Nürnberger Biergeschichte(n)

Wo in Nürnberg seit über Hundert Jahren Bier gezapft wird

Timo Schickler

Lokalredaktion Nürnberg

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11.3.2022, 12:00 Uhr
Schon vor langer Zeit ein beliebtes Ausflugziel: der "Lutzgarten" in Großreuth hinter der Veste.

© Archiv Geschichte für alle, NN Schon vor langer Zeit ein beliebtes Ausflugziel: der "Lutzgarten" in Großreuth hinter der Veste.

Viele kennen sie. Diese eine Kneipe, die Gaststätte, in der er sich schon fast wie zu Hause fühlt. Weil er dort früher viel Zeit verbracht hat. Oder heute verbringt. Weil am Tisch in der Ecke immer dieselben vier Menschen Karten spielen. Weil seit Jahren dieselbe Bedienung arbeitet und die Karte sich kaum verändert hat. Und weil diese eine Biersorte gezapft wird - manchmal schon seit über 100 Jahren.

Jede Straße hatte eine Kneipe

Früher sind solche Gaststätten nie weit weg gewesen, "jede Straße hatte ihre Kneipe", sagt Daniel Gürtler. Der Historiker vom Verein "Geschichte für alle" kennt die Bier-Geschichte vor Ort, die eng mit traditionellen Lokalen verknüpft ist. Die meisten davon liegen in der Altstadt, einfach weil innerhalb der Stadtmauer die Geschichte von Nürnberg beginnt.

Es sind Gaststätten, deren Namen die Einheimischen kennen. Durch ihre Lage ziehen sie aber oft auch viele Touristen an. Wie etwa der "Gulden Stern" in der Zirkelschmiedsgasse, der schon 1419 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird. Oder das "Goldene Posthorn" an der Sebalduskirche. Auch hier wird schon seit mehr als Hundert Jahren Bier serviert - am Anfang allerdings nicht. "Früher war ganz klar geregelt, was ausgeschenkt werden darf", weiß Daniel Gürtler. In Gasthöfen konnten die Leute nur übernachten, aber nicht essen. In Weinschenken - das "Goldene Posthorn" gilt als die älteste in Deutschland - durfte nur Wein über den Tresen gehen. "Dann gab es Garküchen, in denen wurde Stadtbier ausgeschenkt - und in der vierten Klasse, den Wirtshäusern, gab es teilweise auch fremdes Bier."

Bratwurst und Bier eng verbunden

Dass vor allem die Garküchen Nürnberger Bier serviert haben, ist heute noch zu sehen: In vielen Traditionslokalen geht es um die Wurst, wie im "Gulden Stern" und im "Bratwurstglöcklein", dessen Geschichte ebenfalls bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, als das Lokal noch am Sebalder Platz statt im Handwerkerhof zu finden war. Oder das "Bratwurst Röslein" am Rathausplatz, das zum ersten Mal um 1480 in Dokumenten auftaucht. Als Rostbratküche "Zu den drei Rosen".

"Schon im Mittelalter ist die Gaststätten-Dichte in Nürnberg hoch", sagt Daniel Gürtler. 1630 sind es rund 220, in vielen wird nur eine Sorte Bier gezapft. Das ist auch noch so, als im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung des Biers der Kneipen-Radius wächst und Nürnberg mehrere Hundert Gaststätten zählt. Die vielen kleinen Brauereien innerhalb der Stadtmauer werden durch große vor den Toren der Altstadt ersetzt, "Lederer in Gostenhof, die Brauerei Reif in der Nordstadt und Zeltner in der Tullnau", zählt der Historiker auf.

Seit 2021 wieder geöffnet: der Tucher Mautkeller unter der Mauthalle.

Seit 2021 wieder geöffnet: der Tucher Mautkeller unter der Mauthalle. © Holger Kroemer, NNZ

Wenngleich die Geschichte des Zeltner-Biers trotzdem in der Altstadt begonnen hat, weiß Thomas Landherr. Er betreibt die Zeltner-Gaststätte in St. Johannis. "Früher wurde in der Schlotfegergasse gebraut, dort stand auch die Mälzerei." Der Geruch, der beim Malzen entsteht, sorgte aber für Beschwerden, also wird die Brauerei vor die Stadttore verbannt. "Lustigerweise ist die Mälzerei noch länger dort geblieben."

Zeltner-Brauerei hatte 40 Gaststätten

Landherr kennt die Geschichte der örtlichen Brauerei gut, obwohl seine Kneipe erst knapp zehn Jahre alt ist. Im 19. Jahrhundert hat Zeltner dagegen 40 Gaststätten in der Stadt betrieben. Spätestens mit der Zerstörung der Brauerei 1943 endet die hohe Gaststätten-Dichte. Zeltner-Bier aber wird weiter hergestellt: im Brauhaus Nürnberg von Tucher.

Die Tradition ist in Landherrs Lokal bis heute zu sehen. An den Wänden hängen Bilder der alten Brauerei, "unsere Speisekarte ist ein dickes Werk, weil man damit nicht nur bestellen kann, sondern auch die Geschichte nachlesen". Und auch die zwölf verschiedenen Bierdeckel erzählen etwas davon. Dabei wird an der Hallerstraße nicht nur Zeltner gezapft: Das ist für Landherr eine Bedingung, bevor er die Kneipe eröffnet. "Ein echtes Nürnberger Bier muss sich mit anderen fränkischen Bieren messen können." Die Vielfalt sei wichtig.

