Snooker
Drei Vereine heimatlos: Der Ballroom steht vor dem Aus
7.5.2021, 13:52 UhrVielleicht wird im Rückblick auf zwei Corona-Jahre gar nicht groß auffallen, dass neben vielen Gaststätten, Hotels, und Einzelhändlern auch drei Teilzeitkräfte und drei Sportvereine auf der Strecke geblieben sind.
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Für die Betroffenen ist es dennoch ein schwerer Schlag. Und deshalb schlägt Thomas Cesal vom Snooker-Sportclub (SSC) Fürth Alarm. Denn Stand jetzt müssen der Dartverein Noris Bulls, die Tischkicker-Spieler vom TFC Nürnberg, immerhin Bundesligist, und die Mitglieder des SSC davon ausgehen, dass der Ballroom in der Fürther Straße 301-303 in Nürnberg am 31. Juli schließt.
Nach zehn Jahren läuft der Mietvertrag aus und der Vermieter, die Catella Real Estate AG, ein Immobilienunternehmen aus München, ist schon auf der Suche nach Nachmietern. Als Ansprechpartner für die Anfrage dieser Zeitung fungiert Christoph Flügel, Immobilienökonom bei Catella, zuständig für Nürnberg.
Er erklärt das Konstrukt: Das Objekt, in dem der Ballroom zwischen McFit und Aldi liegt, gehöre zu einem Immobilienfonds. Deren Anteilseignern gegenüber sei Catella als Treuhänder verpflichtet, "valide Vermieter zu finden".
Verhandlung mit der Alpha-Gruppe
Dass die Betreiber des Ballrooms das eher nicht sind, habe sich aus mehreren Gesprächen in den vergangenen zwei Jahren ergeben, in denen die Mieter um die Auflösung des Vertrags gebeten hätten. Erfolglos. Thomas Cesal widerspricht dieser Darstellung: "Wir wollten nicht eher raus, wir wollten eine Mietminderung haben." Rund 10000 Euro kalt beträgt die Monatsmiete, mit dem ersten Lockdown blieben die Einnahmen aus, um das zu finanzieren.
Als die Soforthilfe über nur 9000 Euro kam, traten Cesal und seine Mitstreiter mit dem Hausverwalter, der Nürnberger Alpha-Gruppe, in Verhandlung. Immerhin erreichte die Ballroom Management GmbH, die bis dato laut Cesal "auf gesunden Füßen stand", die ausstehende Überweisung in Raten abzahlen zu dürfen, doch wegen des zweiten Lockdowns ist man mit der Miete seit Januar erneut in Rückstand, die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit. Einzige Perspektive: "Wir warten jetzt auf die Corona-Überbrückungshilfe III."
Flügel indes hat sein Urteil gefällt: "Im Großen und Ganzen war es von uns aus kein tragbares Mietverhältnis mehr. Wir konnten es nicht mehr rechtfertigen, diesen Mietvertrag zu verlängern." Ein Makler habe bereits zwei konkrete Interessenten aufgetan. Dass hier drei Sportvereine nun auf der Straße stehen, rührt ihn nicht: "Das Thema Sportverein war nie Thema, hätte aber auch nichts an der Entscheidung geändert. Man kommt da definitiv nicht mehr zusammen, das war letztes Jahr schon klar."
Dass Thomas Cesal rechnen kann, davon kann man schon von Berufs wegen ausgehen. Denn der 51-Jährige ist Versicherungsmathematiker, in seiner Freizeit jongliert er mindestens genauso viel mit Geometrie, Algebra und Stochastik. Denn er hat es als Snookerspieler mit dem von ihm gegründeten SSC Fürth bis in die Bundesliga geschafft, aktuell ist er Bayerischer Ü 50-Meister.
Paul Hunter Classic fällt erneut aus
Er organisiert seit jeher Turniere dieser Spielart des Billards; internationales Renommee genießt sein Paul Hunter Classic, bei dem seit 2007 vor allem die Snooker-Stars aus Großbritannien ihres an Krebs verstorbenen Kollegen Paul Hunter gedenken. Nach 2020 fällt das Turnier aber auch 2021 aus. Spielorte waren bis zur Pandemie die Fürther Stadthalle und der Ballroom.
Dort ist er einer von zwei Geschäftsführern und einer der vier Teilhaber. "Es war unser Hobby, wobei ich das so nicht mehr bezeichnen würde. Wir haben damit drei Mitarbeiter bezahlt, aber nie damit Geld verdient", sagt er nach zehn Jahren.
Es war ein Vereinslokal, das unter der Woche täglich 40 bis 60, am Wochenende deutlich mehr Gäste aufgesucht haben. Hier gaben sich ambitionierte Snooker- und Billardspieler an 18 Tischen den Queue in die Hand, an den Wänden hängen vier Steeldart-Scheiben. Es gab Pokerabende und Karteltreffen für Freunde des Spiels "Magic".
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Der Snooker-Sportclub Fürth hat 38 Mitglieder, organisiert in drei Mannschaften. Die erste trat bis zum Lockdown in der Bayernliga an, bei Saisonabbruch nach fünf Spieltagen war sie Spitzenreiter; auf das Startrecht in der zweiten Bundesliga verzichtete man aus Kostengründen.
Der dritte Snooker-Club überhaupt in Deutschland
Deren Cracks übten drei- bis viermal die Woche im Ballroom, der dem Verein professionelle Strukturen bot. Bei der Gründung 1999 war der SSC erst der dritte Snooker-Club in ganz Deutschland, das Trainingszentrum in der Schwabacher Straße in der Fürther Südstadt wurde schnell zu klein.
Mit dem Umzug nach Muggenhof meldete Cesal ein Gewerbe an und legte die Basis für die tollen Erfolge. Nur ein Jahr nach Unterzeichnung des Mietvertrags gelang der Aufstieg in die erste Liga, 2013 erreichte SSC-Spieler Patrick Einsle einen seiner vielen Deutschen Meistertitel. Einer der besten deutschen Snookerspieler, vier Jahre lang Profi auf Weltranglistentour, zapfte im Ballroom bis zum Lockdown als einer der drei Thekenkräfte das Bier oder kümmerte sich um die abgenutzten Spitzen der Queues.
Auch wenn Cesal frustriert ist, will er die Flinte noch nicht ins Korn werfen: "Es steht noch im Raum, ob das Ganze ja von jemandem übernommen wird." Wer weiß, vielleicht findet sich ja noch ein "valider Mieter" mit Liebe zum Snooker, Billard, Dart und Tischfußball.
"Wir würden den Ballroom gerne weiterbetreiben", sagt Cesal, der das Ende des Mietvertrags nicht klaglos hinnehmen möchte. Doch weil er nicht nur Romantiker, sondern auch Realist ist, hält er nun Ausschau nach neuen Räumen.
Die Videothek in der Schwabacher Straße in der Fürther Südstadt könnte von der Größe her passen. Sportvereine, deren "säulenfreie" Säle Platz für mindestens vier Snookertische auf 200 bis 300 Quadratmetern bieten, dürfen sich gerne melden.
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