte Walter (70) mit einer Bekannten eine Bank. Jede der beiden Frauen sitzt an einem Ende, Brigitte Walter hat einen Mund-Nasen-Schutz aufgesetzt. "Ich will nicht krank wenden und ich wünsche das auch keinem anderen. Dafür muss man eben etwas Rücksicht nehmen und Abstand halten", erklärt die 70-Jährige. Natürlich mit gewisser Sehnsucht. "Ich würde so gerne wieder frühstücken gehen." Mit dem Freundeskreis, der sich sonst immer regelmäßig in der Filiale einer Bäckereikette trifft. " Das fehlt mir schon sehr." Genauso wie die Möglichkeit, mal ins Konzert zu gehen oder ins Kino. Immerhin, ihren 70. Geburtstag konnte Brigitte Walter kurz vor den Corona-Beschränkungen noch ordentlich feiern. Das trägt einen eine Weile. Was sie sich am meisten erhofft? "Dass wir endlich ein Mittel finden, das diese Krankheit besiegt. Damit wir wieder ganz normal leben können."

Überall in der Stadt sind Menschen unterwegs. In der Breiten Gasse passieren Flaneure die geschlossenen Geschäfte. Vor der McDonalds-Filiale hat sich eine Schlange gebildet. Ansonsten scheint der Andrang zu den Lokalen, die Essen zum Mitnehmen anbieten, eher verhalten. Auch auf dem Hauptmarkt sind wieder deutlich mehr Menschen unterwegs. Mitte März, als das Virus gleichsam über Deutschland hereinbrach, verirrte sich plötzlich kaum noch jemand zu den Händlern zu Füßen der Frauenkirche. Seit rund drei Wochen hat sich das geändert, berichtet Jürgen Weich, der mit seinem Gemüsestand seit Jahrzehnten den Markt beschickt. Nein, er fühlt sich nicht von Corona genervt. "Trotz der ganzen Geschichte sollte man seinen Humor und die Lebensfreude nicht verlieren", sagt der 49-Jährige mit blitzenden Augen. " Wir haben das Glück, dass wir nach wie vor arbeiten dürfen, das trägt sehr zur Lebensfreude bei."

Mit den anstehenden Lockerungen sollen alle Menschen verantwortungsbewusst umgehen, wünscht sich der Händler. "Sonst könnte es passieren, dass zwei, drei Wochen später alles noch viel problematischer wird." Als Familienmensch sehnt er sich im Moment vor allem nach einem: Seine Tochter, die mit ihrem Freund zusammenlebt, sieht Weich wegen Corona nur ganz selten. "Ich wünsche mir, mit den Lieben mal wieder einen Abend zu verbringen. Gut zusammen essen, sich schön unterhalten – das ist mein Herzenswunsch."

Zuspruch für die politischen Maßnahmen

Zwischen den Fleischbänken herrscht fast schon Trubel an diesem Samstagnachmittag. Viele Besucher haben es sich auf den Granitstufen gemütlich gemacht und plaudern miteinander. Entspannte Stimmung wie im Straßencafé. Drüben auf der Liebesinsel sitzen Sonnenbadende dicht an dicht, lassen die Beine im grünlichen Pegnitzwasser baumeln. Stefan hat es sich mit einem Kriminalroman vor einem Schaufenster niedergelassen. An Corona nervt ihn die Arbeit in den Medien, die sehr unterschiedlich, teils widersprüchlich berichteten, meint der 47-Jährige. "Es wäre sinnvoller, wenn die Medien eine aufklärendere Rolle spielen würden."

Die Politik gehe grundsätzlich den richtigen Weg. "Die Leute, die sich darüber aufregen, sind immer die, die danach alles besser wissen." Ob das langsame Tempo der Lockerungen richtig ist, werde man erst auf Dauer sehen können, sagt Stefan, in dessen Leben sich durch Corona "überhaupt nichts geändert" hat. Trotzdem hat auch er Vorfreuden für die Zeit der Lockerungen: auf sein Fitnessstudio, das momentan geschlossen ist, aufs Fußballspielen – "oder dass ich mich in ein Café setzen kann. Das fehlt mir."


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