Kommentar zum Tempolimit: Gegner betreiben Symbolpolitik

29.12.2019, 14:18 Uhr

Vor wenigen Wochen erst haben die sozialdemokratischen Abgeordneten einen Tempolimit-Antrag der Grünen krachend abgelehnt. Die nun erhobene Forderung nach Tempo 130 wirkt da schon schräg. Im ersten Moment.

Das gilt auch mit Blick auf die Chancen: Natürlich wird sich die Union, allen voran die Freie-Fahrt-für-freie-Bürger-Partei CSU, hüten, den Fuß auch nur einen Millimeter vom Gaspedal zu nehmen. Stattdessen macht wieder die böse Erzählung von den Verbotsparteien die Runde.

Liebe Autofahrer, so lautet das Wahlversprechen Söders und Kramp-Karrenbauers, mit uns müsst ihr keine Angst habe. Wir lassen euch den letzten Rest Freiheit – die Option zur grenzenlosen Raserei auf den deutschen Autobahnen.

 Knallhartes politisches Kalkül

Dahinter steckt knallhartes politisches Kalkül: Kann doch auf diese Art und Weise ein beachtlich großer Teil der Wählerschaft gebunden werden.

Rund ein Drittel der Bevölkerung, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage, spricht sich grundsätzlich gegen ein Tempolimit aus. Dieses Drittel, darunter sicherlich viele Unions-Wähler, befürwortet, dass Autobahnen die letzte Spielwiese für notorische Gasgeber bleiben.


Kommentar: Runter vom Gas! Alles spricht für ein Autobahn-Tempolimit


Dass zunehmende Verkehrsströme den PS-Fetischisten kaum mehr die Chance bieten, Vollgas zu fahren – geschenkt. Es geht um die Möglichkeit. Wer den Vergleich zwischen deutschem Tempolimit und dem Waffenbesitz in den USA zieht, erntet zwar heftige Prügel, liegt aber nicht falsch. Die wenigsten US-Bürger machen von ihren Knarren Gebrauch, es geht um die Option. Analog definieren sich bei uns einige über die Leistungsfähigkeit ihrer Boliden.

Es geht nicht um Klimaschutz

Ob dies alles hinreichende Gründe sind, weiterhin das Rasen zu gestatten, muss bezweifelt werden. Auch wenn es stimmen sollte, dass weder die Unfallstatistik noch das Klima signifikant durch ein Tempolimit entlastet würden, spricht alles für eine solche Regulierung.


"Symboldebatte": Autoverband VDA lehnt generelles Tempolimit ab 


Vielen Menschen würde dadurch die Angst genommen, die Raser Tag für Tag billigend bei ihren oft waghalsigen Überholmanövern in Kauf nehmen. Den Automobilkonzernen würde der Druck genommen, Pkw mit irrer Leistungsfähigkeit zu bauen. Schließlich würde auch die flächendeckende Einführung autonomen Fahrens vorbereitet werden.

Denn selbst Verkehrsminister Scheuer dürfte nicht von KI-gesteuerten Verfolgungsjagden bei Tempo 200 träumen. Wer all diese Argumente sacken lässt, nimmt am Ende des Denkprozesses zwangsläufig den Fuß vom Gaspedal. Wer dagegen ohne ein Tempolimit weitermachen will, der betreibt reine Symbolpolitik.

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