Letzter Standort mit zwei Reaktoren

Gundremmingen: Einer der größten deutschen Atomstandorte geht bald vom Netz

13.12.2021, 05:53 Uhr
Mit dem ersten Meiler in der schwäbischen Gemeinde begann einst die industrielle Atomstromproduktion in der Bundesrepublik.

© Karl-Josef Hildenbrand, dpa Mit dem ersten Meiler in der schwäbischen Gemeinde begann einst die industrielle Atomstromproduktion in der Bundesrepublik.

Kernkraft und Bayern - das gehörte Jahrzehnte lang untrennbar zusammen, besonders wegen der atomfreundlichen Politik der CSU. Bis zur Atomkatastrophe im japanischen Fukushima vor einem Jahrzehnt liefen nicht nur fünf Meiler im Freistaat, die Staatsregierung wollte einst sogar die deutsche Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) im oberpfälzischen Wackersdorf betreiben.

Die WAA scheiterte bereits vor der Errichtung - und am 31. Dezember 2021 wird ein weiteres Symbol des Atomzeitalters seien Betrieb einstellen. Das Kernkraftwerk im schwäbischen Gundremmingen wird endgültig vom Netz genommen. Lange war die Gemeinde im Landkreis Günzburg einer der größten und wichtigsten Atomstandorte der Republik. Insgesamt drei Blöcke wurden dort betrieben.

Nun wird der letzte davon, Block C, unmittelbar nach dem Jahreswechsel nach und nach demontiert. Seit Mai 2021 liege die Genehmigung vor, dass auch der dritte Block rückgebaut werden dürfe, sagt Anlagenleiter Heiko Ringel. "Damit wird dann im Januar 2022 begonnen."

Kernkraftgegner: "Besonders gefährlich"

Gundremmingen zählt nicht nur zu den bekanntesten Standorten der Atomstromproduktion in Deutschland - es war auch einer der umstrittensten. Mit Block A begann im Jahr 1966 die industrielle Atomstromproduktion in der Bundesrepublik. Dieser erste Meiler wurde nach einem Jahrzehnt nach mehreren schweren Störfällen abgeschaltet. Block B des Kernkraftwerks war Ende 2017 planmäßig nach 33 Jahren vom Netz gegangen. Gundremmingen war bis dahin der letzte Atom-Doppelstandort mit zwei aktiven Reaktoren in Deutschland.

Kernkraftgegner sahen die schwäbischen Meiler stets als "besonders gefährlich" an, wie es der Bund Naturschutz in Bayern (BN) formuliert. Es sei der letzte Siedewasserreaktor Deutschlands, der gleiche Typ wie in Fukushima. Bei diesen bestehe im Unterschied zu Druckwasserreaktoren eher ein Risiko, dass radioaktiv kontaminierter Dampf das Reaktorgebäudes verlassen könne. "Die Freisetzungsgefahr von Radioaktivität ist damit besonders erhöht", meint der BN. Außerdem seien in Schwaben besonders viele Mox-Brennelemente mit gefährlichem Plutonium verwendet worden.

Zuletzt sorgte der Block C auch wegen Brennelemente-Defekten für Schlagzeilen. Betreiber RWE musste den Reaktor mitunter außerplanmäßig herunterfahren, um defekte Elemente zu suchen und zu tauschen. Das Unternehmen betonte stets, dass das Kraftwerk für solche Defekte ausgelegt sei und keine Gefahr bestehe.

Am bevorstehenden Silvestertag endet nicht nur die Betriebserlaubnis für den Block C in Gundremmingen, der im Jahr 1984 zusammen mit Block B fertiggestellt wurde. In Norddeutschland werden dann auch die Meiler Brokdorf und Grohnde abgeschaltet. Ende des kommenden Jahres folgen dann die Reaktoren Emsland in Niedersachsen, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Isar 2 in Niederbayern - dann ist das Atomstromzeitalter in Deutschland Geschichte.

Wird Deutschland künftig Atomstrom importieren?

Dabei wird seit einigen Monaten auch bei uns über eine Renaissance der Kernenergie diskutiert. Der große Energiebedarf gerade im Hinblick auf die E-Mobilität und die Abkehr vom Kohlestrom lassen einige fordern, dass Deutschland den Atomausstieg rückgängig machen soll. Doch bislang sind es eher einzelne Stimmen wie der Verein "Nuklearia", der einen "Umweltschutz mit Kernenergie" verlangt.

Doch auch auf europäischer Ebene sind andere Staaten wie Frankreich noch weit davon entfernt, aus der Kernkraft auszusteigen. Manche Kritiker des deutschen Ausstiegs sagen deswegen auch, dass die Bundesrepublik künftig zwar selbst keinen Atomstrom mehr produzieren werde, den in fremden Atommeilern hergestellten Strom dann aber in nennenswerte Größe aus dem Ausland importieren werde.

In Gundremmingen werden nach der Abschaltung noch mindestens 15 Jahre lang die ehemaligen Blöcke B und C die rund 1340 Einwohner große Gemeinde prägen. Der milliardenschwere Rückbau des Kraftwerks wird bis weit in das nächste Jahrzehnt dauern. Von den zuletzt rund 540 Kraftwerksmitarbeitern sollen die meisten bleiben, nur etwa 100 Stellen werden sozialverträglich beispielsweise durch Ruhestand reduziert.

"Wir planen Ende 2022 mit 440 eigenen Mitarbeitern", sagt Kraftwerkschef Ringel. Die sehr gut ausgebildeten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen würden die Anlage am besten kennen. Zudem werden weitere externe Unternehmen mitarbeiten. Mit der Zerlegung der beiden Reaktordruckbehälter hat RWE erst kürzlich das Unternehmen Westinghouse Electric Germany aus Mannheim beauftragt.

RWE kann sich zudem vorstellen, den Standort auch künftig zur Stromproduktion zu nutzen. Unternehmenssprecher Jan Peter Cirkel erläutert, dass dort ein Gaskraftwerk entstehen könnte. "Durch den Kernenergieausstieg und das beschlossene Ende der Kohleverstromung werden voraussichtlich ab Mitte der 2020er Jahre Versorgungsengpässe der Stromnetze in Süddeutschland erwartet", sagt er.

Gaskraftwerke könnten dann flexibel die Engpässe auffangen. Solch eine Anlage würde dann auch gleich für den späteren Betrieb mit Wasserstoff gebaut. Dann könnte das Kraftwerk "langfristig im Sinne der Klimaneutralität eingesetzt werden", sagt Cirkel. Er betont allerdings, dass es noch keine Entscheidung für ein neues Gaskraftwerk in Gundremmingen gibt.

Keine Kommentare