Fußball-Landesliga

"Kein Spitzenspiel, ein Skandal": FC Herzogenaurach schlägt Forchheim

17.10.2021, 14:33 Uhr
Es war nicht der einzige Platzverweis in dieser aufregenden Partie: Schiedsrichter Marius Heerwagen zeigt Imrann Moumouni glatt Rot.

© Sportfoto Zink / Oliver Gold, Sportfoto Zink / Oliver Gold Es war nicht der einzige Platzverweis in dieser aufregenden Partie: Schiedsrichter Marius Heerwagen zeigt Imrann Moumouni glatt Rot.

Am Ende versinkt das Spitzenspiel endgültig im Chaos. Auf dem Feld kommt es zu Rudelbildungen. Neben dem Feld schmettern die Beteiligten zwischen den Bänken der Teams Wörter durch die Luft, die man hier lieber nicht wiederholt. Die Ordner stellen sich an die Seitenlinien und versuchen qua Amt zu schlichten. Ein aussichtsloses Unterfangen.

Immer wieder wird die Partie nun unterbrochen, immer wieder muss das Schiedsrichter-Team absprechen, welches Vergehen sich denn nun wieder irgendjemand irgendwo auf dem Rasen geleistet hat. Und dann scheint der Referee schließlich genug zu haben von den Forchheimer Aktionen. Das große Zücken der Karten beginnt. Andi Mönius? Gelb-Rot in der 80. Minute. Imrann Moumouni? Rot in der 91. Minute. Patrick Hoffmann? Rot in der 94. Minute. Momente der maximalen Unübersichtlichkeit.

Manchmal hat ein Schlusspfiff eine kathartische Wirkung, etwas Deeskalierendes, das die Emotionen beruhigt, weil das Ergebnis unumkehrbar besiegelt wird. Manchmal hat ein Schlusspfiff aber auch den gegenteiligen Effekt, der die angestauten Emotionen erst recht hervorbrechen lässt, eben weil das Resultat nun unumkehrbar ist. Und so steht Jahn-Coach Christian Springer nach Spielende vor den Schiedsrichtern, schickt seine eigenen Spieler weg, um sich das Trio anschließend selbst lautstark vorzuknöpfen.

Abseits oder nicht? Das sagen die Videobilder

Fragt man den Trainer kurz danach, ob er etwas zum Spielverlauf sagen möchte, winkt er rhetorisch ab. "Was soll ich dazu noch sagen?", fragt er und redet sich schließlich doch noch einmal so richtig in Rage: "Das war kein Spitzenspiel, weil es die Schiedsrichter gar nicht zugelassen haben", sagt Springer und schiebt hinterher. "Ein Skandal!" Dann ist er auch schon auf und davon.

Der Skandal, der Forchheim derart umtreibt, der Ursprung all der Emotionen, die sich später entladen, lässt sich weit zurückverfolgen, bis in die zweite Spielminute. FCH-Offensivakteur Eric Stübing hebelt die gegnerische Abwehr mit einem Pass aus, Tim Spielmann verwandelt allein vor dem Keeper zum Führungstreffer. Doch die Jahn-Bank ist überzeugt: Stübing stand deutlich im Abseits. Ob das nun richtig ist, lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Der Ex-Post-Videobeweis des Amateurfußballs - die Wiederholung auf sporttotal.tv - zeigt vor allem eines: einen sehr unglücklichen Kamerawinkel.

Jahn-Coach Springer muss auf die Tribüne

Im Grunde ist das vielleicht auch gar nicht wichtig. Entscheidend für den weiteren Spielverlauf ist nicht unbedingt, was in dieser Minute wirklich passiert ist, sondern das Gefühl, das sich bei Forchheim nun einschleicht. Gefühle müssen nicht immer rational sein, aber haben sie sich einmal in den Köpfen festgesetzt, entfalten sie eine große Wucht. Der ist gegen uns, das ist die Schlussfolgerung, die das Springer-Team aus dem Gegentreffer zieht. Beinahe jeder Pfiff des Schiedsrichters, jedes Winken der Linienrichter, jede strittige Szene - für Forchheim von nun an alles Beweise, die diese Schlussfolgerung untermauern.

Jubel und Erleichterung nach dem Schlusspfiff bei Ian Heller (links) und seinen Teamkollegen vom FC Herzogenaurach: Die Pumas haben ein turbulentes Spitzenspiel gewonnen.

Jubel und Erleichterung nach dem Schlusspfiff bei Ian Heller (links) und seinen Teamkollegen vom FC Herzogenaurach: Die Pumas haben ein turbulentes Spitzenspiel gewonnen. © Sportfoto Zink / Oliver Gold, Sportfoto Zink / Oliver Gold

Auf jeden Beweis folgt die Schimpftirade der Bank. Früh versucht Schiedsrichter Marius Heerwagen die Wut des Tabellenzweiten wieder einzufangen. Doch weder ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Linienrichter und Christian Springer noch die Gelbe Karte für ihn sorgen für ein Umdenken. Nach einer halben Stunde schickt der Referee den Coach auf die Tribüne. Es dauert nicht lange, bis sich die Intensität abseits des Feldes auf die Partie selbst überträgt. Und wenn es um Intensität geht, gibt es derzeit ein Team, das sofort Hurra ruft.

Als Jakob Karches vor der Partie in der Kabine steht und seine Mannschaft auf das Spitzenspiel vorbereitet, bekommt er von seinen Spielern eine Frage gestellt: "Sollen wir heute auch mal tiefer stehen?" Oder anders gesagt: Gehen wir weniger Risiko, immerhin geht es gegen den Tabellenzweiten? "Nein", antwortet der FCH-Coach. "Ich will euch immer weiter drauf rennen sehen."

Viel wurde in den vergangenen Wochen über das Angriffspressing der Pumas geschrieben, das den Landesliga-Gegnern Fragen vor die Füße wirft, auf die sie bisher noch keine wirklichen Antworten gefunden haben. Auch im Spitzenspiel machen die andauernden Sprints des Tabellenführers jegliche gegnerischen Aufbauspiel-Versuche sofort zunichte. Forchheim lässt sich, vielleicht auch angesteckt von den Emotionen, auf das Tempo der Pumas ein. Und man merkt schnell: Das kann nicht gut gehen.

Herzogenaurach lockt in den Dschungel der Intensität

Sprints ohne Ende, Zweikämpfe en masse, andauernde latente Tor-Gefahr. Unübersichtlichkeit, wo man nur hinblickt. Herzogenaurach lockt den Gegner in den Dschungel der Intensität und wartet darauf, bis er sich darin verläuft. In der 36. Minute netzt Marco Amling nach Stübing-Vorlage per Konter zum 2:0 ein. In der Nachspielzeit bereitet Stübing den dritten Konter an diesem Tag vor, diesmal ist es Kevin Rockwell, der den 3:1-Endstand besiegelt. "Dass wir uns auch gegen einen Gegner, der in die Bayernliga will, nicht von unserem Weg beirren lassen, zeigt die wahnsinnige Entwicklung, die das Team gemacht hat", sagt Karches.

Nur ganz kurz scheint man zu erahnen, wie sich diese Pumas vielleicht knacken lassen. Als Philipp Nagengast in der 64. Minute nach einem Abstauber der Anschlusstreffer gelingt, wirkt es für einen Moment, als könnte etwas kippen, als könnte Forchheim die Ruhe und Ausgeglichenheit finden, die man gegen diesen Gegner benötigt. Dann verstreicht dieser Moment. Das Chaos kehrt zurück. Und das Spitzenspiel ist entschieden.

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