Philipp Amthor im Interview: "Polarisieren gehört dazu"

31.1.2020, 06:00 Uhr
Philipp Amthor im Interview:

© Anne Kleinmann

Erst bloßes CDU-Mitglied, später Vorsitzender des Stadtverbandes, dann Bundestagsabgeordneter – in 20 Jahren dann Kanzler? Wo wollen Sie hin?

Philipp Amthor: Politische Karrieren kann man erstens nicht planen und sollte es zweitens auch nicht. Im Vordergrund sollten nicht Ämter stehen, sondern Inhalte. Ich freue mich trotzdem über jeden, der meiner politischen Arbeit Wertschätzung entgegenbringt. Das sollte einen aber nicht dazu verführen, in Hybris zu verfallen.

Mit 24 Jahren wurden sie per Direktmandat in den Bundestag gewählt. Wie macht man das?

Amthor: Es ist immer besser unterschätzt zu werden, als überschätzt zu werden. Zudem ist nicht das Alter entscheidend, sondern gute Argumente und überlegtes Handeln. Als mein Fraktionschef hat Volker Kauder immer gesagt: Der Philipp Amthor ist bei uns zwar der Jüngste, aber nicht der Schüchternste. Damit hat er ganz sicher Recht. Die Qualität von Argumenten und Leistungsbereitschaft sind am Wichtigsten. Und die habe ich im Kampf um das Direktmandat gezeigt.

Angst als Geschäft

Ihr Wahlslogan damals hieß "Neuer Mut". Was meinten Sie denn damit?

Amthor: Die Debatten unserer Zeit zeigen, dass nicht Angst der beste Ratgeber ist, sondern dass es immer um Mut gehen sollte. Gerade bei den großen Herausforderungen, wie der Debatte um den Klimaschutz oder der Frage nach dem Umgang mit Migration und ihren Folgen.

Bei diesen Themen, die aktuell das gesellschaftliche Klima bestimmen, bekommen gerade diejenigen besonders viel Zustimmung, die ihr Geschäft auf der Grundlage von Angst machen. Das ist nicht gut und dem sollte man immer Mut und Zuversicht entgegensetzen. Und neuer Mut heißt für mich ganz persönlich auch, sich etwas zu trauen und sich etwas zuzutrauen. Denn für mich war auch immer klar: In diesem Land kann man viel erreichen, wenn man fleißig ist und sich anstrengt.


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Beim Klimapaket kommt bei vielen Betrachtern aber der Eindruck auf, das sei kein mutiges, sondern ein sehr zögerliches und ängstliches Paket.

Amthor: Das sehe ich nicht so. Bei Lichte betrachtet ist erkennbar, dass wir das einzige Industrieland der Welt sind, das gleichzeitig den Ausstieg aus der Atomenergie und aus der Kohleenergie beschlossen hat. Zudem verbindet sich die Energiewende auch heute schon mit mächtigen Einschnitten, die für viele Bürger sowohl Belastung als auch Zumutung sind. Das alles ist alles andere als unambitioniert.

Locker und schlagfertig

Noch einmal zurück zu Ihnen als Person: Der Comedian und Autor Schlecky Silberstein konnte sich nicht vorstellen, dass ein junger Mensch freiwillig zu CDU geht und hat deswegen die Kamapagne "freeamthor" gestartet. Was sagen sie: muss man sie befreien?

Amthor: Nein, dafür gibt es gar keinen Anlass. Die Kampagne unterstreicht allerdings: Wer in der Politik für klare Linien und Kanten steht, bietet auch Reibungsfläche für kabarettistische Auseinandersetzungen. Das ist auch schön und gut. Ich kann mit solchen Dingen locker und schlagfertig umgehen.

Sie sind mehr als andere Politiker Spott und Häme in den sozialen Medien ausgesetzt. Es gibt sogar einen eigenen Twitter-Kanal "amthor memes", in dem es nur um sie geht. In vielen der Memes macht man sich über sie lustig. Wie gehen sie damit um?

Amthor: Polarisieren gehört zur Politik einfach dazu. Wenn es zu Zeiten von Franz Josef Strauss schon Twitter und andere soziale Medien gegeben hätte, wäre er wahrscheinlich täglich einem – wie das so modern heißt – "Shitstorm" ausgesetzt gewesen. Ich glaube aber nicht, dass es ihn davon abgehalten hätte, weiter die Politik zu vertreten, die er und seine Partei für richtig hielten.

