Raphael Schäfer nach Club-Aus: "Musste mich neu erfinden"

25.12.2019, 05:57 Uhr
Insgesamt 16 Jahre stand Raphael Schäfer im Tor des 1. FC Nürnberg.

© Foto: Daniel Marr/Zink Insgesamt 16 Jahre stand Raphael Schäfer im Tor des 1. FC Nürnberg.

Im Interview spricht Raphael Schäfer darüber, warum er seine Position als Torwart-Koordinator beim Club schnell wieder aufgegeben hat, warum seine Töchter nicht Fußball spielen und welcher neuen sportlichen Leidenschaft er nun nachgeht.

NN: Herr Schäfer, erinnern Sie sich noch daran, was Sie am ersten freien Tag nach dem Ende Ihrer Fußballkariere gemacht haben?

Schäfer: Nicht ausgeschlafen. Wir hatten am Abend zum Abschluss noch eine kleine Feier, aber ich musste dann am nächsten Tag noch zum "Blickpunkt Sport" beim Bayerischen Rundfunk. Es war schon eher ein harter Tag.

Wie sieht denn eine typische Woche inzwischen bei Ihnen aus?

Schäfer: Wir stehen meist um sechs Uhr auf, und sobald die drei Kinder aus dem Haus sind, fahre ich in mein Büro. Dort bin ich meistens bis zwei oder drei Uhr, dann geht’s ab nach Hause. Das ist eigentlich recht schön, weil ich vieles auch von zu Hause aus erledigen kann und auch noch sehr viel Zeit mit meiner Frau und den Kindern verbringen kann.

Was machen Sie im Büro?

Schäfer: Wir haben eine kleine Apartmentvermietung. Da gibt es immer was zu tun: Handwerker koordinieren, Rechnungen schreiben, Angebote erstellen, sich mit Firmen unterhalten, ob jemand etwas längerfristig mieten möchte.

Sie sind mit einer kurzen Unterbrechung 16 Jahre lang beim Club im Tor gestanden. Strukturierte Tagesabläufe, Training und strenge Regeln – war es am Anfang für Sie schwer, Ihre Tage frei zu gestalten?

Schäfer: Ja, es war sogar eine lange Zeit schwer, weil man sich selbst komplett neu strukturieren und sich neue Möglichkeiten suchen musste. Es war schon so, dass ich mich komplett neu erfinden musste.

Wie haben Sie das gemacht, sich neu zu erfinden?

Schäfer: Ich war zunächst noch beim Club in der Funktion des Torwart-Koordinators tätig. Diese Tätigkeit hat mir sehr viel Spielraum gelassen und war auch nicht richtig definiert. Da war es schon schwer, erst einmal Abstand zu bekommen und sich neu zu finden.

Was tut man in so einem Fall, wenn die Arbeitsaufgaben nicht klar sind? Setzt man sich hin und macht sich einen Plan?

Schäfer: Oder man schmeißt hin – so wie ich. Es war einfach so, dass es mich nicht ausgefüllt hat. Es hat teilweise keinen Spaß gemacht, weil man wenig mit eingebunden war und, böse gesagt, links liegen gelassen wurde. Die Kommunikation war damals nicht sehr gut, und es hat mir nichts gebracht, herumzusitzen und so zu tun, als ob ich arbeiten würde. Da dachte ich mir, das Geld kann sich der Club auch sparen! Ich habe mich dann einfach mehr um mein Privatleben und um das, was für mich wichtig ist, gekümmert.

Als sich jetzt ein Torwart nach dem nächsten verletzt hat beim Club: Hatten Sie da nicht Angst, dass Robert Palikuca anruft und Sie um ein Comeback bittet?

Schäfer: Nee, hatte ich nicht. Erstens wäre es nicht machbar gewesen, weil es von meinen Fähigkeiten her nicht mehr passt, und zweitens glaube ich auch, dass eine gewisse Distanz besteht. Ich glaube, dass man von Vereinsseite eher froh ist, dass man eine Distanz hält zu Leuten, die ihre Meinung offen kundtun und vielleicht auch ein bisschen unangenehm für den Verein sind.

Das heißt, Sie könnten sich nicht vorstellen, noch einmal beim 1. FCN . . .

Schäfer: . . . im Tor zu stehen?

Oder irgendeine andere Funktion zu übernehmen.

Schäfer: Das weiß ich nicht. Ich beschäftige mich immer nur mit den Sachen, die gerade aktuell sind. Ich bin glücklich mit dem, was ich mache. Ich komme sehr gut durchs Leben, bin auf niemanden angewiesen, und das habe ich mir hart erarbeitet. Ich bin sehr stolz drauf, dass ich alles selbst entscheiden kann und nicht darauf angewiesen bin, einen Job beim Verein machen zu müssen. Mir gefällt diese Freiheit sehr gut, das will ich mir eigentlich auch erhalten.

Viele ehemalige Profis kommen mit dieser Freiheit nicht zurecht. Haben Sie sich im Vorfeld Gedanken gemacht, wie es nach Ihrer Karriere für Sie weitergehen soll?

