Hochspannung vor der Wahl

CSU-Parteitag in Nürnberg: Fast neun Minuten Applaus für Laschet

11.9.2021, 16:05 Uhr
En Bild voller Symbolkraft. Markus Söder reißt Armin Laschet mit nach oben, begeistert wirkt er dabei nicht.

© Daniel Karmann, dpa En Bild voller Symbolkraft. Markus Söder reißt Armin Laschet mit nach oben, begeistert wirkt er dabei nicht.

Am Ende besinnt die CSU sich auf ihre alten Tugenden. Frenetisch feiern die Delegierten auf dem CSU-Parteitag den Kanzlerkandidaten, obwohl der nicht Markus Söder heißt, sondern Armin Laschet.

Über acht Minuten lang bejubeln und beklatschen sie die Rede des CDU-Vorsitzenden. Markus Söder hatte es tags zuvor nur auf gute dreieinhalb Minuten gebracht. Natürlich ist das auch eine Frage der Parteitagsregie und der Inszenierung. In den Tagen zuvor hat die Parteiführung wenig unversucht gelassen und Zweifel an Laschets Eignung für das Kanzleramt gestreut.


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Kein Versehen

CSU-Generalsekretär Markus Blume setzte in einem Interview den Satz, "natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da." Später verkauft er das als Missverständnis. Doch wer weiß, wie Interviews entstehen und wie viele CSU-Leute später jedes Wort auf dessen Sinn abklopfen, der weiß auch, dass die Spitze kein Zufall war. Und schon gar kein Versehen.

Armin Laschet allerdings zeigt sich unbeeindruckt. Er kommt in die Halle, steigt auf die Bühne, geht an das etwas zu große Rednerpult, das ihn noch ein wenig kleiner wirken lässt. Und legt los. Er arbeitet sich durch die Geschichte der CSU, durch die der Bundesrepublik, durch die von Nordrhein-Westfalen. Seine Kernbotschaft: Es gab die großen Politiker in der SPD; es gab die CDU, die in Nordrhein-Westfalen 50 Jahre in der Opposition gesessen hatte; es gibt die CSU, die sich das stets erspart hat. Und es gibt die politischen Wendepunkte.


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Ein weiter Bogen

Die Ostpolitik Willy Brandts war so einer. Die deutsche Einheit unter Helmut Kohl ein anderer. Heute, so sein Bogen, stehe das Land wieder an einem Wendepunkt, innen- wie außenpolitisch. Er skizziert, wie schwach Europa außenpolitisch aufgestellt sei und in seinen Verteidigungsstrukturen, wie wenig es mit einer Stimme spreche. "Wir brauchen eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Und wir brauchen eigene Kräfte, um selbst handeln zu können." Er meint eine europäische Armee, die die Union aus ihrer Abhängigkeit von den USA lösen solle.

Erst dann nimmt er sich den politischen Gegner vor. Anfangs wirkt es. als wolle er der Linie von CSU-Chef Markus Söder nicht folgen, der den Kampf gegen ein Links-Bündnis aus SPD, Grünen und Linkspartei in den Vordergrund stellt. Laschet geht das Thema eher zögernd an, schießt sich zunächst nur auf SPD und Grüne ein, die "möglicherweise" mit der Linken koalieren könnten.


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Falsche Strategie

Die SPD, sagt er, und damit ist klar, wen er als Hauptgegner ausgemacht hat, "stand bei allen wichtigen Entscheidungen der Nachkriegszeit immer auf der falschen Seite". Ihr Prinzip sei in der Krise stets so gleich wie falsch: "Schulden machen, Steuern erhöhen, den Bürgern möglichst viel vorschreiben."

Dann greift er SPD-Kandidat Olaf Scholz direkt an. Der sei "ein Finanzminister, der nur so gut gewirtschaftet hat, weil Angela Merkel auf ihn aufgepasst hat." Er wirft ihm vor, er sei bei der Finanzaufsicht zu sorglos gewesen, nennt allerdings den Wirecard-Skandal nicht beim Namen. Und er empört sich über die Reaktion des SPD-Politikers auf die Hausdurchsuchungen der Staatsanwalt im Bundesfinanz- wie im Bundesjustizministeriums, beides SPD-geführte Häuser.

Falsche Reaktion

"Das ist schon ein einmaliger Vorgang in Deutschland", sagt Laschet. "Und die richtige Reaktion von Scholz wäre gewesen, die Staatsanwaltschaft zu unterstützen und nicht Zweifel am Rechtsstaat zu säen." So etwas kenne er nur von "populistischen Regierungen in anderen Ländern".

Es ist eine kämpferische Rede, die Armin Laschet hält. Immer wieder hinterfragt er die Zuverlässigkeit von Roten und Grünen. Er nennt ihre Programme einen "Angriff auf den Wohlstand in Deutschland"; er sieht sie in der Außenpolitik falsch aufgestellt und in der Verteidigungspolitik sowieso.

Alles in Gefahr

Er zeichnet das Bild eines Links-Bündnisses, das den Euro gefährde, den Industriestandort Deutschland, die Arbeitsplätze im Land. "Manchen von denen geht es nicht um den Umweltschutz", warnt er dann, "sondern um eine Systemveränderung". Als Beispiel bemüht er die Auseinandersetzungen um die IAA in München.

Er skizziert ein Land, in dem mit einem Links-Bündnis die innere Sicherheit zur Farce werde, verweist auf Berlin. Und auf Nordrhein-Westfalen. Hier wie dort haben sich vor allem die Clans ihre eigenen Strukturen geschaffen, hier wie dort unter SPD-geführten Regierungen. Seit die CDU in Nordrhein-Westfalen mitregiert, so seine Botschaft, hat sich das zumindest dort verändert.

Viel Lob für Bayern

Auch deshalb lobt der CDU-Chef die bayerische Sicherheitspolitik mit ihrem Null-Toleranz-Gebot. "Man kann sich kaum vorstellen", sagt er, "dass eine Münchener Sicherheitskonferenz unter einem Bürgermeister Scholz in Hamburg tagen könnte."

Vielleicht hatten sie bei der CSU nicht mit einem derart kämpferischen Laschet gerechnet. Der Zwischenapplaus, den er bekommt, wirkt ehrlich, etwa, als er all jene Bedenkenträger angreift, die beim Kampf gegen Kindesmissbrauch auch auf den Datenschutz verweisen. "Irgendwann hört das damit auf", poltert Laschet. "Irgendwann gehen die Kinder vor."

Druck auf die SPD

Bei den Delegierten kommt das an. Auch, dass er von SPD und Grünen fordert, sie sollten sich endlich von der Linken abgrenzen. "Die Linke akzeptiert fundamentale Prinzipien unseres Staates nicht", sagt er da. Die Union dagegen grenze sich klar von der AfD auf der anderen Seite des Spektrums ab. Der Satz sei doch auch für die SPD "relativ einfach: Wir koalieren nicht mit der Linken, und wir bekämpfen die AfD."

Scholz aber lasse sich "hier eine Hintertür offen. Die müssen wir ihm verschließen durch ein gutes Wahlergebnis für die Union." Zumindest an diesem Tag trauen ihm die Delegierten das auf dem CSU-Parteitag zu. Und feiern ihn so, dass Mitarbeiter von Markus Söder später raunen, in den eigenen Reihen habe Laschet noch nie so viel Beifall bekommen. Es soll klar machen, dass es ein Akt der Höflichkeit der CSU war und nicht mehr. Nicht, dass am Ende die falsche Botschaft vom CSU-Parteitag ins Land geht.

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