Simon Röschke und sein Bruder Andreas setzen dagegen auf Frische. Sie haben den "Mautkeller" in Nürnberg vergangenes Jahr wiederbelebt. Und damit ein Stück Nürnberger Geschichte, die im Gewölbekeller unter der Mauthalle nachzulesen ist. Am Boden der Gaststätte führt ein Zeitstrahl entlang, der von der Kornkammer der Stadt erzählt, vor der in alten Zeiten auch der Hopfenmarkt stattgefunden hat. "Die Mauthalle war damals eine Zollstelle. Die Fuhrwerke sind hier reingefahren, wurden besteuert und sind dann weiter in die Stadt", erklärt Simon Röschke.

Die Geschichte findet er so spannend, dass die Brüder, die mit ihrer Agentur schon den Opernball in Nürnberg gerettet haben, nun auch zu Gastronomen werden und den ehemaligen "Barfüßer" übernommen haben. Seit bald 1928 wird der Keller der Mauthalle als Gaststätte genutzt, auch nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. Eine solche Tradition ist für Röschke "ein Ansporn, das Erlebnis für Gäste hier besonders perfekt zu machen".

Im Mautkeller wird frisch gebraut

Das startet mit dem Bier. Immerhin werden Gäste hier im "Tucher Mautkeller" begrüßt, in dem Bier nicht nur frisch gezapft, sondern direkt gebraut wird. In der eigenen Hausbrauerei stellen Tucher-Mitarbeiter ungespundenes Helles und Rotbier her. Die Räume seien zwar mit elektrischen Stelen, an denen auch Biergeschichte nachzulesen ist, modern interpretiert. "Aber man vergisst nie, wo man da sitzt." Das kommt an, aktuell auch ohne Touristen. "Wir sind jetzt schon an mehreren Abenden am Wochenende voll ausgebucht gewesen."

Obwohl der Mautkeller Tucher im Namen trägt, ist er kein Teil der Brauerei. "Wir sind der Gastronomie zwar schon immer eng verbunden, eigene Wirtshäuser haben wir jedoch nie betrieben", sagt Kai Eschenbacher. Stattdessen konzentriere man sich lieber "auf unsere Kernkompetenz – das Brauen, Abfüllen und Vertreiben", sagt der Tucher-Sprecher. Wenngleich die Brauerei mit manchen Gaststätten eng in Verbindung gebracht wird.

Gaststätte mit viel Tradition: das "Zum Gulden Stern".

Gaststätte mit viel Tradition: das "Zum Gulden Stern". © e-arc-tmp_20160817-140428-003.jpg, NN

Zum Beispiel trägt das "Tucherbräu" das Bier nicht nur im Namen: Das seit 2012 geschlossene Lokal, das zurzeit saniert wird, übergibt die Stadt danach an die Brauerei, die dann einen Betreiber einsetzt. Gebaut hat das 1949 eröffnete "Tucherbräustüberl" am Kartäusertor gegenüber des Opernhauses die Brauerei. "Hintergrund war eine Vereinbarung mit der Stadt, die uns verpflichtete, auf städtischen Grundbesitz eine Großgaststätte in den dort befindlichen fliegerbeschädigten Bauwerken zu errichten", sagt Eschenbacher. Die sei nach ihrer Fertigstellung entschädigungslos in das Eigentum der Stadt übergegangen.

Raus aus der Stadt für billiges Bier

Die Liste der Gaststätten, die Tucher schon seit mehr als Hundert Jahren mit Bier versorgt, ist lang. Sie reicht vom traditionsreichen Gasthof "Bammes" in Buch über die "Schillerklause" in Maxfeld bis zum "Grünen Baum" in Kornburg. Darunter sind auch einige sogenannte Arbeitergaststätten, wie es sie vor allem in Wöhrd und Gostenhof an jeder Ecke gegeben hat. "Dort hat man nicht nur Bier getrunken, sondern es sich auch in einem großen Krug mit nach Hause genommen." Einige Nachfolger dieser Wirtschaften gibt es bis heute, wie in Gostenhof den "Palmengarten" und die "Schankwirtschaft", heute Heimat von Schanzenbräu. "Dort wurden Vereinssitzungen abgehalten, Pläne geschmiedet oder einfach nur Bier getrunken - immerhin ein Grundnahrungsmittel damals."

Eines, für das die Nürnberger am Wochenende auch gerne einen längeren Weg über die Stadtgrenze in Kauf genommen haben. Der einfache Grund: "Das Bier war dort billiger", sagt Daniel Gürtler. Schuld sind die von der Stadt erhobenen Steuern aufs Bier, das sogenannte Umgeld. "Eine wichtige Einnahmequelle für Nürnberg, deshalb sind die Steuern eher hoch gewesen." Das Ergebnis sind fast schon Völkerwanderungen nach Höfen ("Höfener Garten") oder in den "Lutzgarten" nach Großreuth hinter der Veste. Ein Sonntagsspaziergang mit vor allem einem Ziel: Bier. Kennt auch heute noch fast jeder.

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