Trauer vor dem Bildschirm? Wie das Coronavirus auch Beerdigungen betrifft

20.3.2020, 05:54 Uhr
Erdbestattungen finden zwar weiterhin statt, doch viele Angehörige dürfen gar nicht mehr teilnehmen. Eine Idee, die Trauernden dennoch teilhaben zu lassen, sind nun Videoaufnahmen, die anschließend online gestellt werden.

© Foto: Rainer Oettel/epd Erdbestattungen finden zwar weiterhin statt, doch viele Angehörige dürfen gar nicht mehr teilnehmen. Eine Idee, die Trauernden dennoch teilhaben zu lassen, sind nun Videoaufnahmen, die anschließend online gestellt werden.

Eigentlich hatte sich Friederike Bohrer eine große Trauerfeier gewünscht. Eine, bei der all die Menschen, die sie kannten, Abschied nehmen können. Doch dann kam Corona, die Vorsichtsmaßnahmen und die Regelung: Die städtischen Trauerhallen und Abschiednahmeräume auf den Friedhöfen in Nürnberg bleiben geschlossen. Lange Reden von Angehörigen, eine ausgiebige Trauerfeier des Pfarrers. All das darf aktuell nicht mehr stattfinden. Stattdessen wird die Bestattung direkt am Grab durchgeführt: Eine kurze Ansprache, ein paar Abschiedsworte, dann wird der Sarg hinuntergelassen, Gäste sind praktisch nicht erlaubt. Man solle sich auf den engsten Kreis der Familie beschränken, so der Appell der Friedhofsverwaltung.

Die Familie beriet und informierte sich, die Frage blieb: Wie kann man Freunde und Bekannte trotzdem teilhaben lassen? Dann kam die Idee, die Beerdigung soll aufgezeichnet werden. Zuerst habe man sich überlegt, die Feier live zu übertragen. Aus technischen Gründen sei das aber nicht möglich, erzählt der Witwer. "Dafür filmen wir jetzt und stellen das Video danach online." In der Traueranzeige veröffentlichte die Familie die Entscheidung zusammen mit dem entsprechenden Link.

Trauer vor dem Bildschirm? Lob von Gemeinde

Eine Entscheidung, die auch die Lutherkirche Nürnberg begrüßt, die die Trauerfeier durchführt. "Ich finde es sehr gut, wenn in dieser Zeit solche kreativen Ideen geboren werden", so die geschäftsführende Pfarrerin Karin Deter. Bei Taufen habe man bereits teilweise eine Skype-Übertragung gemacht, erinnert sie sich.

Positiv sieht es auch das Evangelisch-Lutherische Dekanat in Nürnberg: "Ich finde die Idee großartig", so die Pfarrerin und Sprecherin des Dekanats, Stefanie Reuther. In solchen Zeiten lohne es sich zu experimentieren, neue Möglichkeiten zu schaffen, um die Menschen zu begleiten. Die aktuellen Ideen seien wie "zarte Pflanzen", die man auch über die Zeit hinaus nutzen könnte. Das sieht auch die katholische Stadtkirche so: Eine Übertragung sei sicherlich zunächst ungewohnt, so die Sprecherin Elke Pilkenroth. Gleichzeitig mache sie den Weg frei, um Menschen auch in Zukunft die Möglichkeit zu bieten, dabei zu sein.


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Die Idee könne man auch auf weitere kirchliche Feiern anwenden, so ihre Überlegung. Konkrete Planungen dahingehend gebe es aber noch nicht, wie beide Kirchen übereinstimmend berichten. Und um Beerdigungen zumindest in der aktuellen Ausnahmesituation zu übertragen, fehlt den Gemeinden meist schlicht das technische Equipment.

Novum für Friedhofsverwaltung

Ein Novum wären solche Videoaufnahmen auch für die städtische Friedhofsverwaltung. Derartige Anfragen habe es bisher nicht gegeben, so der stellvertretende Dienststellenleiter Gerhard Wellenhöfer. Foto- und Videoaufnahmen seien auf Friedhöfen allerdings bislang auch nur unter Vorbehalten erlaubt. Sollten nun ganze Bestattungen gefilmt werden, müsse das natürlich auch mit den städtischen Mitarbeitern, die gegebenenfalls auf Aufnahmen zu sehen seien, abgeklärt werden, so Wellenhöfer weiter.

Für die Familie der Verstorbenen ist die Videoaufzeichnung ein kleiner Trost. "Frederike hatte einen großen Bekanntenkreis; auch weil sie sich viel ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert hat", erzählt ihr Mann. So könne man die Teilnahme all dieser Menschen zumindest digital möglich machen.

Während Erdbestattungen weiterhin stattfinden, werden Urnenbestattungen in Nürnberg vorerst komplett ausgesetzt. Die Termine, die bereits gemacht worden seien, würden noch eingehalten, so die städtische Friedhofsverwaltung. Neue Termine vergibt die Behörde aktuell aber nicht; lediglich die Kremierungen werden durchgeführt.


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Insgesamt reduziert das die Zahl der Bestattungen enorm. Laut städtischer Seite lassen sich rund 70 Prozent der Menschen mittlerweile nach ihrem Tod verbrennen. Unter normalen Voraussetzungen versucht die Stadt, die Beerdigungen in den sechs Wochen nach der Kremierung durchzuführen.

Trauergäste: Keine feste Obergrenze

Doch in der aktuellen Situation müsse man davon nun abweichen, erklärt der stellvertretende Dienstellenleiter Wellenhöfer. "Wir müssen unsere Mitarbeiter in dieser Situation schützen, weil wir den Betrieb unbedingt aufrechterhalten müssen." Mit den Verbrennungen und Erdbestattungen könne man schließlich aus hygienischen Gründen nicht einfach warten.

Was die Anzahl der zugelassenen Trauergäste angeht, wollen aktuell weder die Friedhofsvberwaltung noch die Kirchen eine feste Obergrenze festlegen, wie es in anderen Kommunen bereits der Fall ist. Das könnte sich in den nächsten Tag aber auch ändern, meint Wellenhöfer: "Wir bewerten die Situation natürlich jeden Tag neu."

Info: Mehrere Kirchengemeinden in Nürnberg rufen die Bürger dazu auf, als Zeichen der Solidarität jeden Tag um 19 Uhr für fünf Minuten eine brennende Kerze ins Fenster zu stellen.


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