Trotz Reha: Corona-Erkrankter hat mit Spätfolgen zu kämpfen

31.7.2020, 05:53 Uhr
Auf dem Bildschirm erkennt man eine Lunge. Doch das Coronavirus befällt nicht nur die Atemwege, sondern verschiedene Organsysteme.

Auf dem Bildschirm erkennt man eine Lunge. Doch das Coronavirus befällt nicht nur die Atemwege, sondern verschiedene Organsysteme.

Am Telefon spricht er noch immer im Flüsterton. "Anfangs haben mich die Leute überhaupt nicht verstanden", sagt Gerhard B. "Doch ich übe fleißig, denn ich will meine Stimme zurückhaben." Dass er noch nicht wieder richtig sprechen kann, ist eine von vielen Folgen seiner Corona-Erkrankung.


Nichts riechen und schmecken: Symptome für Covid-19


Sie begann im März als scheinbar harmlose Erkältung – und führte zu einem wochenlangen Aufenthalt auf der Intensivstation. Von den Folgen hat sich der gebürtige Nürnberger, der mittlerweile im Umland lebt, noch immer nicht ganz erholt. Und damit ist er kein Einzelfall: Vielen Medizinern machen die höchst unterschiedlichen und teilweise gravierenden Spätfolgen einer Infektion mit Sars-CoV-2 große Sorgen.

"Ein Teil der Patienten hat mit langfristigen Auswirkungen zu kämpfen", sagt Prof. Dr. Joachim Ficker, Chefarzt der Pneumologie am Klinikum Nürnberg, der bisher rund 200 Covid-19-Patienten behandelt hat. Das Virus befalle nicht nur die Lunge, sondern verschiedene Organsysteme. "Es kann Probleme an nahezu allen Organen auslösen", so Ficker. "Wir sprechen von einer systemischen Entzündungsreaktion."

Entsprechend vielfältig seien die Symptome. "Manche Patienten leiden unter bleierner Müdigkeit, andere klagen über Konzentrations- und Gedächtnisstörungen", sagt Ficker. Einige kämpfen mit Nervenentzündungen in den Beinen, wieder andere tragen Schäden am Herzen davon oder leiden, wie Gerhard B., unter den Folgen einer Stimmbandlähmung.

Die Nieren können ebenso betroffen sein wie die Lunge, bei der es zu dauerhaften Schrumpfungen und sogar Narben kommen kann, wie Ficker weiß. "Solche Folgeerkrankungen sind auch bei jüngeren Menschen möglich", betont der Professor. "Und auch Patienten mit milden Verläufen, die zuvor gar nicht in der Klinik waren, haben teilweise damit zu kämpfen." Ficker warnt deshalb davor, die Folgen der Infektion zu verharmlosen. "Das ist eine Erkrankung, die eben nicht nach einigen Tagen vorbei ist."


Patienten verschweigen Corona-Symptome: Retter warnen


Gerhard B. und seine Frau Simone (beide Namen geändert) können das nur bestätigen. Mehrere Wochen habe ihr Mann auf der Intensivstation verbracht, sagt die 57-Jährige. Damals galt noch ein striktes Besuchsverbot, "deshalb hatten wir überhaupt keinen Kontakt, das war die Hölle". Auch wenn er sich mittlerweile erholt habe, sei ihr Mann "noch nicht wieder der Alte".

Auch die Psyche leidet

Zwei Wochen lang lag Gerhard B. im Koma, über Wochen hinweg musste er künstlich ernährt werden, seine Frau bangte mehrfach um sein Leben. Dass er selbst an diese Zeit keine Erinnerung hat, macht dem 74-Jährigen bis heute zu schaffen. "Die Psyche ist betroffen", sagt der Nürnberger. Auch mit dem Laufen klappt es noch nicht ganz so, wie er will. Es falle ihm schwer, geradeaus zu gehen, so B. "Doch ansonsten fühle ich mich wieder relativ gut."

Geholfen hat dabei eine Reha-Maßnahme im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt. Mehrere Kliniken haben sich mittlerweile auf die Behandlung von Covid-19-Patienten spezialisiert. Eine davon ist die Schön-Klinik Berchtesgadener Land in Schönau am Königssee, in der Patienten aus ganz Deutschland behandeltet werden. Dort laufen auch Studien zu den mittel- oder längerfristigen Folgen der Infektion wie Lungenfunktionseinschränkungen, Leistungseinschränkungen und Konzentrationsstörungen.

Es gibt eine Reihe von weiteren Einschränkungen, die beobachtet wurden, wie der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Geruchsstörungen, eine andauernde Müdigkeit – Chefarzt Prof Dr. Rembert Koczulla sieht Menschen mit den unterschiedlichsten Symptomen. Manche klagen "nur" über einen hartnäckigen Husten, andere sind noch nach Wochen auf zusätzlichen Sauerstoff angewiesen. Mit seinem Team versuche er, die Betroffenen "an ihrem jeweiligen Leistungsniveau" abzuholen, betont Koczulla. Mit einer dreiwöchigen Reha sei es dabei meistens nicht getan, daheim müssten die Menschen weiter an ihrer Genesung arbeiten. "Wir können die Patienten nur auf die Spur setzen."

Nicht immer sei klar, ob die gravierenden Beschwerden tatsächlich auf Sars-CoV-2 zurückzuführen sind. "Möglicherweise sind sie auch eine Folge der Intensivbehandlung", so Koczulla. Doch das sei eine Frage, die ihn als Wissenschaftler interessiere, "für die Patienten steht das nicht im Vordergrund". Noch stehen die Mediziner bei der Erforschung der Krankheit am Anfang. "Wir überblicken gerade mal drei, vier Monate", sagt Koczulla.

"Insofern können wir über die längerfristigen Folgen nur spekulieren." Dass manche Menschen die Erkrankung immer noch verharmlosen, kann er jedoch ebenso wenig nachvollziehen wie Simone B., die über die Sorglosigkeit manch anderer nur den Kopf schüttelt. Sie habe überhaupt kein Problem damit, eine Maske zu tragen, sagt die Nürnbergerin. "Noch mal stehen wir das nicht durch."

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