"Melodys Baby": Wahlverwandtschaft unter Frauen

14.5.2015, 13:17 Uhr

© Foto: MFA

Melody (Lucie Debay) braucht Geld. Die zähe junge Frau lebt praktisch auf der Straße, zieht tagsüber mit Rucksack und Friseurkoffer von einer Privatkundin zur nächsten, für die Nacht verkriecht sie sich in ein ruhiges Treppenhaus. Sie ist obdachlos, aber mit Option auf eine Ladenruine, wenn sie der Anzahlung beim Makler fristgerecht die volle Kaufsumme nachreichen kann. Wenn nicht, ist ihr Erspartes futsch. Eine Leihmutterschaft ist für sie die letzte Rettung.

Für Emily (Rachael Blake), eine Reederin, die sich Melody bei einer Agentur als „Womb to rent“ für ihre befruchteten Eizellen ausgesucht hat, gilt das gleiche. Eine Krebsoperation hatte bei ihr einen Schwangerschaftsabbruch unumgänglich gemacht, die in der Ukraine – der Gesetze wegen — eingefrorenen befruchteten Eizellen sind die letzte Chance auf eine Mutterschaft. Wenn auch auf dem Umweg über Melodys Bauch.

„Jede Geschichte ist eine Ausnahme“, bemerkt Regisseur Bellefroid in einem Interview sehr richtig, und so wird bei ihm aus dem Stereotyp der armen Streunerin, die ihren Bauch vermietet, eine verletzliche junge Frau, die es nicht verwindet, dass sie von ihrer Mutter anonym geboren und weggeben wurde. Die Schwangerschaft macht ihr Angst, gleichzeitig fühlt sie sich als angehende Rabenmutter. Ihre Auftraggeberin Emily, mit der sie bis zur Geburt in einem Haus an der See zusammenlebt, wird zunehmend zur Vertrauten, einer Wunsch-Mutter.

Filmemacher Bellefroid, 2006 erstmals bekannt geworden durch seine aufrüttelnde Doku „Gacaca – Tätige Buße nach dem Völkermord in Ruanda“, gelingt mit den beiden hervorragenden und meisterhaft zurückhaltenden Schauspielerinnen ein nahezu meditativ ruhig inszeniertes Kammerspiel, das selbst beim dramatischen Finale keinen Augenblick in Gefahr gerät, in den naheliegenden Schmachtfetzen abzurutschen. Lucie Debay und Rachael Blake wurden beim 38. Filmfestival in Montreal zu Recht als beste Darstellerinnen ausgezeichnet.

B/L/F/94 Min.; Casablanca, Nürnberg; Lamm-Lichtspiele, Erlangen

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