Kleeblatt-Coach Leitl: "Fürth ist ein gutes Vorbild"

28.2.2019, 13:30 Uhr
"Das trifft einen schon, wenn man voller Vorfreude seinen neuen Job beginnt", sagt Stefan Leitl über die "Clubsau"-Beschimpfung durch Fangruppierungen.

© Foto: Sportfoto Zink "Das trifft einen schon, wenn man voller Vorfreude seinen neuen Job beginnt", sagt Stefan Leitl über die "Clubsau"-Beschimpfung durch Fangruppierungen.

Herr Leitl, in den drei Spielen unter Ihrer Regie hat die Mannschaft fünf Punkte geholt, den Negativtrend gestoppt und sich in einem völlig anderen Licht präsentiert. Das ist doch kurios. Ist so eine Entwicklung zu erklären?

Stefan Leitl: Weiß ich nicht. Natürlich steht ein Trainerwechsel immer für einen Neubeginn. Einige Spieler hatten ein gutes Verhältnis zum alten Trainer, andere haben weniger gespielt. So findet sich die Gruppe also neu. Das erzeugt andere, neue Energien. Wenn du das auf dem Platz bestätigst, gibt das Selbstvertrauen. Gerade das ist wichtig bei einem Trainerwechsel.

Wie in Ihrem Fall geht damit auch ein neues Spielsystem einher. Reicht das, um ein Phänomen zu erklären?

Leitl: In der Vergangenheit war es nicht immer so, dass es durch einen Trainerwechsel in eine neue, positive Richtung gegangen ist. Es ist gut, dass wir einen Trend setzen konnten. Das ist ein Anfang für mehr, das gibt uns Stabilität.

Dabei verlief die Begrüßung von Teilen der Fans recht kernig. Hat es Sie getroffen, als Club-Sau beschimpft zu werden?

Leitl: Das trifft einen schon, wenn man voller Vorfreude seinen neuen Job beginnt. Ich stehe zu meiner Vergangenheit, das sollte man generell tun. Aber das Kapitel ist lange vorbei, das ist 17 Jahre her. Und ich weiß schon, was Identifikation bedeutet.

Deuten fünf Punkte in den ersten drei Spielen auf einen entspannten Frühling in Fürth hin?

Leitl: Absolut nicht. Wir haben Hamburg vor der Brust, aktuell noch Tabellenführer. Zum Saisonfinale warten dann Köln, Union Berlin und St. Pauli, das ist ein knackiges Programm. Uns ist es deshalb wichtig, so schnell wie möglich Punkte zu sammeln und dann Planungssicherheit zu haben.

Sie hatten mit Nürnberg, Darmstadt und Ingolstadt lediglich drei Stationen in ihrer Profikarriere. Welchen Stellenwert hat so ein Begriff wie
Verbundenheit für Sie?

Leitl: Einen großen Stellenwert. Ich habe den Großteil meiner Laufbahn in Bayern verbracht, und die drei Jahre in Darmstadt haben mich geprägt, weil es eine sehr schwierige Zeit war und daraus eine unheimliche Verbundenheit zu den Fans entstanden ist. In Ingolstadt gab es mehrfach die Möglichkeit, den Verein zu wechseln. Ich hab’ mich aber wohlgefühlt und konnte mich mit dem, was der Verein vorgehabt hat, identifizieren. Da war es nicht nötig, woanders hinzugehen und vielleicht einen Euro mehr zu verdienen.

Sie sind als junger Bursche zum FC Bayern gekommen und haben ihre komplette fußballerische Ausbildung beim deutschen Branchenführer durchlebt. Wie prägend war das?

Leitl: Das ist schon sehr prägend. Du kommst in die Säbener Straße, ziehst das rote Trikot an und bist jemand, der unheimliche Stärke beweisen muss. Da gab es viele Momente, die als kleiner Junge nicht so schön waren – wenn etwa auf Turnieren alle gegen dich sind. Das stärkt dich und die Überzeugung, dass du vieles erreichen kannst.

Großartige Nachwuchsarbeit beim Ausbildungsverein Fürth

In Fürth finden Sie nicht weniger als das Gegenteil vor. Der FC Bayern bekommt jeden Spieler, den er will. Beim Kleeblatt stehen ablösefreie Spieler im Fokus, und bei Transfers ist mitunter viel Phantasie nötig. Kommen Sie damit zurecht?

Leitl: Das Konzept kenne ich schon seit Jahren, natürlich verfolgt man als Trainer den Verein. In der Nachwuchsarbeit hat Fürth immer großartige Arbeit geleistet. Und ich komme aus der Nachwuchsschule, es macht mir unheimlich Spaß, mit Talenten zu arbeiten. Diesen Weg gehen wir jetzt gemeinsam. Fürth ist ein gutes Vorbild für andere Vereine, wie es auch funktionieren kann.

Hat die Vokabel Ausbildungsverein aus Ihrer Sicht einen Makel?

Leitl: Überhaupt nicht. Es ist nichts Schlimmes, ein Ausbildungsverein zu sein. Es gibt genügend Spieler, die von Fürth aus den Weg in die Bundesliga geschafft haben. Das muss man sehr positiv sehen.

Es impliziert, dass der Spieler den nächsten Schritt geht, der Verein aber bleibt, wo er ist . . .