Schäfer: Naja, es sollte ja eigentlich beim Club weitergehen. Aber das hat einfach nicht gepasst, jetzt bin ich froh, dass ich Zeit für mich habe und meine Wochenenden auch einigermaßen ohne den Fußball strukturieren kann. Es ist schön, dass die Laune am Wochenende nicht mehr davon abhängt, wie ein Spiel ausgegangen ist. Man schaut es sich an, und wenn sie schlecht spielen, kann man den Fernseher einfach mal ausmachen.

Fiebern Sie trotzdem noch etwas mit?

Schäfer: Ein gewisses Fan-Sein ist natürlich noch da, ich werde auch immer wieder angesprochen, warum es zum Beispiel gerade nicht läuft. Dann sage ich immer, ich kann mich nur mit den Sachen beschäftigen, auf die ich Einfluss habe, aber auf den Spielverlauf habe ich keinen Einfluss. Ich schaue es mir an wie ein Fan, nicht mehr, nicht weniger.

Was macht das denn mit einer Fußballmannschaft, wenn gleich mehrmals der Rückhalt wegbricht?

Schäfer: Natürlich ist das sehr schwer für eine Mannschaft, wenn immer wieder ein Torhüter, mit dem man sich gerade versucht einzuspielen, wegbricht. Aber man kann sagen in der aktuellen Situation sind ja nur zwei weggebrochen. Patrick Klandt hat davor nicht gespielt, sondern Christian Mathenia, der bis dahin auch keine sehr gute Saison gespielt hat. Das muss man fairerweise sagen. Es wird immer so getan, als wäre die unumstrittene Nummer eins weggebrochen, aber er hat uns ja auch schon eindeutig mehr Punkte gekostet als zum Beispiel ein Bene (Benedikt Willert, Anm. d. Red.). Aber ich glaube das Problem der Mannschaft war nicht der Torhüter.

Gab es bisher einen Moment, in dem Sie Ihre Entscheidung, dem Fußball den Rücken zu kehren, bereut haben?

Schäfer: Ich würde nicht sagen, dass ich dem Fußball den Rücken gekehrt habe. Ich verfolge es, aber ich richte nicht mein komplettes Leben oder Wochenende auf den Fußball aus. Wenn es reinpasst, bin ich gerne beim Fußball oder schaue mir ein Spiel an, aber ich bin froh, dass ich es mir nach einer so langen Zeit nicht mehr diktieren lassen muss.

Familie, die Zeit im Büro: Was machen Sie mit der restlichen Zeit?

Schäfer: Ich bin gut ausgelastet. Meine Kinder spielen Tennis, ich habe auch mit dem Tennisspielen angefangen, weil es meinen Knochen einfach deutlich besser tut als Fußball. Das macht sehr viel Spaß. Wir haben eine Super-Tennismännerrunde. Ansonsten muss ich die Kinder chauffieren, so wie es sich gehört, beim Tennis zuschauen und zu Spielen von den Kindern mitfahren.

Fußball spielen Sie dann gar nicht mehr?

Schäfer: Nein, aber nicht aus dem Grund, weil mir Fußball keinen Spaß macht. Erstens kann ich nie wieder so spielen, wie ich es früher konnte und wenn ich Fußball gespielt habe, konnte ich mich danach drei Tage lang kaum bewegen, weil das Knie wehgetan hat oder die Achillessehne dick geworden ist. Das passiert mir beim Tennis nicht. Da kann ich am nächsten Morgen ganz normal aufstehen und die Treppe runtergehen.

Sie haben gesagt, Ihre Töchter spielen Tennis. Sind Sie froh, dass Ihre Töchter nicht Fußball spielen?

Schäfer: Sie durften nicht Fußball spielen.

Warum?

Schäfer: Ich fand es einfach nicht die passende Sportart für meine Kinder. Vielleicht, weil ich es selbst lange gemacht habe und einfach immer Vergleiche gezogen habe. Wir haben eine Sportart gesucht, die einen gewissen Mannschaftscharakter hat, aber trotzdem sehr individuell ist. Sie sind da alle sehr gut aufgegangen, es macht ihnen sehr großen Spaß.

Gibt es Tipps, die Sie als ehemaliger Torhüter Ihren Töchtern für ein Tennismatch geben können?

Schäfer: Das ist immer das größte Problem – das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Jeder Fremde könnte meinen Kindern alles sagen. Das würden sie sofort aufnehmen, aber beim eigenen Vater ist es natürlich sehr schwer, eine gewisse Kritik anzunehmen, aber wir haben uns da ganz gut arrangiert.

Kann man denn Tennis und Fußball in irgendeiner Form vergleichen?

Schäfer: Man kann es insofern vergleichen, dass man viel Disziplin braucht, wenn man in einer Sportart erfolgreich sein will. Man muss sich immer wieder motivieren, sich auch in jungen Jahren etwas sagen lassen und sich immer wieder verbessern. Tennis kann man mit dem Torhüterspiel vergleichen, weil man auch auf sich alleine gestellt ist.

Wie Raphael Schäfer die aktuelle Lage des 1. FC Nürnberg bewertet, erfahren Sie im Club-Podcast "Ka Depp".

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