Kleeblatt oder Club: Wer ist die Nummer 1 in Franken?

20.3.2021, 05:45 Uhr
Die Nummer eins in Franken: Derzeit ist das nicht der FCN.

© Sportfoto Zink / DaMa, Sportfoto Zink / DaMa Die Nummer eins in Franken: Derzeit ist das nicht der FCN.

Niemand sagt mehr Clubsau. So haben sie in Fürth tatsächlich Stefan Leitl empfangen, als der im Februar 2019 Trainer der SpVgg Greuther Fürth wurde: Clubsau. Leitl kam als ein Trainer in den Ronhof, der ein paar Monate zuvor in Ingolstadt entlassen worden war. Die Stelle in Fürth galt manchem Beobachter als letzte Gelegenheit Leitls, sich im Profifußball zu etablieren.
Eine gute Gelegenheit schien die Spielvereinigung dafür nicht unbedingt. Das lag auch an Leitls Vergangenheit. Als Spieler hatte er zwei Jahre beim 1. FC Nürnberg verbracht, später für den Club in der Traditionsmannschaft gekickt. In Fürth macht einen das verdächtig, mindestens – oder eben zur Clubsau.


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Es lag aber auch an der Spielvereinigung, dass da viele Zweifel waren, ob es Leitl gelingen würde, ausgerechnet dort seiner zweiten Karriere die richtige Richtung zu geben. Im Februar 2019 hatte die Spielvereinigung einer Serie von fünf sieglosen Spielen gerade mit einem 0:6 in Paderborn eine eindrucksvolle Fortsetzung verpasst. Die Spielvereinigung stand auf Platz zwölf der zweiten Liga und wirkte wie die sehr einzementierte Nummer zwei in Franken.

Was übrigens auch schon wieder eine Leistung war, weil der 1.FC Nürnberg als Nummer eins auch nicht sonderlich gut aussah. Der Club spielte zwar in der ersten Liga, man ahnte aber im Februar schon, dass das im Sommer ein Ende finden würde. Am Wochenende der Fürther Havarie in Paderborn verbesserte sich der Club durch ein 1:1 gegen Werder Bremen zwar von Platz 18 auf 17, aber schon eine Woche und ein 0:2 in Hannover später verloren sie am Valznerweiher die Nerven und schmissen in einer Amtshandlung Sportvorstand Andreas Bornemann und Trainer Michael Köllner raus. Es war das Ende einer Beziehung, die lange glücklich und vor allem wie eine mit Perspektive wirkte.

Seit dem Sommer 2018 hat sich alles verändert

Zwei Jahre sind seitdem vergangen, und wenn sich die Spielvereinigung und der Club am Sonntag zum 268. Derby im Ronhof treffen, dann sind die Rollen zwischen den beiden so deutlich zugunsten des Kleeblatts verteilt wie vielleicht noch nie in der gemeinsamen Geschichte. Die Spielvereinigung ist die fußballerische Nummer eins in Franken – und sie hat das in schwindelerregendem Tempo geschafft.

Noch im Sommer 2018 wäre man für die bloße Idee, dass das im März 2021 so sein könnte, verlacht worden. Der Club war unter Köllner und Bornemann in die erste Liga aufgestiegen. Es war diese Übung mit schönem Spiel gelungen, und Köllner begleitete das alles noch mit warmen Worten für jede und jeden.

In Fürth hingegen hatte man die Nürnberger Aufstiegssaison auf Platz 15 abgeschlossen. Die Perspektive: unsicher. Zum Abschied hatten die Nürnberger Fans beim 3:1-Derbysieg im Ronhof noch ein Statement hinterlassen: die Nummer eins in Franken.

Auch ohne Hack erfolgreich

Daran, dass die Spielvereinigung an diesem Umstand zeitnah etwas würde ändern können, glaubte keiner. Zumal in diesem Sommer in Fürth eine Zäsur anstand. Helmut Hack verabschiedete sich. Der Mann also, der den Zusatz „Greuther“ in den Vereinsnamen gebracht hatte. Der Mann aber vor allem, dem es gelungen war, dass die Spielvereinigung auch außerhalb bayerischer Fußballstädtchen ein Begriff wurde. Hack verabschiedete sich in den Ruhestand. "Es ist Zeit, Dinge zu verändern", sagte er. Er meinte: für ihn, für seine Frau, für den Verein. Seinen Nachfolgern hinterließ er auch noch diesen Satz: "Es war schwer, es ist schwer, es bleibt schwer."

Und seine Nachfolger merkten das schnell. Rachid Azzouzi war das, der sich um die sportlichen Dinge kümmern sollte, und Holger Schwiewagner, der Mann für die Finanzen. Sie starteten unter Beobachtung, ob im Team das gelingen würde, was Hack jahrzehntelang alleine gemacht hatte. Die Zweifel wuchsen, als sie Damir Buric entlassen mussten. Die Verpflichtung Leitls war ihr Glück. Dass Hack helfen müsste, sagt heute niemand mehr.

