Verbraucherhilfe oder Irreführung? Das Geschäft mit Bewertungsportalen

4.5.2021, 06:00 Uhr
Um positive Bewertungen zu bekommen, greifen viele Unternehmen auch zu Tricks. 

© Andrea Warnecke/dpa, NNZ Um positive Bewertungen zu bekommen, greifen viele Unternehmen auch zu Tricks. 

Trip Advisor und Google machen längst Geld damit, hunderte weitere, teils unseriöse Anbieter ebenfalls: Das Netz ist überschwemmt mit Bewertungsportalen, die Verbrauchern die Entscheidung über das beste Restaurant für den Abend, einen neuen Arbeitgeber oder die funktionalste Küchenmaschine erleichtern sollen. Doch aus dem Wunsch der Menschen nach verlässlichen Vergleichen hat sich längst ein Geschäftsfeld entwickelt, das nicht immer so objektiv ist, wie es scheint - und Verbrauchern wie Unternehmen mitunter gar schadet.

Eine der bekanntesten Webseiten, um Arbeitgeber zu bewerten, ist Kununu. Dort können (aktuelle wie ehemalige) Mitarbeiter "anonym Unternehmenskultur, Gehalt, Benfits und mehr" bewerten, werben die Betreiber der Plattform. Ein Nachweis, dass man tatsächlich in der bewerteten Firma gearbeitet hat, ist zunächst nicht erforderlich. "Sollte ein Unternehmen berechtigte Zweifel an der Authentizität einer Bewertung haben, so kann es diese bei uns melden", heißt es auf Anfrage von einem Sprecher des Unternehmens. In solchen Fällen werde die Bewertung so lange offline genommen, bis der Autor einen Tätigkeitsnachweis geschickt habe.


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Manche Verfasser lassen sich davon abschrecken: So wandten sich zuletzt mehrere Leser an unsere Zeitung, nachdem ihre negativen Bewertungen zu Unternehmen in der Region nicht direkt angenommen wurden. Stattdessen teilte ihnen Kununu mit: "Das Unternehmen hat anwaltlich angezweifelt, dass du ein (ehemaliger) Mitarbeiter bist." Erst nach einem Nachweis könne die Bewertung online gestellt werden.

Anbieter drohen mit rechtlichen Schritten

Dieses pauschalere Vorgehen gegen jegliche negativen Bewertungen geht oftmals gar nicht von den Unternehmen direkt aus. Vielmehr haben sich auf dem Markt eigenständige Anbieter für den Service etabliert, wie die Plattform "Bewertungshelden.de". Gezielt gehen solche Anbieter auf Arbeitgeber zu und bieten ihnen an, negative Bewertungen zu löschen - natürlich gegen Bezahlung, die nicht gerade niedrig ist: So kostete bei "Bewertungshelden" eine gelöschte Bewertung laut Webseite 179 Euro. Das Geld wird fällig, wenn der unerwünschte Kommentar erfolgreich entfernt wurde.

Um dieses Ziel zu erreichen, greifen die Anbieter dem Vernehmen nach zu anwaltlichen Lösch-Aufforderungen - eine Methode, die umstritten ist, weil die Betreiber von Bewertungswebseiten teils die juristische Auseinandersetzungen scheuen und deswegen solchen Aufforderungen vergleichsweise bereitwillig nachkommen. "Bewertungshelden.de" will sich zu seinem Vorgehen nicht äußern. Zwei Anfragen unserer Redaktion an den Betreiber des Portals blieben unbeantwortet.

Rechtlich gesehen haben Verbraucher im Zweifel die Oberhand, denn die reine Meinungsäußerung ist in Deutschland grundrechtlich geschützt; sie darf also nicht gelöscht oder zensiert werden. Es gibt aber Grenzen, erklärt Tatjana Halm, Referatsleiterin Markt und Recht bei der Verbraucherzentrale Bayern. "Unwahres, Beleidigungen, Rufschädigung sind nicht erlaubt." Zudem ist ein Webseitenbetreiber rechtlich dazu verpflichtet, sich einen Kommentar genauer anzusehen, wenn ihn das Unternehmen beanstandet, und gegebenenfalls auch einen Tätigkeitsnachweis zu verlangen, so die Rechtsanwältin.


