"Dieser Weg" war der Falsche: Warum der Naidoo-Rauswurf richtig war

12.3.2020, 10:17 Uhr
Xavier Naidoo hier bei einem Konzert in der Arena Nürnberger Versicherung.

© Hans von Draminski Xavier Naidoo hier bei einem Konzert in der Arena Nürnberger Versicherung.

"Ihr seid verloren. Ihr macht nicht mal den Mund für Euch auf. So nehmen Tragödien ihren Lauf. Eure Töchter, eure Kinder sollen leiden. Sollen sich mit Wölfen in der Sporthalle umkleiden und ihr steht seelenruhig nebendran. Schaut Euch das Schauspiel an, das Euch alle beenden kann. Weit und breit ist hier kein Mann, der dieses Land noch retten kann. Doch Hauptsache es ist politisch korrekt, auch wenn ihr daran verreckt. Und nochmal: Ich hab‘ fast alle Menschen lieb, aber was wenn fast jeden Tag ein Mord geschieht, bei dem der Gast dem Gastgeber ein Leben stiehlt. Dann muss ich harte Worte wählen, denn keiner darf meine Leute quälen. Wenn doch, der kriegt's mit mir zu tun. Lasst uns das beenden und zwar nun. Ihr seid verloren."

Ja, es gibt die Meinungs- und künstlerische Freiheit in Deutschland – und das ist auch gut so. Wenn Zeilen aber quasi jeden Flüchtling als potenziellen Mörder verurteilen, ist die Grenze des Sagbaren hier deutlich überschritten. Dies ist keine künstlerische Freiheit mehr, sondern Ausländerhass in vermeintlich harmlosere Worte verpackt.


Nach Internet-Video: DSDS wirft Xavier Naidoo aus der Jury


Dass Naidoo für ein Video von ihm, das derzeit im Netz tausendfach geteilt und kommentiert wird, vor allem von Reichsbürgern und Rechtspopulisten gefeiert wird, sollte ihm zu denken geben. Sein bisheriger Arbeitgeber RTL reagierte irritiert auf die Aussagen und forderte öffentlich eine Klarstellung. Zudem distanzierte sich der Kölner Sender direkt und deutlich von den getroffenen Äußerungen.

Mittwochabend meldete sich Xavier Naidoo dann auf Social Media zu Wort und ließ unter anderem verlauten: "Ich setze mich seit Jahren aus tiefster Überzeugung gegen Ausgrenzung und Rassenhass ein. Liebe und Respekt sind der einzige Weg für ein gesellschaftliches Miteinander."

So weit, so gut. Mit den gewählten Worten aus dem besagten Video lässt sich dieser Versuch einer Erklärung jedoch beim besten Willen nicht vereinbaren – das sah auch RTL so: "RTL steht für Vielfalt im Programm. Wir sind Verfechter der Meinungsfreiheit. Dazu gehört aber auch, dass wir jede Form von Rassismus und Extremismus entschieden ablehnen. Die jetzt aufgetauchten Videos von Xavier Naidoo haben uns massiv irritiert. Unsere Bitte, seine Äußerungen im Dialog und live bei RTL persönlich und öffentlich zu diskutieren und zu erklären, hat er bislang unbeantwortet gelassen. Gerade diese Diskussion fänden wir wichtig, da für uns die Aussagen im Video und seine Kommentierung danach überhaupt nicht zusammen passen. Daher haben wir uns entschieden, ihn für die kommende Liveshow von DSDS auszuschließen."


Warnung vor mordenden "Gästen": Rechte feiern Xavier Naidoo


Das Unternehmen zieht die Notbremse – und den Künstler im eigenen Programm aus dem Verkehr.

Es war die einzig richtige Entscheidung einer am Ende bereits jahrelangen Diskussion. Immer wieder stand der 48-jährige Mannheimer wegen fragwürdiger Aussagen deutschlandweit in der Kritik. 2007 erstatte der Künstler Strafanzeige gegen den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler wegen "Hochverrats" – logischerweise erfolglos. Sieben Jahre später stand Naidoo dann bei einer Reichsbürgerveranstaltung auf der Bühne und erklärte unter anderem, "dass wir Ordnung schaffen müssen in diesem Land". Im Jahr 2016 sollte der Musiker für Deutschland beim Eurovision Song Contest antreten – es hagelte unter anderem aus den eben genannten Gründen heftige Kritik, am Ende zog der Norddeutsche Rundfunk die Nominierung zurück. Vor einem Nürnberger Gericht stritt sich Naidoo zudem darüber, dass er es sich verbiete, von Medien als Antisemit bezeichnet zu werden.

Magnet der Massen

Trotzdem setzen bis heute Sender und auch andere Künstler auf die Ausstrahlung von Xavier Naidoo: "Xaviers Wunschkonzert Live" auf Sky, "Sing meinen Song" auf Vox, dazu der RTL-Job, den der 48-Jährige seit 2019 ausübte – Naidoo ist gleich bei mehreren Sendern aktiv, weil er bis heute die Hallen in Deutschland mit seiner Musik bis auf den letzten Platz füllt. Gemeinsam mit Shirin David stürmte er erst kürzlich wieder mit dem Song "Nur mit Dir" die deutschen Singlecharts. Die Söhne Mannheims, mit denen Naidoo in der Vergangenheit ebenfalls große Erfolge feierte, äußerten sich nun ebenfalls zu dem Video ihres Ex-Kollegen und machten dabei deutlich, dass diese Aussagen auch für sie wohl deutlich nicht mehr durch Meinungsfreiheit abgedeckt sind:


Xavier Naidoo in Nürnberg: Soul mit fragwürdigem Inhalt


"Xavier und wir gehen seit einiger Zeit getrennte Wege und als Musikerkollektiv stehen wir klar und konkret gegen Hass, Gewalt und Rassismus! Bestimmt ist es wichtig, in der heutigen Zeit Dinge anzusprechen, gerne auch kontrovers, aber man muss sich der Macht des Wortes bewusst sein.“

"Dieser Weg" – Xavier Naidoo hat sich für einen entschieden, und lotet seit Jahren die Grenzen dieses Weges immer wieder aus. RTL hat nun den Schlussstrich unter diesen Weg gezogen und damit ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung, Rassismus und Diskriminierung gesetzt. Kritik, dass in Deutschland sofort die Nazi-Keule geschwungen werde, sobald man seine Meinung sage, ist hier übrigens komplett fehl am Platz. Rassismus ist keine Meinung. Gerade ein Profi wie Naidoo sollte sich der Wirkung seiner Worte bewusst sein. Wenn Mitmenschen dann als "Wölfe" in der Umkleidekabine bezeichnet werden, ist hier eine Grenze deutlich überschritten. Der vielleicht größte Fehler liegt bei diesen Zeilen wohl an den Begriffen "Gast" und "Gastgeber": Es darf keinen "Gast" oder "Gastgeber" im Denken geben - es gab und gibt bis heute nur den "Menschen".

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