Mit einem 1:0 gegen Duisburg startete Leitl in seine Fürther Zeit. Es war ein komplizierter Sieg, und es wurde auch danach nicht alles sofort einfach beim Kleeblatt. Als man sich aber im November 2019 zum ersten Derby nach dem Nürnberger Erstliga-Ausflug traf, da stand die Spielvereinigung in der Tabelle schon wieder acht Plätze vor dem 1. FC Nürnberg und hatte gerade den Vertrag mit Leitl verlängert. Wenn sich Fürth einen Trainer backen würde, so hatte das Azzouzi zu diesem Anlass gesagt, Leitl würde dabei herauskommen.

Wie backt man einen Trainer?

Wie man sich einen Trainer backt – an diesem Handwerk wären sie auch beim Club interessiert. Zum November-Derby in Fürth präsentierten sie mal wieder einen neuen. Jens Keller war da schon der vierte Trainer, der sich am Club versuchen durfte, seit Leitl seinen Dienst in Fürth angetreten hat. Er war auch nicht der letzte. Leitl ist immer noch da. Und während der Club jetzt wieder gegen den Absturz in die Drittklassigkeit kämpft, ist Fürth mit seinem schönen Spiel auf dem Weg in die Bundesliga. Eine Zeitenwende? Vielleicht.

In Fürth haben sie eine Spielidee entwickelt. Eine, die in der Tradition des berühmten Fürther Flachpasses steht, mit dem die Spielvereinigung in den Gründerjahren des Fußballs das Land verzaubert hat. In Nürnberg hatten sie seit 2018 auch einige Ideen – eine gute war nicht dabei.

Nach der Entlassung Bornemanns betraute der Aufsichtsrat den Berufsanfänger Robert Palikuca mit den Aufgaben des Sportvorstands. Der durfte mit zwei Trainern den Wiederaufstieg versuchen und scheiterte krachend. Nach der Entlassung Palikucas installierte der Aufsichtsrat den Berufsanfänger Dieter Hecking als Sportvorstand. Bislang hat Hecking noch keinen Trainer entlassen.
Die Spielvereinigung landet jetzt das zweite Jahr in Folge in der Tabelle vor dem Club. Steigt das Kleeblatt auf (oder der Club ab), wäre auch das eine Premiere: Erstmals wäre die Spielvereinigung in einer höheren Liga als der 1.FC Nürnberg. Eine Zeitenwende? Vielleicht auch nicht.

Was verändert die Pandemie?

Noch ist die Spielvereinigung ein sehr personenbezogenes Erfolgsmodell. Schwiewagner, Azzouzi, Leitl – wie lange sehen sie ihre Zukunft noch in Fürth, einem Standort mit begrenztem Gestaltungsraum? Einem Standort auch mit begrenzten Mitteln, was sie gerade wieder erfahren mussten, als die Leistungsträger David Raum und Sebastian Ernst ihren Abschied bekannt gaben.

Auch ist ob der Geschichte des 1. FCN zu erwarten, dass dieser große Verein nicht ewig so weiter irrlichtert. Dieser große Verein? Das wird ja immer dazu gesagt, wenn es darum geht, dass die Spielvereinigung die Nummer eins in Franken ist. Dass es sich dabei vor allem um eine sportliche Momentaufnahme handelt, dass der 1. FC Nürnberg aber aufgrund seiner um ein Vielfaches größeren Fangemeinde und aufgrund seiner sich daraus ergebenden größeren Attraktivität für Sponsoren immer der größere der beiden Vereine bleiben wird.

Jetzt mag das stimmen, aber wie lange noch? Wie verhält es sich mit den Fans in Zeiten der Pandemie, in denen dem Fan-Nachwuchs der direkte Kontakt nicht möglich ist? In denen die Großmutter eben nicht selbstverständlich den Enkel mit ins Stadion nimmt und der Fußball vor allem als Fernsehsport erlebt wird. Ändert das die Betrachtungsweise, entscheidet sich da eine oder einer nicht unterbewusst für die Liebe zu der Mannschaft, die in einem Fernsehderby wie dem am Sonntag den schöneren Fußball spielt? Eine hypothetische Frage. Vor allem jetzt, da die Zuschauer erst ein Jahr fehlen.

Es geht auch um eine Trainer-Zukunft

Etwas konkreter ist da die Frage nach den wirtschaftlichen Folgen zu beantworten. Ja, alle müssen sparen. Fast alle Vereine leiden unter den Corona-Folgen. Aber vielleicht doch die ein wenig mehr, die in der Vergangenheit mit enormen Zuschauer-Einnahmen planen konnten. Mehr als die, die schon vor Corona Fernsehgeld-Vereine waren. Und was bleibt in einer Wirtschaftskrise vom größeren Sponsorenpotenzial übrig?

Beantworten kann man diese Fragen womöglich erst in ein paar Jahren. Sehr konkret geht es am Sonntag, wenn die fränkische Nummer eins die Nummer zwei empfängt, auch um die Zukunft eines Trainers. Dass es nicht die von Stefan Leitl ist, darf der als eine schöne Nebensächlichkeit inmitten einer wunderbaren Entwicklung verbuchen.

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