Bund steckt 86 Milliarden Euro in Erhalt des Schienennetzes

26.7.2019, 08:21 Uhr
An vielen Stellen im 33.000 Kilometer langen Schienennetz gibt es großen Investitionsbedarf wegen teils maroder Brücken und Anlagen.

© Christoph Soeder, dpa An vielen Stellen im 33.000 Kilometer langen Schienennetz gibt es großen Investitionsbedarf wegen teils maroder Brücken und Anlagen.

Die Summe war eine Überraschung: 86 Milliarden Euro sollen in den nächsten zehn Jahren in die Sanierung des maroden Schienennetzes fließen. Darauf hätten sich DB und Bund im Rahmen der so genannten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung geeinigt, über die in den letzten Monaten verhandelt wurde. Damit schien sich auch die Andeutung von Bahn-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla auf der Halbjahresbilanz-Konferenz der DB am Donnerstag mehr als nur zu erfüllen.

"Alles mögliche hineingerechnet"

Auf Nachfrage hatte er erklärt, dass bis 2030 "deutlich" mehr als 50 Milliarden Euro aufgewendet würden, um das Schienennetz fit zu machen, mehr Kapazitäten zu schaffen und das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel zu erreichen, innerhalb eines Jahrzehnts die Reisendenzahlen im Fernverkehr zu verdoppeln. Für 2019 rechnet die DB mit rund 150 Millionen Fahrgästen in ihren ICE-, IC- und EC-Zügen.

Der Nürnberger SPD-Bundestagsabgeordnete und Bahnexperte Martin Burkert, der über viele Jahre hinweg den Verkehrsausschuss geleitet hat, reagiert jedoch mehr als nur verhalten auf die Ankündigungen. Mitnichten sei es so, dass 86 Milliarden Euro für Modernisierung und Ausbau des 33000 Kilometer umfassenden Gleisnetzes zur Verfügung gestellt würden. "Da wurde alles mögliche mit hineingerechnet", so Burkert. Unter anderem beispielsweise die neun Milliarden Euro an so genannten Regionalisierungsmitteln, die der Bund den Ländern jährlich zur Verfügung stellt, um damit den Schienennahverkehr zu bestellen und zu finanzieren.

In Bayern übernimmt diese Aufgabe die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG). Im Kern seien in der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung lediglich 52 Milliarden Euro für die Sanierung von Gleisen, Weichen, Brücken, Stationen und Stellwerken vorgesehen. In den nächsten vier Jahren bliebe es somit bei dem bisherigen Investitionsvolumen, erst dann gebe es überhaupt erst eine Milliarde Euro mehr pro Jahr für das an vielen Stellen hoffnungslos überalterte Netz.

"Dabei fehlen jetzt schon eineinhalb Milliarden Euro pro Jahr", so Burkert, der auch Vorstandsmitglied der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ist. Die hatte vor der DB-Bilanzkonferenz bereits gewarnt, dass sich der Investitionsrückstau im Netz inzwischen auf rund 60 Milliarden Euro belaufe. Der Zustand werde sich weiter dramatisch verschlechtern, warnte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. Die Infrastruktur "verrotte" auch in den kommenden zehn Jahren weiter. Zugausfälle, Verspätungen und Stellwerksaufälle würden weiter zunehmen.

Zur Erreichung der Klimaschutzziele sei die Bahn unerlässlich, so Kirchner. "Der Bund stellt den Eisenbahn- und Verkehrsunternehmen jedoch die dafür notwendige Schieneninfrastruktur nicht zur Verfügung“, kritisiert Kirchner. Das sei "Politik gegen die Menschen und gegen ihren Mobilitätsanspruch." Die 52 Milliarden Euro "reichen nur, um den Status quo zu halten. Ich mache mir große Sorgen um die Stellwerkstechnik und den ländlichen Raum", sagt auch Burkert.


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So hat etwa die Sächsische Städtebahn am Donnerstag ihren Betrieb komplett eingestellt, zur Überraschung für die Fahrgäste. Auf den Linien rund um Dresden fahren nur noch Busse. Der Grund: Die Gleise sind in einem derart schlechten Zustand, dass kein Zugverkehr mehr möglich ist. "Trotz der mehrfachen Aufforderung hat DB Netz hier nichts gemacht", so Burkert. Und auch anderswo würde die Bahn-Infrastrukturgesellschaft nicht ausreichend tätig. "Es gibt Stellwerke, die sind in einem derart schlechten Zustand, dass sich schon gar niemand mehr reintraut", so Burkert. Auch in der Region, etwa im westlichen Mittelfranken, würde vieles im Argen liegen. "Da wird zurecht massiv geklagt." Besserung sei aber auch mit der neuen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung nicht in Sicht. Das Geld wird "woanders hin fließen, vor allem in die Modernisierung und den Ausbau der Hauptmagistralen", so Burkert. In der Fläche werde kaum etwas ankommen.

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