Thema Klimadiskussion: Bloß keine Glaubenskriege!

5.10.2019, 14:02 Uhr
Zahlreiche Demonstrationen haben das Thema Klima oben auf die Agenda gesetzt - doch jetzt braucht es sachliche Diskussionen.

© Michael Matejka Zahlreiche Demonstrationen haben das Thema Klima oben auf die Agenda gesetzt - doch jetzt braucht es sachliche Diskussionen.

Manche sagen, der Streit ums Klima sei inzwischen ein Glaubenskrieg, die Aktivisten folgten einer neuen Klima-Religion. Das ist falsch und wahr.

Falsch, weil der Klimawandel keine Sache des Glaubens ist, sondern eine Tatsache, die nur wenige leugnen. Was Greta Thunberg anprangert, sind längst bekannte Versäumnisse: Spätestens seit den 1980ern weiß die Welt, was ihr droht, wenn nicht gegengesteuert wird. Es geschah viel zu wenig, gegen besseres Wissen. Nun werden die Studien der Klimaforscher von der Realität überholt: Gletscher, Eis und Permafrostböden schmelzen heftiger als prognostiziert.

Man muss Greta Thunberg auch widersprechen

Die Experten sind, im Gegensatz zu Behauptungen der Klima-Leugner, alles andere als alarmistisch. Im Gegensatz zu vielen, die das ausbleibende Handeln der Politik zu Recht kritisieren – aber mit einer apokalyptischen Unerbittlichkeit, die ungeeignet sein dürfte, Skeptiker zu überzeugen. Das gilt auch für Greta Thunberg. Ihre wütende Attacke vor den Vereinten Nationen war nachvollziehbar. Doch man muss der 16-Jährigen, die womöglich in einer Woche den Friedensnobelpreis erhält, auch widersprechen (sachlich, nicht mit jenem Hass, der ihr vor allem im Netz entgegenschlägt).

Thunberg zweifelt daran, wenn auf den Fortschritt gesetzt wird. Wir brauchen aber genau diese bessere Technik – und kluge Politik (die wir mit dem Kleinklein-Klimapaket noch nicht haben) müsste das entschiedener fördern und einfordern. Deshalb reicht es nicht, wenn die Physikerin Angela Merkel auf diesen Fortschritt verweist und Thunberg kritisiert: Der grüne Wandel kann eine Riesen-Chance für Deutschland sein, das auf diesem Feld auch wegen zu mutloser Politik zurückgefallen ist.

Thunberg attackierte zudem das "Märchen von einem für immer anhaltenden wirtschaftlichen Wachstum". Dieser Wachstums-Glaube hat bei zu vielen religiöse Züge. Aber eine Wirtschaft ganz ohne Wachstum wird nicht überleben, weder im Kapitalismus noch in anderen Staatsformen, das sagen auch überzeugte Ökologen. Wir brauchen Wachstum – aber keines, das auf Ausbeutung von Kindern im Kongo beruht, die unter Lebensgefahr Kobalt für unsere Handys abbauen.

Zorn und kühle Köpfe

Der Zorn junger Menschen hat binnen eines Jahres viel erreicht: Das Thema Klima steht oben auf der Agenda – wenn auch zu oft noch in Worten und zu selten in Taten. Protest bringt etwas. Ob der radikalere Protest, wie ihn "Extinction Rebellion" nun in Berlin auf die Straße bringen will, der Bewegung hilft?

Die Grenze zur Gewalt darf keinesfalls überschritten werden. Blockaden sind fragwürdig und machen das wichtige Anliegen gerade bei jenen sicher nicht populärer, die zweifeln. Da droht eher eine Eskalation, ein noch aufgeheizteres Debatten-Klima. Der Klimawandel ist aber viel zu wichtig für Polarisierung und Spaltung. Wut ist ein Antrieb. Sie muss aber kühle Köpfe erreichen und bewegen.

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