Wegen Corona? Frankens Apotheken verkaufen kaum Medikamente

9.7.2020, 05:05 Uhr
Wegen Corona? Frankens Apotheken verkaufen kaum Medikamente

© Foto: Silas Stein/dpa

Nicht wenige Menschen in Bayern hatten kurz vor dem Lockdown anscheinend nicht nur Klopapier und Nudeln gehamstert, sondern auch Präparate gegen Erkältungskrankheiten oder Kopfschmerzen. Margit Schlenk zumindest hat zu Beginn der Coronakrise im Freistaat bei vielen ihrer Kunden "gewisse Vorzieh-Effekte" registriert. "Ein großer Teil hat sich im März noch mit Grippemitteln und anderen Medikamenten eingedeckt, danach gingen die Umsätze deutlich zurück", erzählt die Apothekerin, die zwei Geschäfte in Nürnberg-Laufamholz und in Neumarkt betreibt.

So wie der Sprecherin der Nürnberger Apotheken ging es vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen im Freistaat. "Die Nachfrage bei zahlreichen medizinischen Produkten hat in den vergangenen Monaten spürbar nachgelassen", weiß Thomas Metz, Sprecher des Bayerischen Apothekerverbandes, aus vielen Gesprächen mit Verbandsmitgliedern. Zwar gebe es keine Verkaufsstatistiken für frei verkäufliche Medikamente, doch bei den meisten Apotheken geht man von einem Umsatzrückgang zwischen zehn und 30 Prozent aus.

Ein Grund für die gesunkene Nachfrage nach vielen Mitteln ist durchaus erfreulich: Die Corona-Schutzregeln mit Maskenpflicht, Abstandsgeboten und Hygienevorschriften halten neben der Pandemie offensichtlich auch diverse Infektions- und Erkältungskrankheiten im Zaum. Die verschiedenen Desinfektionsmaßnahmen, die Schutzwände in den Geschäften und regelmäßiges Händewaschen reduzieren auch das Risiko, sich einen grippalen Infekt oder eine Magen-Darm-Grippe einzufangen. Darüber hinaus waren die meisten Kinder viele Wochen lang nicht im Kindergarten oder in der Schule und brachten deshalb keine ansteckenden Krankheitserreger mit nach Hause.

Kaum noch Erkältungskrankheiten

"Die üblichen Erkältungskrankheiten gehen inzwischen gegen Null", hat Katrin Binkert, Inhaberin der Einhorn-Apotheke in Weißenburg, beobachtet. Auch Arzneien gegen Influenza, Bronchitis oder Nebenhöhlenentzündungen wurden deutlich seltener als sonst verlangt, ebenso Mittel gegen Durchfall.

Dieser Rückgang spiegelt sich auch in den Statistiken des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen wider, denn bei einer ganzen Reihe von meldepflichtigen Infektionskrankheiten liegen die Zahlen des ersten Halbjahres 2020 signifikant unter denen der vergangenen Jahre. Zum Beispiel registrierte das LGL bis einschließlich der 26. Kalenderwoche 3543 Personen, die sich mit dem Norovirus infiziert hatten; 6351 Fälle waren es im Vorjahreszeitraum. Und der ebenfalls für schwere Durchfallerkrankungen verantwortliche Rotavirus wurde in der ersten Jahreshälfte bei 553 Menschen in Bayern diagnostiziert – nur ein Bruchteil im Vergleich zu den 2984 Fällen, die dem LGL im gleichen Zeitraum des Vorjahres gemeldet worden waren.

Bei der Influenza wiederum liegt die Zahl der gemeldeten Fälle mit 55.007 zwar über der von 2019 (45 705), dafür ging die Grippewelle früher als sonst zu Ende. Laut einer ersten epidemiologischen Bilanz des Robert-Koch-Instituts (RKI) hatte sie in der zweiten Kalenderwoche begonnen und war mit einer Dauer von elf Wochen merklich kürzer als in den vergangenen fünf Saisons, die zwischen 13 und 15 Wochen dauerten.

Des Weiteren stellte das RKI fest, dass die Zahl der Atemwegserkrankungen seit Anfang März stark zurückgegangen ist – und das sowohl bei Kindern bis 14 Jahren als auch bei Jugendlichen und Erwachsenen. "Insbesondere bei den Erwachsenen ist ein so deutlicher Abfall über mehrere Wochen extrem ungewöhnlich", heißt es in dem Bulletin der Bundeseinrichtung für Krankheitsüberwachung und -prävention. Und weiter: "Die bundesweiten Maßnahmen zur Eindämmung und Verlangsamung der Covid-19-Pandemie dürften erheblich dazu beigetragen haben."

Auf der anderen Seite registrierten viele Apotheken eine gestiegene Nachfrage nach Präparaten gegen Lippenherpes. Ob das auf das Tragen von ungewaschenen oder nicht desinfizierten Schutzmasken zurückzuführen ist, kann Margit Schlenk nicht mit Bestimmtheit sagen. "Vielleicht wird im Homeoffice ja mehr geküsst", mutmaßt die mittelfränkische Apothekerin. Auch Mittel gegen Hautreizungen werden aktuell in ihren Geschäften öfter gekauft als sonst.

Viele kaufen nun bei Versandhändlern

Schlenk und auch ihre Kollegin aus Weißenburg hoffen nun, dass sich angesichts der gesunkenen Infektionszahlen wieder mehr Kunden in die Apotheke trauen. Viele Menschen seien leider zu Versandhändlern abgewandert, bedauert Katrin Binkert, die schon vor der Coronakrise einen Botendienst angeboten hatte. Während des Lockdowns ließ sich denn auch eine steigende Zahl von Kunden die Medikamente nach Hause liefern – "zuvor war das der absolute Ausnahmefall".

Verwandte Themen