Mitgliederbefragung kommt

Wie man eine(n) Parteichef(in) findet: Was die CDU von der SPD lernen kann

2.11.2021, 11:38 Uhr
Die CDU will ihre personelle Neuaufstellung nach dem Debakel bei der Bundestagswahl mit einem Bundesparteitag am 21./22. Januar in Hannover abschließen.

© Kay Nietfeld/dpa Die CDU will ihre personelle Neuaufstellung nach dem Debakel bei der Bundestagswahl mit einem Bundesparteitag am 21./22. Januar in Hannover abschließen.

Die Spitze kam per Tweet, und sie war gekonnt gesetzt: Der Journalist Martin Eimermacher teilte vor der Wahl auf Twitter ein Foto, das Ausschreitungen von Linksautonomen zeigt. Darauf zu sehen: eine vermummte Person, die an einem brennenden Müllhaufen vorbeigeht. "Ich werde einmal meinen Kindern erzählen“, schreibt Eimermacher auf Englisch dazu, "dass dies Saskia Esken auf dem Weg zur Koalitionsverhandlung ist.“

Der Zeit-Autor nahm damit die verzweifelten Versuche der Union aufs Korn, die SPD als eine Partei zu zeichnen, die mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz zwar ein bürgerliches Gesicht hat, die sich in Wahrheit jedoch im Griff von Linksextremen befinde. Eine ähnliche Strategie hatte zuvor Donald Trump angewandt, als er Joe Biden als Marionette radikaler Demokraten wie der Linken-Ikone Alexandria Ocasio-Cortez darstellte. Der Ausgang ist hier wie dort bekannt: Die Strategie verfing nicht, Bidens Demokraten siegten ebenso wie Scholz‘ SPD.

In der Mitte werden Wahlen gewonnen, doch die Basis will klare Kante

Die Episode verweist auf ein zentrales Dilemma, dem sich Parteien in der Frage ihrer Führung gegenübersehen: Wahlen werden in der Mitte gewonnen, doch die Mitte reicht den Menschen an der Parteibasis oft nicht – sie wollen klare Kante. Ein Dilemma, vor dem nun auch die CDU steht, die eine(n) neue(n) Vorsitzende(n) braucht.

Nun könnte ihr ausgerechnet die SPD einen Weg aus der Klemme gewiesen haben: Sie entschied sich 2019 dafür, ihre neue Parteiführung per Mitgliederentscheid wählen zu lassen – mehr Basis geht nicht. Und traute sich dann doch, einen gemäßigten Kandidaten in die Bundestagswahl zu schicken. Man konnte das inkonsequent nennen oder belächeln, doch seit dem 26. September lacht keiner mehr.

Zweifellos ist es mit Risiken behaftet, wenn Kanzlerkandidatur/Kanzlerschaft und Parteivorsitz nicht in einer Hand liegen, doch wenn ausgerechnet bei der SPD, der viele notorische Streitsucht unterstellen, bereits seit Monaten der Burgfrieden hält, ist das durchaus bemerkenswert.

Falsch ist der Weg der CDU, nun auf eine Mitgliederbefragung zu setzen, also sicher nicht: Ein Parteichef, der ohne Rücksicht auf einen Koalitionspartner klare Positionen formuliert, zuspitzt und den politischen Gegner auch mal provoziert – der kann die konservative Parteibasis am ehesten versöhnen, zumal diese Basis in 16 Jahren Merkel viel schlucken musste. Mehr Krawall als Konsens – das kann, das muss sich die CDU gerade in Zeiten der Opposition leisten.

Mit Söder in die Bundestagswahl 2025?

Zumal die Partei diesmal von der Last befreit ist, bei der Vorsitzendensuche die nächste Wahl gleich mitdenken zu müssen – auch wenn das in der CDU freilich niemand so formulieren würde. Denn der wahrscheinlichste Kanzlerkandidat für 2025 steht für den Vorsitz gar nicht zur Verfügung; vor allem deshalb, weil er nicht mal Mitglied der Partei ist. Seine Name: Markus Söder.

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