Trotz Versicherung: Erlanger Gasthaus kämpft mit Krise

25.4.2020, 05:48 Uhr
Robert Krapp (rechts) und Sohn Marco sind von ihrer Versicherung enttäuscht.

© Günter Distler Robert Krapp (rechts) und Sohn Marco sind von ihrer Versicherung enttäuscht.

Leere Restaurants, freie Hotelbetten: Betreiber von Kneipen, Gaststätten und Biergärten müssen warten, bis sie öffnen dürfen, wie lange noch, wissen sie nicht. Da klang es nach einer guten Nachricht, dass es Betriebsschließungsversicherungen gibt – wirkt doch die Corona-Krise wie für diese Situation gemacht. Doch mancher Wirt sieht sich nun getäuscht.


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Robert Krapp, bekannt als "Schnitzelkrapp", betreibt in Erlangen die "Drei Linden", eine Speisegaststätte mit Biergarten. "1994 habe ich das Geschäft übernommen, im Jahr 2002 haben wir die Versicherung abgeschlossen, sogar mit Pandemie-Schutz", sagt der Wirt. Am 30. März 2020 fragte er bei der Versicherung nach. Ja, er solle seinen Betrieb zusperren, hieß es – und darauf verzichten, Speisen außer Haus zu verkaufen. Denn damit riskiere er den Versicherungsschutz. "Ich erhielt die Deckungszusage, die nannten sogar einen konkreten Betrag", sagt er.

Damals war er froh, über den Schutzschirm der Versicherung. Doch Mitte April bekam der Wirt zu hören, dass seine Versicherung gar nicht greift. Denn im Vertrag – dieser orientiert sich an der Fassung des Infektionsschutzgesetzes vom Juli 2000 – werden zwar zig Krankheiten gelistet, Hirnhautentzündung etwa oder Gelbfieber. Nicht aber, weil zu neu, die Infektionserkrankung Covid-19.

Auf Zusage verlassen

Versicherer, so formulierte es sinngemäß einmal Mark Twain, sind Geschäftsleute, die Regenschirme verkaufen. Die Schirme lassen sich aber dann, wenn es regnet, von den Kunden nicht aufspannen. Doch Hans M. will nicht im Regen stehen bleiben. Er hatte sich auf die Zusage der Versicherung verlassen, deshalb stand sein Geschäft still.

Heute will sich bei der Versicherung keiner mehr so exakt an das Gespräch mit Robert Krapp erinnern. Nun verkauft auch er Speisen außer Haus, "so zahlen wir zumindest nicht drauf". Die rechtliche Situation um den Versicherungsvertrag lässt er mit Hilfe von Rechtsanwalt Marcus Fischer klären. Und er fordert für den Umsatzausfall für die ersten Aprilwochen Schadenersatz in fünfstelliger Höhe. Erst vor wenigen Wochen führte das kategorische Nein der Versicherer, überhaupt in der Pflicht zu stehen, zu einem Vorstoß des bayerischen Wirtschaftsministeriums. Mit dem Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Bayern und Vertretern von Versicherungen einigte man sich auf eine Empfehlung, die als "Bayerische Lösung" bekannt wurde.


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Die Versicherungskammer Bayern, die Allianz, die Haftpflichtkasse Darmstadt, die Nürnberger Versicherung, die HDI und die Signal Iduna, erklärten, freiwillig zehn bis 15 Prozent der jeweils vereinbarten Tagesentschädigung aufzubringen, "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht". Diese kleine Formulierung hat es in sich: Denn tatsächlich ist die Sicht der Versicherer nur eine Rechtsmeinung – gestritten wird auf dem Rechtsweg und die letzte Arie singt bekanntlich immer ein Gericht. Aus juristischer Sicht ist das Angebot eine Option. Jeder Wirt kann es annehmen, oder sich, wie Schnitzelwirt Krapp, schlecht abgespeist fühlen. Wie am Ende die Gerichte entscheiden, ist offen. "Entscheidend wird sein, ob die in den Versicherungsverträgen aufgelisteten Krankheiten und Krankheitserreger als vollständige Liste oder nur als beispielhafte Aufzählung gelten", so Anwalt Marcus Fischer. Er verweist auf die Vielzahl der unterschiedlichen Verträge, die Bewertung ist immer eine Entscheidung im Einzelfall.

Unklare Rechtslage

Die Gastronomen in der Region sind unter enormem Druck. In der unklaren Rechtslage kursieren viele offene Fragen, so Angela Inselkammer, Präsidentin der Bayerischen Dehoga. Fest steht: Kurzarbeitergeld und andere staatliche Leistungen werden bei der Annahme der "Bayerischen Lösung" nicht angerechnet. Und ob das Pauschalangebot der Versicherer überzeugt, müsse in jedem Betrieb entschieden werden. Der Rechtsweg steht jedem frei.

Der Bundesverband der Dehoga sieht die "Bayerische Lösung" übrigens kritisch: Der Bundesverband sei im Vorfeld über die bayerische Initiative nicht einmal informiert gewesen. Hoteliers und Gastronomen mit Betriebsschließungsversicherungen seien weiterhin aufgerufen, die Schließung ihrer Betriebe anzuzeigen. Beim Bundesverband Dehoga seien auch Fälle bekannt, in denen Versicherungen bereits fest zugesagt haben, zu regulieren. Dazu kommt: Noch zu Beginn des Jahres wurden derartige Versicherungen mit Verweis auf Corona überhaupt erst verkauft.


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