Schwabacher erzählt: So geht Vietnam mit der Pandemie um

31.10.2020, 06:56 Uhr
Schwabacher erzählt: So geht Vietnam mit der Pandemie um

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Es hat um die 26 Grad in Nha Trang, der östlich gelegenen Küstenstadt in Vietnam, als Michael Fuhrmann am Balkon in einem luftigem Hemd sitzt und via Telefonanruf erzählt, was ihn an diesen Ort verschlagen hat.

Er schwenkt mit der Kamera kurz über die Nachbarschaft. Schneeweiße Hausfassaden und viel Grün ist zu sehen. Doch nicht nur die Temperaturen und das Wetter unterscheiden sich zur Situation in Schwabach. Auch der Umgang mit dem Corona-Virus ist ein anderer.

Tagblatt ist Verbindung

Doch von Anfang an. Michael Fuhrmann ist 65 Jahre alt und Hotel-Regional-Manager für den Raum Asien. Er ist als Kleinkind nach Schwabach gekommen und in Unterreichenbach aufgewachsen. In Gauchsdorf begann er mit dem Segelfliegen. Eine Leidenschaft, die er sich trotz weltweiter Reisen bewahrt hat.

Das Schwabacher Tagblatt ist für ihn eine Verbindung in die Heimat und das, obwohl er mittlerweile bei Hannover lebt. Anfang des Jahres flog er geschäftlich nach Vietnam. Kurze Zeit später kam der Lockdown. Ein richtiger Lockdown, keine Ausgangsbeschränkungen, so sagt er. "Man durfte vier Wochen nicht mehr das Haus verlassen, nur noch um zum Arzt, zur Apotheke oder zum Lebensmitteleinkauf zu gehen."

Schwabacher erzählt: So geht Vietnam mit der Pandemie um

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Heute, im Oktober 2020, ist er immer noch in dem Land in Südostasien. Das Ausreisen sei zwar schwierig, prinzipiell jedoch möglich. Allerdings werden viele Flüge im letzten Moment abgesagt, sagt er.


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Anders sieht es aber wiederum beim Thema Einreise aus. Derzeit hat Vietnam eine Einreisesperre für ausländische Reisende verhängt. Diese gilt sogar für deutsche Staatsangehörige vietnamesischer Herkunft, heißt es auf der Homepage des Auswärtigen Amtes. Das macht die Sache für Michael Fuhrmann nicht leichter. Anfangs ist er im Hotel geblieben, doch das musste, wie viele andere, schließen. Nun arbeitet er im Homeoffice in einem gemieteten Haus.

Homeoffice weiter aktuell

Das Thema "von Zuhause aus arbeiten" wird in Vietnam nach wie vor sehr ernst genommen. Bei über 95,5 Millionen Einwohnern hat das Land 1177 Corona-Fälle, 1062 gelten als genesen und 35 Menschen sind in Verbindung mit dem Virus gestorben. (Stand 30.10.2020, 8 Uhr)

Auf die Frage, wie Michael Fuhrmann die Corona-Maßnahmen im Land aus seiner Sicht sieht, sagt er: "Ich sehe es nicht. Ich erlebe es. Hier trägt jeder eine Maske. Fast jeder stimmt den Maßnahmen der Regierung zu. Die Solidarität unter den Menschen ist enorm." Diese Solidarität, der Blick auf die Mitmenschen, das ist in der vietnamesischen Kultur verankert, sagt der Geschäftsmann. Man passe auf einander auf. Auch hätten die geringen Fallzahlen in Vietnam die Einwohner bestärkt, an den Maßnahmen festzuhalten.

"Krieg gegen Corona"

Viele Länder blickten neidisch auf die geringen Fallzahlen in Vietnam, doch diese müssen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Durch Vietnams Nähe zu China und der großen Population im Land hätte die Pandemie verheerend wirken können.

Die Bekämpfung des Virus wurde von der Regierung deshalb von Beginn an militärähnlich begangen. Es war fast wie ein "Krieg gegen Corona". Patriotische Plakate, Songs, Werbeslogans und öffentliche Durchsagen mit inbegriffen. Dazu kommt, dass derart strikten Regeln in demokratischen Ländern nicht so einfach durchzusetzen wären.

Ein weiterer Faktor ist der, dass viele asiatische Länder, wie eben Thailand oder Vietnam, nicht nur ein anderes Verhältnis zum Mund-Nasen-Schutz haben, der dort schon lange etwas Alltägliches ist, sondern dass viele Länder im asiatischen Raum schon "vor Corona" besser auf Pandemien vorbereitet waren.

"Unsinnige Diskussionen"

Über den Corona-Stand in Deutschland informiert sich Michael Fuhrmann täglich bei deutschen Medien. Die Themen "Corona-Leugner" und Verweigerung der Schutzmaßnahmen mancher Menschen hat er mitbekommen.

"Ich sehe was in Deutschland los ist, diese unsinnigen Diskussionen. Es ist mir unverständlich", erzählt er kopfschüttelnd. Auch deshalb fühlt sich Michael Fuhrmann vor Ort sicher. Die Hotel-Geschäfte werden ihn erstmal weiter in dem südostasiatischen Land halten.

Tourismus leidet

"Der Tourismus macht sonst etwa 25 Prozent der Wirtschaft aus und ist jetzt eingebrochen." Das bedeutet für ihn aber nicht automatisch weniger Arbeit. Schließlich hofft die Hotel-Branche auf ein starkes Comeback, sobald die Corona-Pandemie unter Kontrolle ist.

Anders als andere Länder, konnten in Vietnam wegen der strengen Maßnahmen Geschäfte schneller wieder öffnen. Auch deshalb wächst die Wirtschaft derzeit – trotz Pandemie. Michael Fuhrmann erschließt nun weitere, mögliche Hotels für das Unternehmen. Sein nächster Stopp heißt Ho-Chi-Minh -Stadt (früher bekannt als Saigon).

Vergangenes Jahr im Herbst war er das letzte Mal in Schwabach, in seiner "Heimatstadt" wie er sagt. Seine Familie in Deutschland fehle ihm sehr. Aber nicht nur die: Obwohl das vietnamesische Essen so lecker sei, vermisse er "ein knuspriges Schäuferla bei meinem alten Freund Dieter Trutschel im Stern."