Prof. Dr. Peter Bradl baut Notfall-Forschungsinstitut auf

13.4.2015, 11:50 Uhr
Prof. Dr. Peter Bradl baut Notfall-Forschungsinstitut auf

© Foto: Wilhelm

Seit einem Jahr darf sich Schwabach „Wissenschaftsstadt“ nennen. Sehr viel unscheinbarer kann ein Hochschulstandort aber kaum sein. Ein paar Büros, Schreibtische, Computer, ein kleiner Seminarraum. Einziger Hinweis: ein kleines Klingelschild in der Eisentrautstraße 2 mit vier Buchstaben: IREM. Dies ist die Abkürzung für „Institute Rescueengeneering, Emergency and Desaster Management“: Institut für Rettungswesen, Notfall- und Katastrophenmanagement.

Es gehört zur „Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt“. Geleitet wird es von Professor Dr. Peter Bradl, der lange in Wolkersdorf gewohnt hat. Ein Gespräch über das erste Forschungsjahr in Schwabach:

Herr Bradl, eine Würzburger Hochschule eröffnet ein Institut im fernen Schwabach. Für die Stadt ist das ein Imagegewinn. Hat es sich auch für die Hochschule gelohnt?

Bradl: Ja, die Standortentscheidung war richtig. Wir haben hier mehrere Einrichtungen vor Ort, etwa die Integrierte Leitstelle und verschiedene Hilfsorganisationen. Wir sind nahe am ländlichen Raum und an einer Großstadt, wir haben in Nürnberg eine Berufsfeuerwehr und sogar einen Flughafen. Und es finden sehr viele Veranstaltungen statt. Es gibt hier also viele Forschungsgegenstände für uns — mehr als in Würzburg.

Wenn von einer Hochschule die Rede ist, denkt man sofort an Hörsäle und viele Studenten. Sie aber arbeiten in eher unspektakulären Büros. Wie groß ist Ihr Team bisher?

Bradl: Wir sind hier vor Ort aktuell drei Leute. Stefan Mendl, ein freier Mitarbeiter, Tim Loose, ein Master-Student, und ich als Leiter. Ich bin ja auch noch Dekan an der Hochschule, kann aber immerhin 20 Prozent meiner Arbeitszeit in den Aufbau des Instituts investieren. Wir stellen Leute ein, wenn wir Arbeit haben. So läuft ein Forschungsinstitut.

Und haben Sie genügend Arbeit?

Bradl: Wir sind absolut ausgelastet.

Geben Sie uns doch einen Einblick: Was macht ein Institut für Katastrophenmanagement?

Bradl: Wir haben bisher drei Schwerpunkte. Erstens die Qualifikation von Führungskräften von Feuerwehr, Rettungsdienst und darüber hinaus. Darum kümmert sich Stefan Mendl. Zweitens die Begleitung von Notfallübungen. Und drittens die hochinteressante Master-Arbeit von Tim Loose. Er geht der Frage nach: Wie lässt sich bei Veranstaltungen unterschiedlichster Art die Bemessung von Einsatzkräften qualifiziert berechnen? Das ist ganz wichtig für die Organisation und natürlich für die Sicherheit der Besucher.

Betrachten wir das doch näher. Qualifizierung von Führungskräften: Sind das Vorträge oder sogar Übungen?

Bradl: Das ist ein Simulationstraining. Wir stellen am Computer Einsatzlagen nach, etwa den Brand eines Gehörlosenzentrums. Das hat gegenüber einer echten Übung mehrere Vorteile: Es ist ein geringerer Aufwand. Man hat immer identische Rahmenbedingungen. Und die Simulation ist stoppbar. Man kann getroffene Entscheidungen kritisch aus anderer Perspektive betrachten. Auch lässt sich die Lage jederzeit verändern. So kann man Kommunikation unter Stress testen und üben. Das ist wie bei einem Piloten. Der fliegt auch erst am Simulator. Ziel ist eine Verhaltensänderung.

Was ist denn ein typischer Fehler?Bradl: Das, was wir den „Fixierungsfehler“ nennen: Man stürzt sich auf das Offensichtliche, das nicht immer auch das Wesentliche sein muss. Der Brandherd muss nicht immer dort sein, wo es am meisten raucht.

Können Sie den Erfolg Ihrer Arbeit testen?

Bradl: Wir bemühen uns um Evaluation. Die Führungskräfte sagen, dass sie sich durch unsere Qualifikation sicherer fühlen.

