Selbsthilfegruppe: Austausch muss möglich sein

30.10.2020, 12:22 Uhr
Selbsthilfegruppe: Austausch muss möglich sein

© Foto: Stefanie Graff

Selbsthilfe biete, als Ergänzung und Erweiterung therapeutischer Maßnahmen, vielen Menschen eine stabile Grundlage für die Bewältigung und Strukturierung ihres Alltags.

Die Selbsthilfegruppen seien wichtiger Teil der demokratischen Zivilgesellschaft und können dazu beitragen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Krise zu stärken, heißt es in der Pressemitteilung.

Lange keine Treffen möglich

Diesem Appell kann sich Daniela Schmidt, die Leiterin des KISS Büros für den Landkreis Roth und die Stadt Schwabach nur anschließen: "Wir kämpfen seit Monaten dafür, als systemrelevant eingestuft zu werden".

Die Selbsthilfegruppen passen in keine Schublade, sind weder Kultureinrichtungen noch Teil der Offenen Hilfen. "Niemand konnte uns im Frühjahr sagen, welche Vorgaben für uns gelten."

Die Folge war, dass sich Gruppen monatelang überhaupt nicht treffen konnten. Mit teils dramatischem Ausgang: "Vor allem für psychisch Kranke und Menschen mit Suchtkrankheiten ist das Hilfe-System komplett zusammengebrochen."

Gruppenleiter berichten von zahlreichen schwer Betroffenen, zu denen der Kontakt abgerissen ist. Psychisch Kranke hätten sich komplett zurückgezogen. Aus den Suchtkrankengruppen sei zu hören, dass die Zahl der Rückfälle in den letzten Monaten massiv zugenommen habe.

Suche nach Räumen

Mit digitalen Angeboten konnten viele dieser Gruppen einen Teil ihrer Teilnehmer nicht erreichen. Mit viel Einsatz sei es gelungen, Einzelpersonen per Telefon bei der Stange zu halten. "Für die meisten war die Situation einfach katastrophal."

Besonders schwer getroffen habe es zum Beispiel die Anonymen Alkoholiker. Die seien im Landkreis Roth dann aber die Ersten gewesen, denen das Landratsamt per Sondergenehmigung und mit Auflagen Treffen wieder gestattet hat.

Seit Ende Juni seien Treffen für die verschiedensten Gruppen in den Seminarräumen der Kontaktstelle in Roth wieder möglich, berichtet Daniela Schmidt.

Nicht alle kommen dort jedoch unter oder haben ihren regelmäßigen Treff sowieso in anderen Gemeinden. "Viele suchen noch immer händeringend nach ausreichend großen Räumen, um mit verkleinerten Gruppen und strengen Hygieneauflagen überhaupt weitermachen zu können."

Daniela Schmidt und ihre Kollegin Ute Zahn beraten und begleiten Selbsthilfegruppen im ganzen Landkreis und in Schwabach. Im Büro in der Sandgasse steht derzeit das Telefon kaum mehr still: "Der Beratungsbedarf der Gruppen ist enorm".

"Gut geklappt"

Jetzt, bei steigenden Corona-Fallzahlen und bevorstehenden neuen Kontaktbeschränkungen ab Montag, 2. November, setzen die Selbsthilfe-Kontaktstellen alles daran, dass die Gruppen, die sich gerade mühsam wieder aufgerappelt haben, nicht wieder durch das Raster fallen. "Wir müssen unbedingt verhindern, dass so etwas noch einmal passiert."

Erst am vergangenen Freitag ist die Sozialpädagogin wieder beim Infektionsschutz-Team des Landrats-amtes vorstellig geworden. Mit Erfolg. "Schnell, freundlich und klar" habe sie dort Antworten auf ihre Fragen bekommen.

So wurde zum Beispiel vereinbart, dass Gruppen zunächst weitermachen können, wenn während der Treffen ununterbrochen ein Mundschutz getragen werde. Das gelte sowohl für Zeiten, in denen die bayerische Corona-Ampel auf Gelb, als auch, wenn sie auf Rot stehe. "Wir sind froh, dass die Kooperation mit den Behörden hier so gut klappt." Von vielen Kolleginnen höre sie, dass das nicht selbstverständlich sei.

Welche Folgen die neuen Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene für die Selbsthilfegruppen vor Ort haben werden, ist allerdings völlig offen. "Wir hoffen sehr, dass wir als vierte Säule des Gesundheitswesens und die Menschen, die sich bei uns in schwierigen Lebenslagen gegenseitig unterstützen, nicht wieder vergessen werden."