Unternehmen in der Region führen "drittes Geschlecht" ein

17.8.2018, 05:48 Uhr
Statt zum Beispiel "Verkäufer (m/w) gesucht" heißt es nun "Verkäufer (m/w/d) gesucht" oder auch "Verkäufer (m/w/x) gesucht", wobei "d" oder "x" für "divers" steht. Der Grund für die veränderten Stellenanzeigen ist eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts.

© Peter Steffen/dpa Statt zum Beispiel "Verkäufer (m/w) gesucht" heißt es nun "Verkäufer (m/w/d) gesucht" oder auch "Verkäufer (m/w/x) gesucht", wobei "d" oder "x" für "divers" steht. Der Grund für die veränderten Stellenanzeigen ist eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts.

Die Frage, die derzeit viele Personalabteilungen beschäftigt: Wie formuliert man eine Ausschreibung geschlechtsneutral, ohne dass jemand wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – umgangssprachlich Antidiskriminierungsgesetz – klagen kann? Der Kalchreuther Bäcker macht es wie die meisten Arbeitgeber. Bei der Suche nach Verkäufern, Bäckern und Konditoren setzt er in Klammern dahinter: m/w/d – männlich, weiblich, divers. Der familiengeführte Betrieb aus Eckental-Brand, der auch im Großraum Nürnberg viele Filialen hat, setzt um, was das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr forderte: eine Änderung des Personenstandsgesetzes, weil dieses gegen das Diskriminierungsverbot und das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoße. Die Billigung des Bundeskabinetts ist der erste Schritt, umgesetzt werden soll die Änderung bis Ende 2018.

Auch große Unternehmen in Nürnberg wie der Pharmakonzern Novartis und der Energieversorger N-Ergie warten lieber nicht ab, bis das Personenstandsgesetz geändert ist. So suchte die Nürnberg-Messe einen Vertriebs-Mitarbeiter im Veranstaltungsteam, ausgeschrieben mit "m/w/d". Der Posten ist inzwischen nicht mehr verfügbar, doch er steht beispielhaft für die neue Standard-Formulierung bei Stellenanzeigen, auch wenn sich in anderen Stellenanzeigen der Messe immer noch die herkömmliche Version "m/w" findet. "Wir haben ohnehin das Ziel, die jeweils beste Person einzustellen", sagt Personalleiter Norbert Seifert, "daher finden sich in den Stellenausschreibungen der Nürnberg-Messe beide Varianten – ,m/w‘ und ,m/w/d‘. Beide werden gleichbedeutend verwendet."


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Ebenso wie die Messe sind sich viele Unternehmen offenbar nicht sicher, in welcher gültigen Form sie denn nun nach Personal suchen sollen. Ansprechpartner in dieser Frage ist für viele die Industrie- und Handelskammer (IHK). In deren Arbeitsrechtseminaren wird empfohlen, in den Stellenanzeigen das dritte Geschlecht mit anzugeben, auch wenn dies noch nicht verpflichtend ist. "Viele Juristen vertreten die Auffassung, dass sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf andere Rechtsfelder wie das Arbeitsrecht auswirkt", erklärt IHK-Sprecher Hartmut Beck. Bei ihren eigenen Stellenausschreibungen wird daher konsequent immer nach "m/w/x" gesucht, wobei das "x" ebenfalls für "divers" steht.

In Deutschland leben vermutlich etwas 100.000 Intersexuelle, die mit unterschiedlichen Geschlechtermerkmalen ausgestattet sind. Damit entziehen sie sich einer traditionellen Geschlechtszuordnung. Weitere denkbare Folgen eines aktualisierten Antidiskriminierungsgesetzes, das ein derartiges "drittes Geschlecht" berücksichtigt, wären für Unternehmen außerdem geschlechtergerechte Duschen, Umkleiden und Toiletten.

Wie eine solche aussehen könnte, zeigen die stillen Örtchen in der
Tafelhalle. Auf den WC-Türen steht unter anderem "Mann", "Frau", "intersexuell", "zweigeschlechtlich", "geschlechtslos" und "weder noch".

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