Kein Versorgungsengpass wegen Tönnies - NRW startete Initiative gegen Billigfleisch

19.6.2020, 10:13 Uhr
Beim Schlachtereibetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück sind seit Anfang der Woche Hunderte Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden.

© Friso Gentsch, dpa Beim Schlachtereibetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück sind seit Anfang der Woche Hunderte Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden.

Die vorübergehende Schließung des größten deutschen Schlachtbetriebs von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück wird nach Einschätzung von Marktbeobachtern nicht zu Versorgungsengpässen führen. "Fleisch wird in Deutschland nicht knapp, auch nicht Schweinefleisch", sagte Tim Koch von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft in Bonn. Am Donnerstag wurde hingegen noch berichtet, es könnte mögliche Engpässe geben.

Ob der nach einem großen Corona-Ausbruch verfügte Stillstand der Fleischfabrik in Rheda-Wiedenbrück zu höheren Preisen für Verbraucher führen werde, sei erst in einigen Wochen abzusehen, sagte Koch der Deutschen Presse-Agentur. Der Handel habe in der Regel mit den Schlachtunternehmen längerfristige Verträge zu Mengen und Preisen abgeschlossen.

Bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück gibt es nach Angaben des Kreises Gütersloh inzwischen 730 registrierte Neuinfektionen. Ausgewertet wurden 1106 Ergebnisse eines von den Behörden angeordneten Reihentests, der am Donnerstag fortgesetzt wurde. Im Tönnies-Stammwerk müssen in den nächsten Tagen noch rund 5300 Mitarbeiter getestet werden.

In Rheda-Wiedenbrück werden nach Angaben von Tönnies pro Tag 20 000 Schweine geschlachtet und zerlegt. Die Branche habe eine Reihe von Stellschrauben, um die bei Tönnies ausfallenden Schlachtkapazitäten zumindest teilweise auszugleichen, sagte Agrarfachmann Koch. Tönnies wolle die Zahl der Schlachtungen an anderen Standorten erhöhen, auch andere Unternehmen hätten diese Möglichkeit.


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Die Zahl der in Deutschland geschlachteten Schweine falle schon seit einiger Zeit, die Schlachtkapazität sei aber nicht entsprechend gesunken, sagte Koch. Auch könne der Import von Schlachtschweinen zeitweise reduziert werden, um den Druck auf die deutsche Schweinemäster zu verringern.

Probleme kann der Stillstand bei den Schlachtungen in Rheda-Wiedenbrück den Schweinemästern bereiten. Wenn ein Mäster innerhalb von ein bis zwei Wochen seine Tiere nicht vermarkten könne, könnte es bereits Schwierigkeiten geben, sagte Miriam Goldschalt, Fachreferentin für Tiere in der Landwirtschaft beim Deutschen Tierschutzbund.

"Das ist alles sehr streng getaktet", sagte Goldschalt. Es drohten in den Stallungen Platzprobleme, weil neue Jungtiere angeliefert würden und nicht klar sei, wohin mit den älteren Tieren. "Das Schwein verliert ab einem gewissen Punkt mit zunehmendem Gewicht an Wert", sagt Goldschalt. Ein Grund sei die Vorliebe der Deutschen für mageres Fleisch.


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Auch ein Sprecher des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes meinte: "Ein, zwei Wochen können die Bauern die Situation vergleichsweise verlustarm überbrücken. Dauert die Schließung länger, kommen auf die Schweinemastbetriebe Probleme zu." Würden die auf ein bestimmtes Zielgewicht hin gemästeten Schweine zu fett, drohten Verluste durch Preisabzüge.

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden im vergangenen Jahr 55,1 Millionen Schweine in Deutschland geschlachtet, 3,0 Prozent weniger als 2018. Davon wurden rund 3,3 Millionen Schlachtschweine aus dem Ausland importiert.


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