So wichtig sie ist: Was hat diese Qualifikation mit wissenschaftlicher Forschung zu tun?

Bradl: Wir sind eine Hochschule für angewandte Wissenschaft. Deshalb ist uns der Bezug von Theorie und Praxis besonders wichtig.

Sie persönlich verkörpern diesen Zusammenhang ja geradezu als Vorsitzender des BRK Nürnberg und Mitglied im Landesvorstand. Zudem sind die selbst Einsatzabschnittsleiter bei „Rock im Park“ gewesen. Wie wichtig ist die Erfahrung des Rettungsdienstlers Peter Bradl für den Professor?

Bradl: Ich trete nicht als der Herr Professor auf. Das käme nicht gut an. Es ist ganz wichtig, dass die Führungskräfte merken: Der hat praktische Erfahrung, der kennt sich aus.

Deshalb werden Sie auch eingeladen, Übungen zu beobachten?

Bradl: Wir waren bisher bei einer Großübung zu dritt dabei: bei der „Franken-Übung 2014“ in Sand am Main, einer Hochwasserübung mit rund 300 Mann. Ich bin ja selbst Wasserwachtler. Uns ging es um Fragen wie: Ist die Übung realistisch? Wie gut klappt die Kommunikation? Ist die Lage bewältigt worden? Solche Übungsbesuche geben den Planern sowie Einsatzkräften wichtiges Feedback und fördern das Renommee des Instituts.

Bei der Master-Arbeit, die Sie aktuell betreuen, geht es um die Bemessung von Einsatzkräften. Jedes Wochenende finden Großveranstaltungen statt. Konzerte, Bundesligaspiele. Da müssen die Einsatzkräfte doch bereits enorme Erfahrung haben.

Bradl: Und dennoch herrscht enormer Forschungsbedarf. Es gibt kaum wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema. Es geht um eine noch perfektere Planung von Veranstaltungen. Deshalb wollen wir eine Handlungsanleitung geben, die verschiedene Parameter berücksichtigt: die Besucherzahl, das Publikum — zu „Rock im Park“ kommen andere Leute als zu einem Klassikkonzert —, das Wetter, politische Implikationen.

Das klingt sehr abstrakt: Wie erforscht man das konkret?

Bradl: Heuer geht die berühmte Rockband AC/DC auf Tournee. Das wäre ein sehr reizvoller Forschungsgegenstand. Die selbe Band, das selbe Publikum, aber unterschiedliche Veranstaltungsorte. Große Hallen, kleine Hallen. Da kann man sehr gut Unterschiede herausarbeiten. Wir bemühen uns deshalb um Kontakt zum Tourveranstalter.

Als Institutsleiter müssen Sie — wie ein Unternehmer — für neue Aufträge sorgen. Laufen weitere Forschungsanträge?

Bradl: Ja, die Stichworte sind: „Erhöhung der Resilienz der Bevölkerung im Krisen- und Katastrophenfall“ und „dynamisches Ressourcenmangement“. Dafür laufen Anträge beim Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Was verbirgt sich hinter diesen Begriffen?

Bradl: Die Fragen lauten zum Beispiel: Wie reagiert die Bevölkerung auf Katastrophen? Wie gelingt eine maximale Versorgung? Wie kann man Freiwillige integrieren? Wie kann man Menschen besser qualifizieren? Wenn die Anträge durchgehen, wären das große Aufträge.

Ist Ihre Hochschulleitung mit dem ersten Jahr zufrieden?

Bradl: Absolut. Wir haben volle Rückendeckung und die Freiheiten, die wir brauchen.

Wie kann Schwabach — außer durch den Imagegewinn — durch Ihr Institut profitieren?

Bradl: Wir sind von der Stadt in den Wirtschaftsausschuss eingeladen worden. Das ist eine gute Gelegenheit, sich vorzustellen, Kontakte zu knüpfen und Möglichkeiten der Kooperation zu sondieren.

Die Stadt hofft, Ihr Institut könnte Keimzelle für eine größere Hochschul-Einrichtung sein. Ist das realistisch?

Bradl: Momentan qualifizieren wird Menschen in Zertifikatslehrgängen. Wenn die Nachfrage entsprechend sein sollte, dann wird es eine Frage des Marktes, ob irgendwann auch Master-Studierende nach Schwabach kommen. In unserem ersten Jahr haben wir Körner ausgesät. Jetzt hoffen wir natürlich, dass die Saat angeht.

 

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