Wechselunterricht in Bayern: Lehrer und Schüler äußern massive Kritik

1.2.2021, 17:39 Uhr
Wechselunterricht in Bayern: Lehrer und Schüler äußern massive Kritik

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Sehr schnell waren erste kritische Stimmen laut geworden, als am vergangenen Donnerstag die breite Öffentlichkeit über die Rückkehr zum zeitweisen Präsenzunterricht für einen Teil der Schüler im Freistaat informiert wurde. Inzwischen aber hat die kurzfristige Entscheidung des bayerischen Kultusministeriums einen Sturm der Empörung ausgelöst.

"In einer Zeit, in der Mutationen des Virus vielen Politikern Sorgen bereiten und sie deshalb ausdrücklich vor vorschnellen Lockerungen im derzeitigen Lockdown warnen, hat die Entscheidung dann doch für einiges Kopfschütteln gesorgt", schreibt zum Beispiel Walter Baier, Vorsitzender der Vereinigung der Direktorinnen & Direktoren der Bayerischen Gymnnasien (BayDV) in einem Rundbrief und kommt zu dem Urteil: "Dies war eine mehr als unglückliche Entscheidung zur falschen Zeit."


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"Verunsichert und verärgert"

Ähnlich formuliert es der Bayerische Philologenverband (bpv) in einer aktuellen Pressemitteilung: Home-Office werde dringend empfohlen, es herrsche ein strenger Lockdown mit Ausgangssperre, "aber die Abiturklassen und ihre Lehrkräfte sollen in den Wechselunterricht". Viele Beteiligte würden das nicht mehr zusammenbringen, seien zu Recht verunsichert und verärgert, was natürlich auch den Unterricht beeinträchtige. Und aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW) ist die teilweise Öffnung der Schulen zu diesem Zeitpunkt "ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht und den Arbeitsschutz."

Für etwa 40.000 der rund 1,7 Millionen Schülerinnen und Schüler in Bayern startete gestern die teilweise Rückkehr in einen nicht ganz normalen Schulalltag: Nach etwa eineinhalb Monaten reinem Distanzunterricht vor den heimischen Computerbildschirmen kehrte der Großteil der Abschlussjahrgänge der Gymnasien, der Fachoberschulen und Berufsoberschulen sowie der Berufsschulen, bei denen Ende März die Abschlussprüfungen anstehen, zum Wechselunterricht zurück.

Das bedeutet, dass ein Teil der jeweiligen Klasse in der Schule unterrichtet wird, während der andere Teil zuhause lernt. In regelmäßigen Abständen wechseln sich die verschiedenen Lerngruppen dann ab. Allerdings gilt dieser Wechsel zwischen Präsenzunterricht und Homeschooling nicht in allen bayerischen Gebietskörperschaften, in einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer besonders hohen 7-Tage-Inzidenz oder Verdachtsfällen von Corona-Mutationen bleibt es erst einmal beim reinen Distanzunterricht.

Art der Kommunikation kritisiert

Trotz dieser Ausnahmen in Corona-Hotspots kritisieren nicht nur Lehrerverbände, sondern auch Schüler- und Elternvertretungen die Rückkehr zum teilweisen Wechselunterricht und in diesem Zusammenhang auch die Art und Weise, wie die Schulfamilie darüber informiert worden war. So spricht Tobias Fritz, Landesschülersprecher der Fach- und Beruflichen Oberschulen, von einer "Hauruck-Aktion" des Kultusministeriums, und mittlerweile haben mehrere Schülervertretungen betroffener Schulen in offenen Briefen an Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ihrem Ärger Luft gemacht. In einigen bayerischen Schulen liefen auch Protestaktionen an.

Auch BayDV-Vorsitzender Baier findet es "schon sehr befremdlich, dass man über Twitter erfährt, dass die Q12 nun doch in den Wechselbetrieb geht". Er verstehe, wenn viele Schuldirektorinnen und -direktoren "vehement auf ein deutlich besseres und wertschätzendes Kommunikationsmanagement drängen".

Dazu kommt, dass nach Meinung vieler Beteiligter gerade für die Abschlussklassen die Rückkehr zum teilweisen Präsenzunterricht nicht unbedingt nötig ist. Der Distanzunterricht mit einer funktionierenden Mebis-Plattform und stabilen Videokonferenztools hat sich laut der BayDV seit Ende der Weihnachtsferien dermaßen positiv entwickelt, dass laut Walter Baier der Wechselunterricht gerade für die Oberstufe nicht mehr die bessere Variante darstellt.

"Die organisatorisch schwierigste Variante"

"Vielmehr besteht die Gefahr, dass die Vorbereitung auf das diesjährige Abitur in den kommenden Wochen durch die sich aus dem Wechselunterricht ergebenden Einschränkungen im Distanzunterricht eher gebremst wird", warnt der Schulleiter. Kein Verständnis für die jüngste Entscheidung des Kultusministeriums hat auch Susanne Arndt, Vorsitzende der Landeselternvereinigung der Gymnasien. Wechselunterricht sei für alle Beteiligten nicht nur die organisatorisch schwierigste Variante, "er ist auch weniger effektiv als gut strukturierter Distanzunterricht".

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