Extrem-Radfahrer Ulrich Seyfarth erzählt

Wie ein Erlanger auf dem Race across Germany leidet

30.7.2021, 06:01 Uhr
Wie ein Erlanger auf dem Race across Germany leidet

© Ulrich Seyfarth, NN

Ulrich Seyfarth ist fasziniert von den richtig langen Strecken. Seit dem Studium fährt der Familienvater Rennrad. 250, 300, 400 Kilometer – mit der Zeit werden die Touren immer länger, das Training gezielter.


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2019 schafft der Erlanger beim 24-Stunden-Rennen in Kelheim wegen eines Sturzes „nur“ 540 Kilometer. Und stellt sich die Frage: Geht da noch mehr? Da die Deutschland- Radrundfahrt nach dem Studium ein Wunsch blieb, fällt die Wahl recht schnell auf das Race across Germany. Und die Königsdisziplin: unsupported.

Ohne Begleitfahrzeug und Helfer, alleine auf sich gestellt, als Selbstversorger und mit minimaler Ausrüstung. Er will „vorne mitfahren“. Während es in der Supported-Kategorie eine Teamleistung und oft „eine Materialschlacht“ ist („da kann ich nicht mithalten“), sind bei den Solisten die persönlichen Fertigkeiten wie Improvisation, Weitblick und Rennintelligenz ausschlaggebend.

Über ein Jahr bereitet sich der 39-Jährige auf dieses Abenteuer vor. Doch dann hätte ein dummer Zwischenfall beinahe alles zunichte gemacht.

Nach 350 Kilometern in Führung

Am 2. Juli fällt um kurz nach acht Uhr in Flensburg der Startschuss. Seyfarth findet seinen Rhythmus, es rollt gut und er ist schnell unterwegs. Am frühen Abend liegen die ersten 350 Kilometer hinter ihm, die Anstrengung macht sich bemerkbar. Aber er liegt gut im Rennen, ist insgesamt Dritter, in seiner Kategorie sogar Führender.

Der Erlanger ist – mal wieder – auf der Suche nach einem Ort, wo er Wasser bekommt, um seine Radflaschen mit dem Energiepulver aufzufüllen. Friedhöfe sind dafür prädesti-niert. Während er sucht, kommt ein anderer Teilnehmer heran. An Ampeln tauscht man sich kurz aus, dann fährt jeder wieder sein Rennen.

Da sieht Seyfarth ein Friedhofsschild, will anhalten – und wird von dem in Zeitfahrposition auf dem Lenker liegenden Sportler umgefahren. Beide gehen zu Boden. Doch während dem anderen sein Team hilft, muss Seyfarth selbst sehen, wie er zurechtkommt.

Sein Bein schmerzt, vom Aerolenker ist eine Auflage für die Unterarme abgebrochen. Aufgeben oder durchbeißen? „Der Sturz hat mich schon aus dem Konzept gebracht“, meint der promovierte Quantenphysiker rückblickend, „aber ich wollte es so lange probieren, wie es geht.“

Unter Schmerzen im Nebel

Aus Ersatzklamotten bastelt er ein Auflagepolster (erst bei Würzburg können ihm Freunde einen neuen Rennlenker geben), klettert unter Schmerzen zurück aufs Rad und fährt weiter, in die Nacht hinein. Am nächsten Tag lässt der Morgen auf sich warten.

Statt Sonnenaufgang geht es lange Zeit durch den Nebel. „Das war mental schwierig. Man hat eine Nacht hinter sich und sehnt sich nach Licht!“ Dann aber knallt die Sonne vom Himmel und bei Kitzingen ist es soweit: Ulrich Seyfarth muss anhalten und sich hinlegen. Es sind die ersten zehn Minuten Schlaf nach gut 30 Stunden und 800 Kilometern auf dem Rad.

Langsam kämpft er sich aus dem körperlichen und mentalen Tief heraus. Viel geholfen hätten ihm anfeuernde Freunde bei Ansbach, die ihn zum Weiterfahren motivieren. Mit neuem Fokus geht es in die zweite Nacht, die er eigentlich vermeiden wollte.

Die Skisprungschanze von Garmisch ist das Ziel

„Viel Regen, Straßen voller Schnecken, eine anstrengende Phase hinter Augsburg, ein Verfahrer, starke Magenprobleme“, fasst der Erlanger diese Stunden zusammen.
Bei Murnau wird es langsam hell. „Ich wollte endlich ankommen“ im Ziel, das in Gar-misch-Partenkirchen am Ende einer steilen, schlechten Straße auf der Skisprungschanze liegt.


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Begleitet von einem Freund, der am Fuß der Schanze wartet, absolviert er die letzten Meter und wird am Ende nach 46:23 Stunden Zweiter in der Unsupported-Wertung.
„Ich bin insgesamt hochzufrieden“, sagt Seyfarth, wenngleich ihn auch Tage später der Crash noch ärgert. Wie schnell wäre er ohne gewesen?

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