Taktik-Analyse

Bestätigung für Hans Meyer: Das macht Club-Gegner HSV so stark

4.3.2022, 08:28 Uhr
Im Pokalduell mit Tom Krauß und dem Club verletzte sich Nürnbergs Ex-Fanliebling Tim Leibold schwer. Das macht den Hamburger SV im Liga-Rückspiel nicht minder gefährlich.

© Sportfoto Zink / Daniel Marr Im Pokalduell mit Tom Krauß und dem Club verletzte sich Nürnbergs Ex-Fanliebling Tim Leibold schwer. Das macht den Hamburger SV im Liga-Rückspiel nicht minder gefährlich.

Wie war das Hinspiel?

Gleich zweimal spielte der Club während der Hinrunde gegen den HSV. Beide Male endete das Spiel nach 90 Minuten Remis. In der Liga auswärts 2:2, im Pokal zu Hause 1:1. Viel vom Ball sah der Club in den beiden Spielen nicht: In den insgesamt knapp 200 regulären Minuten samt Nachspielzeit hatte der FCN den Ball nur etwa 44 Minuten, der HSV knapp 77. Die restlichen 78 Minuten ruhte er. Dabei begegnete der Club dem, was in Fachkreisen mit dem Begriff "Walterball" beschrieben wird.

Benannt nach Hamburgs Trainer Tim Walter zeichnet sich die Spielweise vor allem dadurch aus, dass einerseits der Gegner ständig unter Druck gesetzt wird, er aber darüber hinaus durch stete Positionswechsel auch verwirrt wird. Anfällig macht das den HSV in der Theorie für schnelles Umschalten, wenn er selbst nicht in der Ordnung ist. In der Praxis gelingt es aber den wenigsten Zweitligisten, diesen Druck aufzubauen. Der Club schaffte es in den zwei Spielen genau einmal, den HSV komplett aus der Ordnung zu erwischen. Heraus kam ein ungefährlicher Fernschuss von Tempelmann.

Was ist seitdem anders?

Der "Walterball" ist abgeschwächt im Vergleich zu dem, was Tim Walter noch in Kiel und Stuttgart gespielt hat. Man versucht es schon weiter, doch nicht mehr in so extremer Form. Die Verteidiger rochieren weitaus seltener in die vorderste Linie, sondern meist nur ins Mittelfeld. Vor allem im Aufbau hat sich zudem seit der Kreuzbandverletzung von Tim Leibold im Pokalspiel in Nürnberg einiges verändert.

Während der Ex-Nürnberger öfter nach innen in Richtung Strafraum zog, bleibt sein Vertreter Miro Muheim meist auf den Flügeln und flankt häufiger. Angesichts dessen, dass im Zentrum mit Robert Glatzel einer der besten offensiven Kopfballspieler der Liga steht, ist das eine erfolgversprechende Herangehensweise. Erst recht, wenn man, wie der HSV, zu den Teams gehört, die am häufigsten in den gegnerischen Fünfmeterraum flanken. Die Spielweise ist allerdings auch ausrechenbarer als das variable Spiel, das den HSV mit Leibold auf links auszeichnete. Im Gegenzug ist der Schweizer Muheim defensiv aber deutlich stabiler.

Da Walter auch auf rechts getauscht hat und den offensivstärkeren Gyamerah durch den defensiveren Heyer als Rechtsverteidiger ersetzt hat, ergibt sich ein offensiv etwas weniger flexibles, dafür aber defensiv besser abgesichertes System. Derzeit gewinnt der HSV damit in der ganzen Liga den höchsten Anteil seiner Defensivzweikämpfe. Das ist einer der Faktoren dafür, dass Hamburg in Sachen Gegentore Ligaspitze ist. Zu den anderen Faktoren gehört, dass die Hamburger mehr Ballbesitz haben als alle anderen Zweitligisten und damit dem alten Hans Meyer Bonmot, dass der Gegner kein Tor schießen kann, wenn er den Ball nicht hat, aktuelle Gültigkeit verleihen.

Wer sind die Top 2 unter 23?

Beim HSV ist die Auswahl an jungen Spielern noch ein wenig höher als bei anderen Vereinen. Nicht nur, dass die Rothosen 2021/22 noch keinem Akteur über 29 Jahren eine Einsatzminute gegeben haben, mit Muheim (23), Reis (21), David (21), Vušković (20) und Alidou (20) kommen auch gleich fünf U23 Spieler auf mehr als 950 Einsatzminuten. Vušković, der im Hinspiel gegen den Club sein Startelfdebüt feierte, ist seit zehn Spielen Hamburgs Stamminnenverteidiger neben Sebastian Schonlau. Der 20-jährige Kroate, in dritter Generation Profifußballer, ist in der gesamten Zweiten Bundesliga der Spieler mit der höchsten Quote an gewonnenen Zweikämpfen gegen den Ball. Über 80 Prozent der Defensivzweikämpfe gewinnt Vušković. Bei den Kopfballduellen ist er mit etwas weniger als 70 Prozent ebenfalls unter den Top 5 in der Liga.

Im Aufbau überlässt Vušković den Ball noch öfter Sebastian Schonlau oder gibt ihn weiter an Ludovit Reis. Der Niederländer mit slowakischen Eltern kam im Sommer vom FC Barcelona, hatte aber die letzte Saison schon in der Zweiten Bundesliga, beim VfL Osnabrück, verbracht. Beim HSV spielt Reis, dem einige Beobachter im Alter von 17 Jahren noch eine Weltkarriere zutrauten, meist neben Jonas Meffert im zentralen Mittelfeld, fängt dabei viele Bälle ab, hat aber auch immer wieder kreative Ideen. Er ist der Prototyp dessen, was im Taktikjargon "Box-to-Box"-Mittelfeldspieler heißt. Einer, der zwischen den Strafräumen nach vorne wie nach hinten arbeitet.

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