Ich denke außerdem auch, dass man nicht alles, was im Internet gemacht wird als bösartigen Spott bezeichnen kann. Auf Instagram bin ich ja mittlerweile der reichweitenstärkste Politiker von CDU und CSU. Und ich muss ehrlich sagen, manche Memes und Witze, sind ja auch einfach lustig. Als Politiker sollte man auch über sich selbst lachen können, das halte ich für wichtig und notwendig. Wenn es allerdings bei den Witzen nur stumpf um Alter und Aussehen geht, dann sagt das mehr über den Kritisierenden als über den Kritisierten aus.

Welches ist Ihr Lieblingsmeme zu Ihnen selbst?

Amthor: Davon gibt es eine ganze Reihe. Es fällt mir schwer, ein Bild spezifisch herauszugreifen, aber lustig sind auf jeden Fall die vielen Bilder, die mich mit zwei gebastelten Pilzen zeigen, die ich mir einmal in einer Behindertenwerkstatt in meinem Wahlkreis angesehen habe – etwa mit der Aufschrift: "Wenn Du Dich am Black Friday nicht unter Kontrolle" hast. Über Kreativität kann ich lachen.

Sie haben jetzt seit wenigen Monaten einen eigenen Instagram-Account und schon über 52 000 Follower. Ist das die neue Art der politischen Kommunikation?


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Amthor: Neue Formate wie Instagram ersetzten klassische Formate nicht, sondern ergänzen sie. Aber sie sind durchaus wichtig, weil sie eine Möglichkeit ist, Politiker nahbar zu zeigen. Gleichzeitig finde ich aber auch, dass es bei Sozialen Netzwerken wie Instagram, im Kern trotzdem noch um Politik gehen muss. Dafür sollten die Inhalte im Vordergrund stehen. Hinzu kommt, dass man mit den Sozialen Medien einfach eine andere Zielgruppe erreichen kann.

Das merke ich auch, wenn ich auf der Straße von Jüngeren angesprochen werde, die mich von Videos aus YouTube oder von meinem Instagram-Account kennen und nicht unbedingt aus Talkshows. Das heißt nicht, dass klassische Medien per se weniger wichtig sind, man braucht sie auch. Für einen Politiker ist es aber eben auch wichtig, dass man in verschiedenen Medienfeldern gut aufgestellt ist und unterschiedliche Zielgruppen bedient.

"Auch Mitstreitern Bälle zuspielen"

Merkels Politik halten viele seit langem für zu links, Seehofer zeigt Milde in der Flüchtlingspolitik, und Söder will neuerdings das Klima retten. Haben CDU/CSU ihren Konservatismus verloren?

Amthor: Nein. Er ist und bleibt Kern unserer Politik. Wir müssen aber auch eine vernünftige Breite im politischen Spektrum darstellen. Deswegen sage ich: Eine gute Volkspartei sollte so aufgestellt sein, wie eine gute Fußballmannschaft. Und eine gute Mannschaft stellt sich so auf, dass jeder auf der Position spielt, die er am besten kann, während er zugleich die Breite des Spielfeldes im Auge hat, den Mitstreitern auch mal Bälle zuspielt und weiß, dass der Gegner auf der anderen Seite des Spielfeldes steht. Das sollte die Überzeugung einer Volkspartei sein.

Welche Position hätten Sie denn in einer Fußballmannschaft inne? Linksverteidiger ist es ja nicht.

Amthor: Nein. Ich glaube aber auch, dass es nichts bringt, die Mitte-Debatte zu ausgrenzend zu führen. Die CDU ist eine Partei, die nicht von den Rändern, sondern aus der Mitte der Gesellschaft denkt, aber auch bis rechts der Mitte integrieren muss. Also das demokratisch-rechte Spektrum beziehungsweise das bürgerlich-konservative Spektrum, das ist es, wo ich mich Zuhause fühle.

Im Bundestag kommen Sie immer wieder auf Anträge der AfD zu sprechen, die Sie dann regelrecht auseinandernehmen. Sind Sie ein Zerstörer?

Amthor: Das schreibt mancher im Internet … Dort sind meine Erwiderungen zu Anträgen der AfD jedenfalls sehr beliebt. Ich frage mich immer, woher die besondere Popularität kommt, wenn ich mich mit der AfD auseinandersetze. Denn das mache ich auch mit anderen Parteien, etwa mit den Grünen. Was ich auf Grund der positiven Resonanz auf meine Bundestagsreden aber jedenfalls wahrnehme:

Die Menschen haben Lust auf Debatte und auf Unterscheidbarkeit. Debatte heißt, eine Bundestagsrede ist im Idealfall nicht so gestaltet, dass wir uns gegenseitig Texte vorlesen, sondern dass wir miteinander diskutieren und Unterschiede erkennbar werden. Das liegt mir besonders am Herzen und wenn es dafür viel Zustimmung gibt, freut mich das.

