Bundestagswahl

Kommentar zu den Wahlergebnissen: Eine Regierungsbildung wird schwierig

26.9.2021, 18:36 Uhr
Die drei Kanzlerkandidaten bei der Stimmabgabe. Wer wird am Ende die Regierung führen?

© -, dpa Die drei Kanzlerkandidaten bei der Stimmabgabe. Wer wird am Ende die Regierung führen?


Einen unmittelbaren Anspruch auf das Kanzleramt können weder Olaf Scholz und schon gar nicht Armin Laschet aus dem Ergebnis ableiten. Eine schwierige Kandidatenfindung und ein gründlich vergeigter Wahlkampf haben der Union das schlechteste Bundestagswahlergebnis überhaupt eingebracht - und damit der SPD und ihrem Kandidaten den Weg geebnet. Doch sowohl SPD als auch CDU/CSU sind einfach zu weit weg von einem eindeutig ablesbaren Wählerwillen, aus dem ein politischer Handlungsauftrag zur Regierungsbildung abzuleiten wäre. Sowohl Scholz als auch Laschet brauchen zwei Partner, um im Bundestag eine Mehrheitskoalition bilden zu können - das war erwartet worden und so kam es auch. Damit kommen die Grünen und die FDP als Koalitions- und Kanzlermacher ins Spiel.

Inhalte entscheiden bei solchen Konstellationen über Koalitionen, nicht Koalitionen über Inhalte, das hatte FDP-Chef Christian Lindner im Interview mit unserer Redaktion gesagt, und er hat damit recht. Lindner und die beiden Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck werden diejenigen sein, auf die es nun ankommt.

Olaf Scholz wird aller Voraussicht nach versuchen, eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen zustande zu bringen. An dem SPD-Kanzlerkandidaten wird es selbst nicht scheitern; wie aber kommen Liberale und Grüne zusammen, die sich in sehr wesentlichen Programmpunkten sehr wesentlich unterscheiden? Die Grünen wollen Gutverdiener und Unternehmen über die Einkommen- und Vermögensteuer stärker belasten, die FDP will vor allem die Wirtschaft entlasten; die Grünen wollen die erneuerbaren Energien schnell ausbauen, den Ausstieg aus der Kohleverstromung schon vor dem Jahr 2038, ab 2030 keine Neufahrzeuge mit Verbrennermotoren mehr zulassen; die FDP lehnt solche Verbote ab.

Die Grünen als Zünglein an der Waage

Die Grünen werden sich in der Klima- und Umweltpolitik auf die Hinterfüße stellen, es geht schließlich um ihre zentrale politische Agenda. Auch Armin Laschet wird sich um FDP und Grüne bemühen. Aber was kann der Unionsmann beiden für eine Zusammenarbeit anbieten, das attraktiver wäre als das Angebot von Olaf Scholz? Klar, die FDP sieht sich näher bei der Union, die Grünen verorten sich im linken Spektrum und damit bei der SPD. Würden sich Annalena Baerbock und Robert Habeck vor diesem Hintergrund tatsächlich für ein sogenantes Jamaika-Bündnis mit Union und FDP entscheiden, würde das in der SPD zu gewaltiger Verärgerung führen. Das werden die beiden Grünen-Parteichefs ohne Not nicht eingehen wollen.

Alle anderen denkbaren Koalitionen wären für SPD und Union nur zweite Wahl. Zum Beispiel die Große Koalition oder die Deutschland-Koalition aus Union, SPD und FDP. Würden CDU und CSU tatsächlich als Nummer zwei in eine wie auch immer geartete Regierung unter einem Kanzler Scholz eintreten, nur, und das wäre die gängige Interpretation, um auch weiterhin mitregieren zu können? Das würde zwischen den Schwesterparteien, aber auch innerhalb von CDU und CSU zu heftigen Diskussionen führen. Laschet weiß das und fürchtet dieses Szenario.

Die politischen Ränder spielen bei der Regierungsbildung keine Rolle; die AfD, weil mit ihr niemand zusammenarbeiten will, die Linke, weil ihr die relevanten Prozente fehlen. Gebildet wird die neue Bundesregierung also aus dem Spektrum, das alle möglichen Beteiligten für sich reklamieren: die politische Mitte. Gelingt es Olaf Scholz, eine regierungsfähige Mehrheit zu verhandeln, dann sieht er sich als künftiger Kanzler allerdings mit einer deutlich links orientierten Bundestagsfraktion konfrontiert, in der die Jungsozialisten um ihren ehemaligen Vorsitzenden Kevin Kühnert eine wichtige Rolle spielen werden. Nicht zu vergessen die beiden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans - beides dezidierte Linke und sehr viel weniger pragmatisch als Scholz. Offen ist ferner, ob Scholz die SPD-Mitglieder über einen Koalitiionsvertrag abstimmen lassen will. Als Parteichef wollten sie ihn ja nicht.

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