Leitl: Muss nicht sein, Fürth ist ja mit diesem Weg auch schon mal aufgestiegen in die Bundesliga. Jeder Spieler hat die Möglichkeit, bei jedem Verein durch gute Leistungen weiterzukommen. In Fürth oder bei einem Verein mit anderen Voraussetzungen. Für uns ist das ein legitimer Weg.


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Entwickelt ein Trainer einen Blick für das große Ganze – also Visionen, die über das Saisonende hinausgehen?

Leitl: So weit bin ich hier noch nicht. Mit Visionen beschäftige ich mich gerade nicht. Für uns war es wichtig, Stabilität reinzubekommen, die Mannschaft zu stärken und zu punkten. Wir wissen, wie der Verein tickt, und können uns damit hundertprozentig identifizieren. Deswegen sind wir hier.

In Ingolstadt galten Sie als "der Architekt". Wie sehr hat Sie die Entlassung getroffen?

Leitl: Mit der Ausbildung zum Fußballlehrer habe ich mich positioniert in Ingolstadt. Ich bin nicht den bequemen Weg gegangen, ich wollte Cheftrainer werden. Am Ende war die Situation gar nicht so schlimm, wie ich es mir mal vorgestellt hab’. Es war ein schleichender Prozess: Wir haben das große Ziel Aufstieg nicht erreicht, dann war es klar, wenn es nicht super gut läuft, dass ich entlassen werden könnte.

Sie haben aber doch eine Zeit gebraucht, um etwas Abstand zu gewinnen . . .

Leitl: Es war wichtig, mich zu reflektieren. Andre (Mijatovic, Co-Trainer) und ich haben das ganze Jahr aufgearbeitet, haben uns von Außenstehenden reflektieren lassen, wie sie uns gesehen haben. Und für mich war klar: Ich renn’ nicht vier Wochen später dorthin, wo vielleicht ein anderer Trainer wackelt. Das hat für mich auch moralische Gründe.

Haben Sie die Verbesserungsvorschläge angenommen und die Erkenntnisse bereits eingearbeitet?

Leitl: Das Allerwichtigste ist es, sich mit den eigenen Fehlern auseinanderzusetzen. Wer arbeitet, macht Fehler. Jeder Mensch macht Fehler. Es waren guten Erkenntnisse.

Wer stützt Sie in schwierigen Phasen?

Leitl: Mit Andre ist es ein sehr intensives Zusammenarbeiten, wir tauschen uns ständig aus, auch kontrovers. Und klar: die Familie, ein homogenes Umfeld zu Hause, ist wichtig.

Bei vier Brüdern waren Sie das Nesthäkchen der Familie: Mussten
Sie sich als jüngster Spross immer durchboxen?

Leitl: Ganz im Gegenteil. Der Altersunterschied zu meinen Brüdern ist zu groß, für mich waren meine Brüder als kleiner Junge Vorbilder. Ich musste daheim nie Ellbogen zeigen. Das hab’ ich dann mit neun Jahren beim
FC Bayern gelernt.

Ein kurzer Gedächtnistest: Erinnern Sie sich an den 29. August 1999?

Leitl: Das war ein besonderer Tag, mein erstes Zweitligator beim 2:1 gegen Fortuna Köln.

Und der 19. Mai 2013?

Leitl: Einerseits ein sehr bitterer Tag – wir haben mit Ingolstadt 0:3 gegen den 1. FC Köln verloren. Andererseits war es auch einfacher, weil der Abschied dann nicht ganz so emotional und schwierig war.


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Das ist ein paar Jahre her, warum wirken Sie noch immer so fit?

Leitl: Ich habe die ersten Jahre von meiner Fitness gezehrt, weil ich zum Ende meiner Karriere sehr hart gearbeitet habe. Jetzt geht es mit Laufeinheiten und etwas Fußballtennis. Und ein wenig kicken mit meinen zwei Jungs zu Hause – das ist mein Fitnessprogramm.

Mit 41 sind Sie noch ein ziemlich junger Trainer und können doch einen Unterschied zu ihrer aktiven Zeit erkennen?

Leitl: Es ist nicht zu vergleichen mit unserer Jugend. Die Werte haben sich gewandelt. Die Arbeit mit den Profis ist anders. Ich hab’ mit 18 meinen Trainer nicht gefragt, wie ich mich verbessern kann. Jetzt suchen die jungen Spieler die Kommunikation mit den Trainern. Die äußeren Einflüsse für uns waren nicht so groß, wir waren auf Fußball fokussiert. Jetzt ist die Ablenkung auch durch die sozialen Netzwerke groß. Das sieht man auch bei den eigenen Kids zu Hause.

Ihr Kollege Friedhelm Funkel kritisiert, dass es mehr um Social Media und eine schicke Frisur als um Fußball geht . . .

Leitl: Da bin ich im Zwiespalt. Ich bin keiner, der sagt, dass früher alles besser war. Wir haben nach der Schule den Rucksack in die Ecken geworfen und immer, überall und mit jedem Fußball gespielt. Das vermisse ich. Die Jungs heute haben doch keine Freizeit mehr, werden konditioniert. Ich glaube aber schon, dass die Jungs heute im Profibereich eine bessere Betreuung als früher haben.

Wo steht die SpVgg Greuther Fürth in einem Jahr?

Leitl: Damit beschäftige ich mich jetzt nicht. Wichtig ist es, bald
40 Punkte zu erreichen, Planungssicherheit zu haben. Und dann werden wir uns neu ausrichten, um die Ziele des Vereins zu erreichen.

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