Jetzt gehen Sie bei den AfD-Anträgen aber oftmals nicht auf Inhaltliches ein, sondern sie konzentrieren sich auf die juristischen Fehler.

"Aus Europawahl gelernt"

Amthor: Die AfD wird man nicht durch Ignorieren aus der Welt schaffen können, sondern nur durch eine inhaltliche Auseinandersetzung. Ich bin fest davon überzeugt, dass viele Bürger die AfD nicht gewählt haben, weil sie von der Partei inhaltlich überzeugt sind, sondern eher weil sie von uns an mancher Stelle enttäuscht sind.

Deswegen ist es wichtig, dass wir die AfD sachlich stellen. Die AfD hat ja einen gewissen Anspruch. Sie will im Parlament vorgeblicher ‚Retter des Abendlandes‘ sein, bekommt in der konkreten Umsetzung aber oft wenig auf die Pfanne. Das muss man aufzeigen.


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Mit dem Wort "Zerstörer" spiele ich natürlich auf das Rezo-Video an. Danach gab es ja ein längeres Hin- und Her. Wie ist denn nun die Strategie der CDU, mit der Netzgemeinde umzugehen?

Amthor: Ich habe den Eindruck, dass wir aus dem Ergebnis der Europawahl gelernt haben. Das schlechte Abschneiden bei der jungen Generation basierte im Prinzip auf einer Melange aus Klimadebatte, EU-Urheberrechtsdiskussion ("Upload-Filter") und Rezo-Debatte. Dafür mussten wir bitteres Lehrgeld zahlen. Aber wir haben daraus gelernt, dass man sich trauen muss, im Internet auch eine gewisse Selbstironie an den Tag zu legen. Als etwa Greenpeace uns jüngst das "C" aus der Parteizentrale entführt hat, haben wir eben nicht gleich ernst reagiert, sondern mit Humor gesagt: Naja, sollen sie es behalten, vielleicht entfaltet es eine heilsame Wirkung.

Sie sitzen jetzt für eine Legislaturperiode im Bundestag. Nehmen wir an Sie würden beim nächsten Mal nicht mehr gewählt werden, hätten Sie einen Plan B?

Amthor: Ja, natürlich. Ich bin von Herzen gerne Jurist und habe auch in diesem Bereich große Lust auf verschiedene Herausforderungen. Außerdem habe ich ja meine noch unvollendete Dissertation mit in den Bundestag genommen, die auch dringend nach Vollendung ruft. Politik ist kein Beruf, sondern man sollte immer eine vernünftige Perspektive jenseits dessen haben. Denn klar ist: Politische Ämter sind immer Ämter auf Zeit.

Zur Person

Philipp Amthors Lebenslauf liest sich wie der eines Vorzeigeschülers: 1992 in Ueckermünde geboren, machte er dort sein Abitur und studierte dann Rechtswissenschaften an der Universität Greifswald. 2008 trat er der CDU bei, wurde zwei Jahre später Mitglied im Landesvorstand der Jungen Union, dann deren Kreisvorsitzender und ab 2017 Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes Ueckersmünde. Noch im selben Jahr setzte er sich bei der Bundestagswahl gegen den Hauptherausforderer der AfD durch und zog per Direktmandat in den Deutschen Bundestag ein.

Er ist damit der zweitjüngste Abgeordnete im Bundestag – wirkt aber wie einer der Ältesten. Vielleicht ist es aber auch genau das, was ihn so polarisieren lässt und ihm gerade in der jungen Generation viel Aufmerksamkeit beschert: offen konservativ und doch selbstironisch. Bei Instagram wird der Jungpolitiker zudem für seine Reden zur AfD gefeiert, in denen er regelmäßig die Anträge der Partei juristisch unter die Lupe nimmt.

Bekannt wurde Amthor vor allem durch das Video "Die Zerstörung der CDU" des YouTube-Stars Rezo, auf das er – ebenfalls im Videoformat – eine Antwort formulierte. Am Ende zog die Partei das Video jedoch vor der Veröffentlichung zurück. Bekannt ist nur der erste Satz: "Hey Rezo, du alter Zerstörer."

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