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Kununu selbst ist von einem solchen Vorgehen allerdings wenig begeistert: "Grundsätzlich raten wir Unternehmen davon ab, pauschal gegen lediglich negative Bewertungen vorzugehen. Dann damit untergraben sie im Zweifel ihre eigene Glaubwürdigkeit. Und es sendet an die eigenen Mitarbeitenden ein negatives Signal."

Doch nicht nur wegen gelöschter Kommentare kann sich das Bild für Verbraucher verzerren. Hinzu kommt, dass es mittlerweile viele Unternehmen gibt, die positive Bewertungen fälschen oder fälschen lassen. "Das nimmt definitiv in den letzten Jahren zu", so Verbraucherschützerin Halm. Kunden würden vor ihrer Kaufentscheidung oft im Internet nach Rezensionen suchen. Wer online nicht auftauche oder viele schlechte Bewertungen habe, "der hat direkt weniger Chancen. Und deswegen werden die Methoden im Wettbewerb um positive Bewertungen immer unlauterer".

Eine verzerrte Realität kommt aber nicht nur durch gefälschte, sondern teilweise auch durch die echten Kommentare zustande, mahnt Expertin Halm: "Man muss sich die Frage stellen: Wer bewertet auf solchen Webseiten überhaupt und bekommt man dadurch ein repräsentatives Bild? Oder sind es mehrheitlich Menschen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben und jetzt ein Ventil dafür suchen?"

Viele negative Bewertungen können schaden

Eben solche negativen Kommentare können den bewerteten Unternehmen selbst aber deutlichen Schaden zufügen; vor allem wenn es dabei um Unterkünfte oder Gastronomie geht. An der Speerspitze der Tourismus-Bewertungsseiten steht hier ungeschlagen Trip Advisor. Laut eigener Aussage wurden dort allein im Jahr 2018 von Menschen auf der ganzen Welt 66 Millionen Bewertungen zu Unterkünften, Sehenswürdigkeiten und Restaurants veröffentlicht, fast 1,4 Millionen stufte der Konzern als betrügerisch ein.


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Auch das italienische Restaurant Travolta hat dort über 120 Bewertungen. An sich gute Werbung für die Gastronomie in der Nürnberger Innenstadt, doch nicht alle Kommentare sind eben positiv und können dann auch schaden, sagt der Nürnberger Manager des Restaurants, Gianluca Russo. "Wir finden Bewertungsportale an sich super. Bewerter sollten sich aber immer ehrlich die Frage stellen, ob ihre Bewertung wirklich objektiv ist oder eher einem subjektivem Empfinden entspringt, da negative Rezensionen sich für uns durchaus geschäftsschädigend auswirken können."

Trip Advisor hat sich dafür - ebenso wie Google - aber längst eine Lösung einfallen lassen. Gegen einen Preis können sich die Betriebe bei beidem registrieren und dann auf die Kommentare antworten. Auch das Travolta nutzt diese Möglichkeit: "Das hat meist den Grund, dass der beschriebene Sachverhalt aus unserer Sicht vom Gast nicht richtig dargestellt wurde. Trotzdem befürworten wir stark Bewertungsportale wie Google, da es für den Kunden die Transparenz erhöht", so Manager Russo.

Doch nicht alles ist auf den ersten Blickt transparent bei Trip Advisor: Wer als Restaurant viele Kommentare hat und positiv bewertet wird, der steigt in der Ranking-Liste eigentlich nach oben. Man kann aber auch nachhelfen: Gegen eine Gebühr an die Bewertungswebseite kann ein Unternehmen auch so höher in der Trefferliste angezeigt werden. Lediglich das kleine Zeichen "gesponsert" weist Kunden darauf hin. Ob ein solches Vorgehen nicht den Wettbewerb verzerre, darauf geht TripAdvisor auf Anfrage unserer Redaktion nicht ein.

Doch was heißt das alles nun für die Verbraucher? "Im Endeffekt haben Bewertungsportale einen überschaubaren Wert, weil man nicht feststellen kann, was wahr ist und was nicht", so die Meinung von Verbraucherschützerin Halm. Umfragen hätten zudem gezeigt, dass viele Verbraucher den Bewertungen auch nicht unbedingt vertrauen würden. "Es ist zwar paradox, dass sie sie trotzdem für ihre Entscheidung nutzen. Aber bei der Vielzahl der Angebote erscheint es dennoch als Möglichkeit zu dienen, sich irgendwie zu orientieren."

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