"Mia Madre": Abschied von der geliebten Mutter

19.11.2015, 07:28 Uhr

© Koch Media

Der knapp 50-jährigen Margherita (Margherita Buy) wächst gerade alles über den Kopf. In Rom dreht die politisch engagierte Regisseurin einen Film über streikende Druckerei-Angestellte, die gegen den Abbau von Arbeitsplätzen kämpfen. Keine Szene gelingt so, wie sie es sich vorstellt. Ihren Lebensgefährten hat sie verlassen, zu ihrer halbwüchsigen Tochter findet sie kaum noch Zugang. Doch in Gedanken ist Margherita vor allem bei ihrer Mutter Ada (Guilia Lazzarini), eine ehemalig Lateinlehrerin, die mit einem schweren Herzfehler im Krankenhaus liegt und sterben wird.

Nanni Morettis eigene Mutter starb während der Dreharbeiten zu seinem vorherigen Film „Habemus Papam“. In „Mia Madre“ greift er diese Erfahrung auf, macht Margherita zu seinem Alter Ego, während er selbst ihren Bruder spielt, der ihr als einziger Halt bietet, sich liebevoll um die kranke Mutter kümmert, sich sogar von seinem Job freistellen lässt, um Zeit für Ada zu haben, aber auch weil er selbst mit seinem Leben hadert.

Doch „Mia Madre“ kreist nicht nur um die private Tragödie, sondern erzählt auch von den enttäuschten Hoffnungen einer Generation, die einst wie Moretti mit großen politischen Idealen angetreten ist. Bei einer Pressekonferenz zu ihrem Film wird der emotional überforderten Margherita bewusst, wie ihr die Sätze über die Aufgaben des sozialkritischen Kinos zu Phrasen geraten und dass sie selbst nicht mehr daran glaubt, die Welt verändern zu können. Die Streikenden, die in ihrem Film um ihre Arbeitsplätze kämpfen, sind auch Verweis auf den Zustand eines Landes, das jungen Menschen kaum noch eine Zukunft bietet.

„Mia Madre“ ist ein Film, der nachdenklich, auch melancholisch stimmt, in dem Traum, Erinnerung und Realität oft fließend ineinander gleiten und der doch von einem wunderbar tröstenden Humor und einer großen Liebe zu den Figuren getragen wird. Dabei scheinen die fast slapstickartigen Szenen mit John Turturro als für Margheritas Film aus den USA eingeflogener Star Barry Huggins zunächst gar nicht zu diesem leisen Drama zu passen. Doch es ist gerade der überdrehte, in seiner Kauzigkeit alle Welt nervende Barry, der die Lust auf das Leben beschwört. Und der selbst einem tragischen Ende entgegensieht.

„Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, liest Margherita einmal auf einem Transparent am Krankenhaus. Und als sie ihre im Sterben liegende Mutter fragt, woran sie denke, anwortet diese „An morgen“. So erzählt „Mia Madre“, begleitet von Musik unter anderem von Leonard Cohen und Arvo Pärt, vom Abschiednehmen – und ist doch eine Hommage an das Leben und die Liebe. (I/F/ 106 Min.; Casablanca, Nbg.; Babylon, Fürth)

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